Man kann Spender unter anderem nach Religion, Nationalität, Augenfarbe und Beruf filtern. Da wird man sich Gedanken machen müssen, welche Eigenschaften des Spenders einem mehr gefallen. Vielleicht ein britischer, 175 Zentimeter großer Firmenchef mit einem Abschluss in Physik, grünen Augen und dunkelbraunen Haaren? Oder lieber ein muslimischer Restaurantmanager mit indischen Wurzeln, braunen Augen und 170 Zentimeter Körpergröße? Auch nicht? Dann einfach weiterscrollen. Das geht mit der neuen App der „London Sperm Bank“, der größten Samenbank Großbritanniens – herunterzuladen in der Kategorie „Shopping“.
Einfach eine Wunschliste erstellen - wie beim Online-Schuhkauf
Die App funktioniert ganz einfach. Entweder man durchforstet die Datenbank und scrollt bei fehlendem Interesse einfach weiter. Oder aber man erstellt eine Wunschliste – wie beim Schuhkauf bei Zalando. In diese Liste kann eine Frau, die ganz genau weiß, was sie für Spermien erwartet, und keine Lust hat, das riesige Archiv zu durchsuchen, ihre Kriterien für die Wunsch-Spende eintragen. Dann muss sie sich nur noch zurücklehnen und warten, bis ein geeigneter Kandidat seinen Erguss in einem Plastikbecher aufgefangen hat. Ist ein Spender gefunden, erhält die Kundin eine Benachrichtigung. Jetzt wird es teuer: 950 Pfund sind für so eine Samenspende zu entrichten, dafür verspricht die London Sperm Bank vollste Zufriedenheit mit dem „Produkt“.
Während das Spenden von Samen für weite Teile der Gesellschaft längst Normalität ist, sorgt die neue App „London Sperm Bank Doners“ derzeit für heiße Diskussionen. Fraglos macht die App es Frauen ganz leicht, einen geeigneten Samenspender zu finden. Kritikern stellen sich wichtige moralische Fragen. Sie werfen London Sperm Bank Donors etwa vor, die Elternschaft zu trivialisieren, und geben zu bedenken, dass es einem klar sein müsste, dass es einen riesigen Unterschied zwischen dem Einrichten einer Lieferservice-App und dem Filtern von Samenspenden nach Augenfarbe gebe. Josephine Quintavalle, eine Aktivistin von Pro-Life, wird von der britischen Tageszeitung „The Times“ zitiert:. „Dies ist Reproduktion via Handy. Digitale Väter. Such Dir den Vater aus. Das ist die ultimative Verunglimpfung der Vaterschaft“. Manche Medien wiederum feiern die App, weil sie den unangenehmen Gang zur Samenbank überflüssig mache.
Natürlich gelten auch bei der Benutzung der neuen App jene Gesetze, mit denen in Großbritannien der Vorgang der Samenspende geschützt wird. Zuallererst dadurch, dass der Spender anonym bleibt – Spendensucher erfahren deren Namen nicht, für sie ist der Spender nur eine Zahl. Zwar müssen Spender bei einer Samenbank sowohl nichtidentifizierende Angaben, etwa Körpergröße, Gewicht und Nationalität, als auch identifizierbare Informationen wie ihren Namen, ihre Adresse und ihr Geburtsdatum hinterlassen. Die Samenspendensucher haben natürlich nur Zugriff auf nichtidentifizierbare Informationen. Allerdings hat ein Kind, das mittels einer Samenspende gezeugt wurde, ab dem 18. Lebensjahr vollen Zugang und darf den Samenspender kontaktieren.
Eine solche App wäre auch in Deutschland möglich
Ein Spender hat in Großbritannien keine Pflichten dem Kind gegenüber – gleichzeitig aber auch keine Rechte. Er muss keine Unterhaltsleistungen zahlen, darf sich aber auch nicht daran beteiligen, das Kind großzuziehen. In Deutschland ist die rechtliche Lage ähnlich. Die Samenbank erhebt umfassende Informationen über den Samenspender, dieser bleibt aber so lange anonym, bis das Kind beschließt, den Vater kennenzulernen. Für dieses Auskunftsrecht gibt es in Deutschland jedoch keine Altersbeschränkung – auch Kinder und Jugendliche haben schon das Recht, ihren biologischen Vater kennenzulernen, wenn sie das wünschen. Das haben Gerichtsurteile aus den Jahren 2013 und 2015 so beschieden. Anders als in Großbritannien müssen Spender deutscher Samenbanken aber befürchten, unter bestimmten Voraussetzungen mit Unterhaltsansprüchen konfrontiert zu werden.
Auch in Deutschland könnte eine ähnliche App auf den Markt kommen, gesetzlich stehen dem laut dem Kinderwunsch-Fachanwalt Felix Modl von der Münchner Kanzlei Modl & Coll jedenfalls keine größeren Hindernisse im Wege. Man müsste nur verschiedenen Auflagen in den Bereichen Gesundheitsrecht und Datenschutz Genüge tun und sich um einige juristische Fragen der Kommerzialisierung von Samenspenden kümmern. Theoretisch wäre so eine App aber durchaus machbar.
Jedoch wäre die App hierzulande vermutlich nur für Ehepaare sinnvoll, denn für lesbische Paare und auch alleinstehende Frauen ist es in Deutschland schwierig, eine Spendersamen-Behandlung zu erhalten. Deshalb dürfte London Sperm Bank Donors zunächst sicher auch in Deutschland Nutzer finden, die den Termin ihres nächsten London-Trips nach der Samenspende richten.
Illustrationen: Katharina Bourjau