Drogenpolitik meint noch mal was genau: Verbote?
Drogen- und Suchtpolitik zielt in Deutschland auf die „Reduzierung des Konsums legaler und illegaler Drogen und die Verringerung der drogen- und suchtbedingten Probleme in unserer Gesellschaft“, so die Drogenbeauftragte der Regierung, Mechthild Dyckmans. Drogenpolitik im engeren Sinne meint primär Maßnahmen gegen illegale Drogen. Dazu zählen Repressionen wie Strafen, Verbote oder Marktregulierungen. Genauso: Prävention, Beratung und Behandlung, Überlebenshilfen für Schwerstabhängige. Eine Studie im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums hat für das Jahr 2006 geschätzt, dass es bis zu 6,1 Milliarden Euro direkte öffentliche Ausgaben wegen illegaler Drogen gab – wobei laut Forschern der tatsächliche Wert noch weit darüber liegt. Schließlich sind auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene viele Institutionen und Personen mit Drogen befasst. Das ist nicht nur das Gesundheitsministerium mit seiner Bundesdrogenbeauftragten (das einen Großteil der politischen und gesetzgeberischen Prozesse steuert), sondern beispielsweise: Polizei, Gerichte, Forschungseinrichtungen, private Träger der Suchthilfe, Kranken- und Rentenversicherungen. Generell kennt Drogenpolitik zwei Tendenzen: den akzeptierenden und den repressiven Ansatz. Zu letzterem gehört der War on Drugs, wie ihn US-Präsident Nixon verkündete. Viele Staaten gehen jedoch auch dazu über, Konzepte der Harm Reduction (Schadensminderung) wie Drogenkonsumräume oder Substitutionsbehandlung anzuwenden. Die Drogenpolitik eines Landes ist immer auch durch seine Kultur und durch landesspezifische Probleme geprägt.
Was sind Betäubungsmittel?
Eben jene auf das Nervensystem wirkenden Stoffe, die nicht „einfach so“ in den Handel gebracht werden dürfen, da sie abhängig machen oder ihre missbräuchliche Verwendung gefährlich ist. Also Rausch- und Suchtmittel sowie einige andere Stoffe, die medizinisch verwendet werden, zum Beispiel Narkotika.
Was ist das BtMG?
Der ausufernde Opiumhandel sollte 1929 in Deutschland ein Ende haben – mit der Einführung des Opiumgesetzes. 1972 wurde dies durch das heutige „Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln“ (BtMG) abgelöst, das alles von Herstellung über Handel bis Strafen bei Verstößen regelt. Wie jedes Gesetz ist das BtMG demokratisch legitimiert, es hat das Ziel, Missbrauch, Abhängigkeit zu verhindern und gleichzeitig die medizinische Versorgung zu sichern. Basis sind das „Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel“ der Vereinten Nationen sowie zwei ergänzende Abkommen. Mit diesen internationalen Verträgen verpflichteten sich die Staaten zu einer einheitlichen Drogenkontrolle und zur Bekämpfung von organisierter Drogenkriminalität. In seinen Anlagen I bis III unterscheidet das BtMG Kategorien von Betäubungsmitteln: Die der ersten, deren Handel und Abgabe in jeder Form verboten ist, heißen „nicht verkehrsfähig“ (die meisten bekannten illegalen Drogen wie LSD). Die nächsten sind verkehrsfähige, aber nicht verschreibungsfähige Substanzen, beispielsweise Grundstoffe für Medikamente. Anlage III führt die verkehrsfähigen und verschreibungsfähigen Betäubungsmittel auf wie Morphin, die Ärzte per Betäubungsmittelrezept verordnen können. Diskussionen drehen sich meist um den Anhang: Was kommt rein, was darf raus? Alkohol und Nikotin stehen nicht drin und werden durch das Jugendschutzgesetz geregelt. Bis heute wurde das Betäubungsmittelgesetz vielfach geändert, vor allem, um neue synthetische Drogen aufzunehmen.
Wer bestimmt, welche Substanzen legal sind oder nicht?
Was unter das Betäubungsmittelgesetz fällt und als illegale Droge gilt, entscheidet das Bundesministerium für Gesundheit auf Grundlage der Empfehlung eines Expertenausschusses. Entscheidend ist, ob ein Stoff Missbrauchspotenzial besitzt und gefährlich ist. Die Änderung des BtMG beschließt das Bundeskabinett, wobei der Bundesrat zustimmen muss. Außerdem gelten die Abkommen der UN, weshalb darin vermerkte Stoffe wie Heroin, Kokain oder Cannabis nicht so einfach legalisiert werden können. Änderungen werden unter anderem auch durch die Deutsche und die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht angestoßen. Die in „Spice“ vorkommenden synthetischen Cannabinoide sowie das Amphetamin Merphedron wurden zuletzt neu in die BtMG-Anhänge aufgenommen. Zuvor waren sie im Internet unter den unverfänglichen Bezeichnungen „Kräutermischung“ oder „Badesalz“ erhältlich.
Welches Land geht eigentlich am härtesten gegen Drogen vor?
Singapur fährt in puncto Drogendelikte eine Zero-Tolerance-Politik: Todesstrafe, Stockschläge, lebenslange Haft. Bis zu zehn Jahre Gefängnis und/oder Geld- Strafe gibt es für Cannabis- oder Ecstasybesitz; der Handel mit mehr als 500 Gramm Cannabis oder 15 Gramm Heroin führt zum Todesurteil. Welches Land am drastischsten gegen Drogen vorgeht, ist trotzdem schwer zu sagen, da Besitz, Schmuggel und die verschiedenen Stoffe sehr unterschiedlich bestraft werden. Tatsächlich vollstreckt wird die Todesstrafe für Drogendelikte in Malaysia, Thailand, Indonesien, Iran und weiteren Staaten. Einige Länder mit strengen Gesetzen gehen aber dazu über, für Konsumenten Therapie statt Haft anzuordnen. Indonesien hingegen hat seine Gesetze erst 2009 wieder verschärft. Nun drohen Eltern Strafen, die ihr drogenabhängiges Kind nicht den Behörden melden.
Und wer ist eher liberal?
Tschechien überholt Holland“, lautete die Nachricht Anfang 2010. Da legte das Land fest, dass eine kleine Menge an Drogen nur noch als Ordnungswidrigkeit geahndet wird. In den Niederlanden bleibt Cannabis zwar illegal, wird in bestimmten Mengen und unter Auflagen (wie Abgabe in Coffeeshops nur an über 18-Jährige) aber nicht strafrechtlich verfolgt. In beiden Ländern gilt: Drogenbesitz und -handel bleiben zwei verschiedene Paar Schuhe.
Was heißt denn jetzt „Eigenverbrauch“?
Nicht vertun: Besitz und Anbau von Cannabis und anderen Drogen sowie der Handel damit stehen bei uns unter Strafe. Es kann bei einer geringen Menge zum Eigenverbrauch – die Höhe regeln die Bundesländer – ausnahmsweise Straffreiheit geben. Bei Cannabis liegt die durchschnittliche Menge, bei der von der Strafverfolgung abgesehen werden kann, bei rund sechs Gramm. Ein Freifahrtschein ist das nicht. Eigenverbrauchsmengen sind immer „ohne Gewähr“: die Staatsanwaltschaft entscheidet von Fall zu Fall, wobei noch andere Kriterien z.B. der Wiederholungsfall eine Rolle spielen.
Das verbiet ich mir!
9,5 Millionen Menschen in Deutschland konsumieren Alkohol in gesundheitlich riskanter Form. Etwa 1,3 Millionen Menschen gelten als alkoholabhängig. Jedes Jahr sterben in Deutschland nach neuen Berechnungen mindestens 73.000 Menschen an den Folgen ihres Alkoholmissbrauchs. Rund zwei Millionen vor allem junger Menschen konsumieren in Deutschland regelmäßig Cannabis, etwa 600.000 von ihnen weisen einen missbräuchlichen oder abhängigen Konsum auf. Schätzungen gehen davon aus, dass rund 200.000 Menschen in Deutschland illegale Drogen, das heißt Opiate, Kokain und Amphetamine, sehr riskant konsumieren.
Quelle: Bundesministerium für Gesundheit, Drogen- u. Suchtbericht 2009
Einnahmen des Staates durch die Alkoholsteuer 2009: 3,3 Milliarden Euro
Quelle: Statistisches Bundesamt
Kosten, die der Allgemeinheit durch Akoholsucht entstehen: insgesamt 26,7 Milliarden Euro Davon: 3,6 Milliarden ambulante Versorgung 2,7 Milliarden stationäre Behandlung Produktivitätsverlust durch Todesfall: In Haushalt und Ehrenamt: 6,5 Milliarden Im Job: 5,0 Milliarden Frühverrentungskosten: 3,2 Milliarden
Quelle: Universität Hamburg, Institut für Recht der Wirtschaft, 2010
Anteil der Menschen, die finden, dass Drogenkonsum kriminell ist: 60 % Anteil unter den 14- bis 29-Jährigen, die das glauben: 54 % Anteil der Menschen, die finden, dass Drogen verboten bleiben sollen: Gesamt: 70 % Unter den 14- bis 29-Jährigen: 75 %
Quelle: Infratest/dimap für „Rolling Stone“, Befragung von 1.000 Personen ab 14 Jahren; 2010