Aus einer kleinen Garage heraus die Welt verändern. Mit einer Start-up-Firma. In Kalifornien. Da kommen einem sofort Erfolgsgeschichten in den Kopf: Bill Gates. Steve Jobs. Larry Page. Auch sie begannen, probierten und scheiterten zunächst in einer Garage. Und veränderten am Ende doch die Welt. Das weiß auch Josiah Zayner. Und klar, an die Spitze zu kommen wie Microsoft, Apple oder Google fände er natürlich „cool“.

Wir schreiben das Jahr 2016, und Zayner weiß, dass nicht mehr Computer die Welt revolutionieren werden, sondern eine andere Branche: die Biotechnologie – ein Amalgam aus Physik, Chemie und Biologie, aus Technik, Genetik und Molekularbiologie. „The ODIN“ nennt der 35-jährige Biophysiker sein Start-up. Erst einmal ist es nur ein Online-Shop, in dem Zayner Pipetten, Petrischalen und Phiolen für Biotech-Experimente verkauft, aber es ist auch eine Vision. Er will die Wissenschaft demokratisieren, sie herausholen aus den Laboren der Universitäten und Pharmakonzerne, wo die Errungenschaften von wenigen, jahrelang an Universitäten ausgebildeten Forschern erzielt werden. Zayner hingegen glaubt an „Citizen Science“, an eine Art Schwarmintelligenz der neugierigen Bürger, die zu weiteren wichtigen Erkenntnissen führen könnte. „Akademische Forschung kann klasse sein, aber diese Institutionen sind halt auch total dogmatisch. Keine Kreativität, kein Denken außerhalb der Vorgaben. Dabei sollte doch gerade die Wissenschaft den Status quo heraus fordern.“

Auch Zayner stand bis vor ein paar Monaten noch in einem Labor, arbeitete innerhalb der Strukturen, gegen die er heute kämpft. Nach seinem Abschluss an der Universität Chicago heuerte er als Biophysiker bei der NASA im Silicon Valley nahe San José an. Dort forschte er zur geplanten Mission zum Mars, etwa an plastikabbauenden Bakterien, um den gewaltigen Plastikabfall, der auf dieser monatelangen Reise anfallen würde, recycelbar zu machen. Dafür veränderte er Organismen, auch und gerade mit CRISPR – der neuesten, vielleicht auch größte Hoffnung der Genforscher. Wohl nicht aus Zufall ähnelt CRISPR dem englischen Wort „crisp“ für knusprig, frisch. Denn mit dieser neuen, eben frischen Technologie kann man ganz gezielt ausgesuchte Gene an- oder ausschalten (siehe Interview auf S. 40 im Heft-pdf).

Von Zayners Ideen zu diesem Thema wollte sein Forschungsleiter allerdings nichts hören. „Meine Bosse erlaubten mir einfach nicht, Wissenschaft zu machen, die ein bisschen verrückt und außergewöhnlich denkt. Aber genau die brauchst du für wirkliche Fortschritte. Dann habe ich angefangen, genau diese Experimente zu Hause zu machen.“ Erst nach Feierabend, dann am Wochenende.

Er nahm aus dem Labor ein paar Petrischalen und Pipetten mit und stand immer häufiger in der eigenen Küche zwischen Mikroskopen, Zentrifugen und Zellkulturen. So tauchte Zayner ein in die Szene der Biohacker. Eine Gruppe aus ambitionierten Forschern, vernetzt durch Google und Facebook, die zusammen mit eigenen Ideen und eigenem Wissen Antworten suchen auf die großen Fragen der Wissenschaft. Freie, autonome Forscher, gegen die Standards.

Zayner zieht gerne Parallelen zu den Computerhackern, zum Chaos Computer Club, zu den Entwicklern des Betriebssystems Linux. Gerade sie erzielten Fortschritte, weil sie ihr Wissen, ihre Ideen mit anderen Enthusiasten tauschten und teilten. Open Access gegen die Norm, gegen die Hierarchien. Wie Zayner, der mit seinen mal blau, mal blond gefärbten Haaren und seinen Lippenpiercings an einen Punk erinnert. „Jeder, der will, kann und soll experimentieren. Und wenn ich es kann, kann es jeder. Man braucht kein Genie zu sein, um Wissenschaft zu machen. Man braucht nur das Werkzeug.“

Jeder Einzelne soll zum Wissen beitragen können. Und Zayner liefert die Werkzeuge. Per Crowdfunding sammelte er das nötige Geld, über 70.000 Dollar, um „The ODIN“ zu gründen. Nun verkauft er aus seiner Garage heraus eigene CRISPR-Bausätze. Für 160 Dollar kann jeder in den eigenen vier Wänden DNA und Gene austauschen – allerdings nur bei Hefebakterien. Zayner liefert alles, was man braucht, um deren Gene zu bearbeiten, das Werkzeug, die Bakterien und DVDs mit genauen Anleitungen. Ein Einsteigerset. Denn die veränderten Bakterien bleiben harmlos, ändern nicht viel mehr als ihre Farbe oder ihren Geruch, dann sterben sie ab. Allerdings: Ob Hefebakterien, Viren oder menschliche Gene – die CRISPR-Technik bleibt im Prinzip die gleiche.

Zayners Baukasten ist nicht unumstritten. Manche Wissenschaftler finden ihn brandgefährlich. „Ich sehe das kritisch, weil eventuell Sicherheitsstandards weder eingehalten noch kon trolliert werden können“, mahnt Günter Stock, ehemaliger Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und früherer Forschungschef des Pharmaunternehmens Schering. „Aufgrund mangelnder umfassender Kenntnis der möglichen Folgen könnte es also zu unerwünschten Nebeneffekten kommen, was wiederum der Wissenschaft selbst schaden könnte.“

Auch wenn Zayners Hefebakterien harmlos sind – es ist das Grundwissen der Technik, das Zayner in die Hände aller gibt. In die Hände von Enthusiasten und Hobbywissenschaftlern. Aber vielleicht auch von Durchgedrehten und womöglich gar Bio-Terroristen. Für Zayner ist das Paranoia. „Es ist wahrscheinlicher, dass Leute etwas Gutes mit den Bausätzen anstellen. Gefährliche Viren herzustellen, das ist wirklich komplex und braucht ganz andere Mittel. Im Grunde bringe ich die normalen Leute dazu, dass sie sich stärker mit der Gentechnik befassen.“

Zayner selbst nutzt sein Wissen über Hefebakterien inzwischen für eine Kooperation mit einem Bierbrauer. Zusammen ändern sie mit CRISPR die Geschwindigkeit des Gärprozesses, experimentieren mit neuen Geschmacksrichtungen. Und stellen Bier her, das im Dunkeln leuchtet. Und noch immer packt Zayner vor allem Kartons mit den Baukästen und schickt sie aus seiner Garage hinaus in die Welt. Auf seinem linken Unterarm prangt der tätowierte Schriftzug „Build Something Beautiful“. Es ist seine Vision. Aber vielleicht auch seine Mahnung.