Seit achteinhalb Monaten bin ich stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung. Für mich war das ein sehr überraschender Seitenwechsel. Ich hatte bis dahin über 15 Jahre lang als Journalistin gearbeitet, zuletzt als Hauptstadt-Chefin des RedaktionsNetzwerks Deutschland. Da kam plötzlich an einem Donnerstagmittag im Mai eine SMS von Sigmar Gabriel. Ob ich mir vorstellen könne, als stellvertretende Regierungssprecherin zu arbeiten. Zwei Wochen später habe ich angefangen.
Dass das Jobangebot von SPD-Chef Gabriel kam, muss man vielleicht erklären. Es gibt drei Sprecher der Bundesregierung, die hier im Bundespresseamt arbeiten. Steffen Seibert ist der erste Sprecher, ich bin die zweite, und mein Kollege Georg Streiter ist der dritte Sprecher. Die drei Sprecher werden von den jeweiligen Koalitionsparteien bestimmt. In dieser Großen Koalition suchen sich die Bundeskanzlerin und die CDU den ersten Sprecher aus, Sigmar Gabriel und die SPD haben das Recht, die Nummer zwei zu benennen, die CSU benennt den dritten. Alle drei sprechen wir für die gesamte Bundesregierung und häufig direkt für die Kanzlerin. Um die Positionen der Bundesregierung glaubwürdig vertreten zu können, sollte man die Grundüberzeugungen der Großen Koalition teilen.
Die Arbeit der Bundesregierung aus nächster Nähe mitbekommen
Für mich ist die neue Aufgabe eine Bereicherung. Es ist spannend, die Arbeit der Bundesregierung, über die ich viele Jahre geschrieben und berichtet habe, nun aus nächster Nähe mitzubekommen. Am Ende war der Schritt auf die andere Seite kein so großer, weil ich die Welt, in der ich mich heute bewege, schon gut kannte. Ich habe Jura studiert, als Journalistin über Politik berichtet, in den letzten acht Jahren immer aus der Hauptstadt. Das Universum ist das gleiche geblieben, nur die Blickrichtung hat sich geändert. Im September finden die Bundestagswahlen statt. Und so ist offen, wie es dann für mich weitergeht. Aber bis dahin ist noch viel zu tun. Mit dem Großereignis „G20-Gipfel“ etwa wartet eine Menge Arbeit auf uns.
Wie werde ich das?
Sprecher der Bundesregierung wird man nicht einfach so. Wenn eine der drei Stellen neu besetzt werden muss, werden gezielt bestimmte Personen angefragt. Aber es gibt noch mehr Jobs im Bundespresseamt. Die Chefs vom Dienst beantworten Anfragen von Journalisten. Diese Stellen sind in der Regel mit Journalisten, Juristen und Politologen besetzt. In den Fachreferaten sitzen Experten, die verfolgen, was in den einzelnen Ministerien erarbeitet wird, und die zum Beispiel die Sprecher für die Pressekonferenz informieren. Mitarbeiter der Abteilung Medienbetreuung besichtigen vor den Terminen der Kanzlerin die Orte, an denen sie auftritt, und organisieren, wo genau die Kanzlerin spricht, wo fotografiert wird, wo die Interviews gegeben werden. Generell gilt: Politologen, Juristen und Verwaltungswissenschaftler haben gute Chancen auf einen Job im Bundespresseamt, aber auch Absolventen anderer Fächer arbeiten hier. Studierende können ein Praktikum machen.
Was verdiene ich da?
Das Bundespresseamt bezahlt nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, kurz TVöD. Ein Referent in einem Fachreferat oder in der Medienauswertung bekommt zum Beispiel in der Entgeltgruppe 13 im ersten Berufsjahr etwa 3657 Euro brutto monatlich. Die drei Regierungssprecher der Bundesregierung werden nach dem Bundesbeamtengesetz bezahlt. Die stellvertretende Regierungssprecherin ist in die Besoldungsgruppe B 10 eingestuft. Das entspricht einem Grundgehalt von 13.231,89 Euro im Monat.
Das Leben als Regierungssprecherin ist abwechslungsreich. Kein Tag ist wie der andere. Ich habe im Grunde drei Jobs: Zum einen gibt es jeweils montags, mittwochs und freitags die Regierungspressekonferenz, in der sich immer einer von uns Regierungssprechern den Fragen der Hauptstadtjournalisten stellt. Dann gibt es die Aufgabe, die Kanzlerin auf Terminen zu begleiten. Egal ob die Kanzlerin eine Kita mit Wissenschaftsschwerpunkt besucht oder den NATO-Gipfel in Warschau, einer von uns Sprechern ist immer dabei. Während dieser Termine ist es die Aufgabe des Sprechers, die Nachrichtenlage im Blick zu behalten. Über eine sich akut entwickelnde Nachrichtenlage muss die Bundeskanzlerin schnell informiert werden. Darüber hinaus sind bei solchen Terminen häufig Journalisten anwesend, für die ich dann die erste Ansprechpartnerin bin.
Morgens als erstes ungefähr 100 Zeitungsartikel lesen
Und zu guter Letzt bin ich stellvertretende Leiterin des Bundespresseamtes. Mit rund 450 Mitarbeitern informiert die Behörde jeden, der sich für die Arbeit der Bundesregierung interessiert – auf Websites, über Facebook, Twitter, aber auch ganz klassisch mittels Broschüren und auf Veranstaltungen wie etwa dem Tag der offenen Tür. Unsere Chefinnen und Chefs vom Dienst beantworten fast rund um die Uhr Fragen von Journalistinnen und Journalisten zu allen Themen, die Regierungshandeln betreffen. Und das Lagezentrum des Bundespresseamtes hält das Kanzleramt und die Ministerien über die aktuelle Nachrichtenlage auf dem Laufenden.
In der Regel stehe ich morgens um sechs Uhr auf. Zwischen sieben und acht Uhr lese ich die Kanzlerinnenmappe, eine Zusammenstellung von etwa 100 relevanten Zeitungsartikeln. Sie ist zu dieser Zeit die zentrale Arbeitsgrundlage, wenn es darum geht, sich auf die aktuelle Nachrichtenlage des Tages vorzubereiten. Die Kanzlerinnenmappe ist auch die Basis meiner Vorbereitung auf die Regierungspressekonferenz. Im Bundespresseamt gibt es eine Abteilung, die morgens um halb vier damit beginnt, Zeitungen und Websites für diese Zusammenstellung auszuwerten. Auch Interviews im Radio oder Fernsehen werden ins Intranet gestellt. So können sich alle Kollegen im Bundespresseamt und im Kanzleramt mit der Kanzlerinnenmappe schnell einen Überblick über die Nachrichtenlage verschaffen.
Man muss gut mit Drucksituationen umgehen können
Um halb neun gibt es dann die „Lage“. Da bespreche ich mit den CvDs, den Kollegen der Internetabteilung und der Fachreferate die aktuelle Nachrichtenlage. Gemeinsam überlegen wir, welche Themen relevant sein könnten für die Regierungspressekonferenz. Nachdem wir die relevanten Themen identifiziert haben, werden nun Sprechzettel zur Innen- und Außenpolitik erarbeitet, die dann Grundlage meiner Antworten in der Regierungspressekonferenz sind.
An Tagen der Regierungspressekonferenz ist es wichtig, gut mit Drucksituationen umgehen zu können. Die Zeit zur Formulierung von Antworten ist kurz, und ich muss immer damit rechnen, dass auch Themen abgefragt werden, zu denen es keinen Sprechzettel gibt. Denn die Themenpalette eines Regierungssprechers deckt die Inhalte aller Ressorts ab.
Illustration: Frank Höhne