Ich arbeite seit einem Jahr fest als Redenschreiberin* für einen Politiker. Davor war ich freie Journalistin und habe neben vielem anderen auch frei Reden geschrieben. Zu meiner ersten Rede kam ich über Kontakte. Mein Auftraggeber hat damals einen Redenschreiber gesucht, mein Name wurde genannt, wir haben einen Kaffee zusammen getrunken, und dann ging es los. Ich hielt das damals für ein sinnvolles weiteres Standbein und hatte auch Lust auf das Politische an der Arbeit. Als sich die Gelegenheit ergab, habe ich mich dafür entschieden, das eine Weile hauptberuflich zu machen.
„Ich muss verstehen, wie jemand tickt“
Redenschreiber werden – wie geht das?
Die Bezeichnung „Redenschreiber“ ist nicht geschützt, eine klassische Ausbildung gibt es nicht. Die meisten freien Redenschreiber kommen aus den schreibenden Berufen, etwa Journalismus oder Öffentlichkeitsarbeit, und bieten das Redenschreiben zusätzlich an. Fest angestellte Redenschreiber gibt es in der Politik und in der Wirtschaft, meist schreiben sie dann für einen bestimmten Redner.
Was verdiene ich da?
Sehr unterschiedlich. Redenschreiber im politischen Bereich können im öffentlichem Dienst angestellt oder verbeamtet sein. Wer beispielsweise als Redenschreiber auf Bundesebene nach der Entgeldgruppe E 12 TvöD bezahlt wird (Voraussetzung: mit Bachelor abgeschlossenes Fachstudium und Erfahrung im Redenschreiben), verdient zu Beginn mindestens 3.204,27 Euro brutto. Für freie Redenschreiber lohnt es sich, Aufträge aus der Politik mit besser bezahlten Aufträgen aus der Wirtschaft zu mischen. Der Verband der Redenschreiber deutscher Sprache (www.vrds.de) empfiehlt freien Redenschreibern, das Honorar für eine Rede nach Redezeit, Redeanlass und Rechercheaufwand zu beziffern, und nennt Beträge zwischen 500 Euro für eine kurze private Rede und 5.000 Euro für eine lange geschäftliche Rede.
Mein jetziger Chef hat zwei persönliche Redenschreiber, und ich bin eine davon. Bei bestimmten Themen werden noch weitere hinzugezogen. Früher hatte ich ein wenig Sorge, dass ich Dinge schreiben müsste, hinter denen ich nicht stehen kann oder für die ich mich sogar schämen müsste – das möchte ich nicht. Die Sorge hat sich aber aufgelöst, weil mein Auftraggeber und ich grundsätzlich auf einer Linie sind.
Gerade wenn man langfristig zusammenarbeitet, ist es wichtig, dass Auftraggeber und Redenschreiber zusammenpassen. Deshalb würde ich mich mit Auftraggebern immer zu einem längeren Gespräch treffen, bevor ich einen Auftrag annehme. Ob beide wirklich gut zusammenarbeiten, zeigt sich erst mit der Zeit. Für mich als Redenschreiberin ist es sehr wichtig, dass ich in den wichtigen Punkten hinter der Sache und Person stehe, sonst würde es nicht funktionieren. Ich muss mich schließlich einfühlen und vor allem reindenken können. Ich muss verstehen, wie jemand tickt.
Bei mir hat es sich nie ergeben, dass ich in dem Bereich auf Akquise gegangen bin, dass ich also auf andere Politiker zugegangen und ihnen meine Dienste als Redenschreiberin angeboten hätte. Akquise ist in diesem Bereich etwas heikel. Einerseits kommt es auf die Namen der Auftraggeber an – ein ranghoher Politiker macht natürlich etwas her –, andererseits können Ghostwriter kaum mit Referenzen arbeiten. Wer für prominente Redner schreibt, darf dennoch nicht darüber sprechen.
Eigentlich müsste es jedem klar sein, dass ein Politiker nicht jede Rede selbst schreiben kann, trotzdem wird das sehr diskret behandelt. Auch Arbeitsproben vorzulegen ist schwierig, weil Verschwiegenheit vorausgesetzt wird und bei den Texten außerdem nie klar ist, was überhaupt vom Redenschreiber stammt. Oft gibt es große Veränderungen zwischen verschiedenen Fassungen.
„Eigentlich müsste es jedem klar sein, dass ein Politiker nicht jede Rede selbst schreiben kann“
Wie fängt man an? Man schreibt, sammelt Arbeitsproben und tastet sich langsam ran. Das meiste ist Learning by Doing. Ich habe zurzeit einen jungen Kollegen, mit dem ich seine Reden bespreche. Wie baue ich eine Rede auf? Wie komme ich rein, wie komme ich raus, wo setze ich eine Zäsur? Wie erzeuge ich einerseits einen Fluss und setze andererseits mal eine Pointe, eine Überraschung. Vieles ist normale Textarbeit, nur dass ich es mit einer bestimmten Form zu tun habe. Zum Handwerk gehört auch das Wissen, wie man Quellen findet. Ein schönes Beispiel sind Zitate. Mit Zitaten wird gerne gearbeitet. Aber nicht jeder Philosoph passt zu jedem Redner. So etwas muss ich beurteilen können.
Wenn ein Auftrag kommt, läuft das meistens folgendermaßen ab: Es gibt unterschiedliche Anlässe, zum Beispiel eine Einweihung. Das klingt einfach, ist aber nicht zu unterschätzen, weil oft wichtige Themen dahinterstehen, etwa Bildungsthemen hinter der Eröffnung einer Schule. Zuerst stelle ich mir dann die Frage: Wer ist mein Publikum? Was erwartet es, was ist der Redeanlass und was die Botschaft? Manchmal bekomme ich eine Richtung vorgegeben, und manchmal schlage ich etwas vor. Im besten Fall haben wir Zeit, um zu besprechen, wo die Rede hinführen soll. Für das Inhaltliche arbeite ich auch mit Kollegen aus den Fachabteilungen zusammen, die für bestimmte Politikfelder zuständig sind. Diese prüfen den Entwurf dann auch noch einmal.
„Nicht jeder Philosoph passt zu jedem Redner“
Wenn ich die erste Fassung einer Rede abgebe, bekomme ich sie in der Regel noch mal zurück. Der Redner muss die Rede schließlich für sich anpassen. So ist es auch schon vorgekommen, dass es in einer halben Stunde losgehen sollte, aber ich die Rede noch mal überarbeiten musste. Da entsteht natürlich ein gewisser Termindruck. Der gehört aber dazu, und man muss ihn für sich zu nutzen wissen.
Bis eine Rede wirklich fertig ist und gehalten wird, geht sie also meist durch mehrere Hände. Da wird sehr sorgfältig gearbeitet. Das ist mir sehr wichtig. Ein Fehler kann in dem Bereich andere Konsequenzen haben als zum Beispiel ein Fehler in einer Radiosendung. Da würde ich mich ärgern, aber wissen, dass es sich meist „versendet“ (Journalistenslang für „Fehler wird nach der Sendung vergessen“, Anmerkung der Redaktion). Bei einem Politiker versendet sich nichts. Der wird sofort angreifbar.
Sorgfalt ist also eine wichtige Eigenschaft von Redenschreibern. Kreativität gehört natürlich auch dazu. Es gibt nichts Schlimmeres als eine langweilige Rede. Das inhaltliche Arbeiten ist die Pflicht, aber das andere ist mehr als nur die Kür. Eine Rede soll interessant sein, unterhaltsam und auf einer intellektuellen Ebene satisfaktionsfähig. Zusätzlich zu allem, was fachlich stimmen muss, soll sie die Zuhörer emotional erreichen. Da sollte mal ein Witz drin sein oder eine Bemerkung nebenher. Nur wenn die Idee, der Sprachduktus und das Fachliche zusammenkommen, ist es eine gute Sache.
„Manchmal werde ich gefragt, ob es einen Unterschied macht, ob ich für einen Mann oder eine Frau schreibe. Macht es nicht“
Was mich an dem Beruf nervt, ist die Einsamkeit. Ich habe vorher viel kommunikativer gearbeitet und hatte mehr Austausch. Jetzt sitze ich den ganzen Tag am Schreibtisch. Mein Job ist an die Präsenz geknüpft. Eigentlich könnte ich genauso zu Hause oder in einem Café schreiben. Allerdings muss ich für meinen Chef erreichbar sein. Wenn der gerade ein Zeitfenster hat, muss es mit unseren Besprechungen schon mal schnell gehen.
Manchmal werde ich gefragt, ob es einen Unterschied macht, ob ich für einen Mann oder eine Frau schreibe. Macht es nicht. Ich glaube, dass Geschlechtsunterschiede überbewertet werden. Viel wichtiger ist die Frage, was der andere für einen Humor hat und wie er auf Menschen zugeht. Eine Frau, die eine gute Rede halten will, macht das nicht grundsätzlich anders als ein Mann. Eine gute Rede ist eine gute Rede. Dazu gehört, dass die Rede zu demjenigen passt, der sie hält.
* Zum Beruf des Redenschreibers gehört ein hohes Maß an Diskretion. Deshalb möchte unsere Interviewpartnerin anonym bleiben.
Illustration: Frank Höhne