Irgendwann ist Schluss. Irgendwann kommt der Moment, in dem die Gegnerin einen Zug macht, mit dem man nicht gerechnet hat. Dann müssen sich selbst die Schachprofis am Brett auf unbekanntes Terrain begeben. So beschreibt es Elisabeth Pähtz, Deutschlands beste Schachspielerin.
Vielen dürfte das Ziel von Schach bekannt sein: den König des Gegners so zu bedrängen, bis er keinen Zug mehr machen kann. Dafür hat jeder Spieler 16 Figuren, die auf dem Brett, bestehend aus 64 Feldern, verschieden ziehen können. Für den Weg zum „Schachmatt“, also zum Sieg, gibt es unzählige Möglichkeiten: für einen selbst und die Gegnerin. Schach ist ein ständiges strategisches Planen im Kopf. Es kommt auf die mentale Stärke, die Konzentrationsfähigkeit und das Gedächtnis an. Leistungen, die gerade Kinder und Jugendliche richtig gut abliefern können.
Von den Schachgroßmeistern der Welt sind nur rund zwei Prozent Frauen. Elisabeth Pähtz ist eine davon
Pähtz lernte im Kindergartenalter Schach zu spielen. Ihr Vater zählte zu den besten Schachspielern der DDR, und auch ihr älterer Bruder spielte Schach. Also verbrachte Pähtz als Kind viel Zeit auf Turnieren und lernte die Grundzüge des Spiels durchs Zuschauen. „Es macht einen großen Spaß, wenn du als kleines Mädchen sehr viel ältere oder gar erwachsene Gegner besiegen kannst“, schreibt Pähtz in ihrem aktuellen Buch. Ein Spiel, bei dem sich die Verhältnisse und Hierarchien umkehren lassen – und Kinder und Jugendliche die Erwachsenen dominieren können.
Heute ist die Liste von Pähtz’ Titeln lang. Mit 14 Jahren gewann sie als jüngste Schachspielerin erstmals die deutsche Damenmeisterschaft. 2001 wurde sie Großmeisterin im Schach – ein Titel, der extra für die Frauen eingeführt wurde. Denn es gibt auch noch den Großmeistertitel, die höchste Auszeichnung im Schach, die allen Geschlechtern offensteht. Die Normen dafür hat Elisabeth Pähtz vergangenes Jahr erfüllt. Als vierzigste Frau weltweit und als erste deutsche Schachspielerin ist sie auch Großmeister.
Unter den Schachgroßmeistern sind nur rund zwei Prozent Frauen. Dass deutlich mehr Männer professionell Schach spielen ist sicher ein Grund dafür, die ungleiche Behandlung der Frauen ein anderer. Auf die hatte Pähtz während ihrer Karriere immer wieder hingewiesen: Darauf, dass den Männern mehr Trainer und größere Turniere zur Verfügung standen. Dass die Honorare und Turnierzuschüsse für die Frauenkader wesentlich geringer ausfielen. Bei Weltcups und Grand-Prix-Turnieren liegen laut Pähtz die Prämien für Frauen im Durchschnitt noch immer zwei Drittel unter denen der Männer. Und selbst wenn sie in der Weltrangliste unter den besten 20 Frauen liegt, sei sie finanziell deutlich schlechter gestellt als eine Nummer 150 der Männer.
2019 tritt Pähtz aus dem Nationalteam zurück. Danach bewegt sich was im Deutschen Schachbund
Immer wieder sei sie vom Schachbund vertröstet worden, sagt Pähtz. Sie solle die Top Ten und eine Elo-Zahl (die die Spielstärke beschreibt) von 2.500 erreichen, dann könne noch mal verhandelt werden. 2018 schaffte Pähtz beides, und nichts geschah. Schließlich war für sie der Punkt gekommen, an dem sie die Ungleichbehandlung im Deutschen Schachbund nicht mehr hinnehmen wollte. 2019 erklärte sie ihren Rücktritt aus der Nationalmannschaft
Dieser Text ist in fluter Nr. 87 „Spiele” erschienen. Das ganze Heft findet ihr hier.
Ein Jahr später trat sie wieder ein. Der damalige Präsident des Deutschen Schachbunds, Ullrich Krause, sagte dazu: „Sie hat ihre Ziele in der Tat erreicht. Die Frauen haben jetzt einen Weltklasse-Bundestrainer, und wir haben ihren Wunsch nach Förderprogrammen für talentierte Frauen mit dem ‚Powergirls‘-Programm in die Tat umgesetzt.“ Pähtz selber spricht davon, dass der Deutsche Schachbund inzwischen ein Vorzeigeverband sei, was die Gleichberechtigung betrifft.
Seit fast zwanzig Jahren steht Elisabeth Pähtz an der Spitze des deutschen Frauenschachs. Sie sagt selbst: Es ist längst Zeit für eine Ablösung.
Titelbild: Filip Horvat/Polaris/laif