Das mit dem Bilderverbot ist klipp und klar geregelt: „Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen.“ So steht es gleich an prominenter Stelle, in den Zehn Geboten nämlich. Die Rede ist von der Bibel, nicht vom Koran. Der ist in dieser Frage deutlich liberaler. Von einem Bilderverbot ist dort nichts zu lesen. Nur: Wer weiß das schon so genau?
„Das ist doch das eigentliche Problem: dass wir alle total wenig Ahnung haben“, sagt Alexandra Klobouk. „Dann kann man sich eine Menge Unsinn erzählen lassen.“ Dagegen arbeitet die 31-jährige Illustratorin aus Berlin an. 2012 erschien das Buch „Der Islam: Für Kinder und Erwachsene“. Geschrieben haben es die Islamwissenschaftlerinnen Lamya Kaddor und Rabeya Müller. Sie führen in die Grundlagen des Glaubens ein, leicht verständlich und aus einer liberalen Haltung heraus. Es geht um den Koran, das Leben des Propheten Mohammed, aber auch um Themen wie Homosexualität, Fundamentalismus und die Rolle der Frau. Das Buch wendet sich gleichermaßen an Muslime und Nichtmuslime. Und: Es zeigt viele Zeichnungen, auch von Mohammed. Die stammen von Klobouk.
Heikel, könnte man meinen. Klobouk sieht das anders. „Es gibt sicherlich die Interpretation, dass man gar nichts zum Islam zeichnen dürfe, aber eben auch ganz viele islamische Zeichnungen aus dem Leben des Propheten“, erklärt sie. Die Diskussion um das Bilderverbot ist komplex – und fast so alt wie der Islam selbst. Da das nicht im Koran steht, fußt die Debatte auf den Hadithen, den Überlieferungen des Wirkens Mohammeds. Und da gibt es verschiedene und durchaus konträre Auffassungen. Im Kern geht es um die Frage, ob bildliche Darstellungen von Menschen und Tieren, aber auch Gegenständen grundsätzlich verboten sind oder unter Umständen erlaubt, solange sie nicht als Götzen angebetet werden. Für Letzteres spricht die Tradition. Denn auch wenn das Bilderverbot von vielen Muslimen eingehalten wird, ganz hat es sich nie durchgesetzt. „Bei der Auseinandersetzung mit einer anderen Religion ist Respekt extrem wichtig. Genauso wichtig ist aber auch, nicht in einen vorauseilenden Gehorsam zu verfallen. Es kann keine Lösung sein, sich selbst Tabus aufzuerlegen, die man bei anderen vermutet.“
Wie kann man also Mohammed zeichnen in einem Buch, das die Glaubensinhalte des Islam vermitteln möchte, ohne dabei religiöse Gefühle zu verletzen? Klobouk fand eine gleichermaßen selbstbewusste wie sensible Lösung: Auf einer Darstellung des Himmels und der Hölle des Islam sieht man Mohammed auf einem Pferderücken reiten. Einen Turban, ein Stückchen Bart – mehr ist nicht zu erkennen. Denn das Gesicht ist durch einen Ast verdeckt. Ein andermal sieht man den Propheten in einer Höhle sitzen, den Kopf im Schatten, so dass man das Gesicht nicht erkennen kann. Ein Kniff, den auch viele historische Darstellungen anwenden. Da sieht man den Propheten oft, aber nicht immer, verschleiert oder von himmlischen Flammen umkränzt. „Bei den beiden Darstellungen wird das Wirken Mohammeds gezeigt. Er ist nicht versteckt, aber in der Aufnahme nicht zu sehen. Da besteht eine Offenheit, man kann das weiterdenken, es aber auch dabei belassen“, erklärt Klobouk.
Da stellten sich ihr viel profanere Probleme: Wie genau etwa wird das Pilgergewand gewickelt, mit dem die männlichen Gläubigen auf den Hadsch gehen? Deutschsprachige Literatur für Nichtmuslime war schwer zu finden, besonders eine, die detailliert genug ist, dass man die beiden Stoffbahnen nachzeichnen kann. Eine typische Wissenslücke. Bei vielen Themen gab es ausführliche Beschreibungen nur in Texten, die vor lauter Fach- und Fremdwörtern für Laien unverständlich waren. Oder sie waren auf Arabisch.
So ist das Buch ein Beitrag gegen die allgemeine Ahnungslosigkeit – und gegen grassierende Vorurteile. Nicht erst seit den Anschlägen von Paris dominiert ein fragwürdiges Bild des Islam die öffentliche Diskussion. „Wenn es um den Islam in den Medien geht, dann oft im Zusammenhang mit Gewalt und Terrorismus. Das prägt, besonders wenn man sonst nichts weiß vom Islam.“
Wie sich diese Bilder verfestigen können, weiß Klobouk aus eigener Erfahrung. Als sie noch auf der Kunsthochschule war, stellte sie erschreckt fest, dass sie – obgleich sie in einer deutsch-türkisch geprägten Nachbarschaft wohnte – von der türkischen Kultur so gut wie nichts wusste und ihr Türkeibild von Klischees geprägt war, wie man sie aus dem „Tatort“ kennt. Sie hat dann ein Semester in Istanbul studiert. Aus ihren Erlebnissen entstand ihr erstes Buch. „Istanbul, mit scharfe Soße?“ heißt es und wurde eine humorvolle Liebeserklärung an die Stadt am Bosporus.
Alexandra Klobouk arbeitet als Autorin und Illustratorin in Berlin – und im Rest der Welt. Dort hat sie beispielsweise ein Buch über portugiesische Küche illustriert. Ihre Illustrationen erscheinen regelmäßig auch im ZEIT Magazin und im Beileger des Züricher Tagesanzeigers.