Als Gentechnik werden Methoden und Verfahren bezeichnet, mit denen in die DNA, also das Erbgut von Organismen eingegriffen werden kann. So entstehen gentechnisch veränderte Organismen (GVO). Es werden grob drei Bereiche unterschieden: grüne, rote und weiße Gentechnik. Auf dem Gebiet der Landwirtschaft kommt die so genannte grüne Gentechnik zum Einsatz, durch die Pflanzen genetisch verändert werden. Verschiedene Ziele werden hier verfolgt: Nutzpflanzen wie etwa Getreide oder Raps sollen durch das Einfügen bestimmter Gene widerstandsfähiger gegen Unkrautbekämpfungsmittel oder gegen Schädlinge gemacht werden.
Außerdem gibt es gentechnisch veränderte Pflanzen, die eine höhere Ernte als ihre konventionellen Verwandten einbringen. Einige Pflanzen produzieren durch gezielte genetische Eingriffe/Manipulation auch mehr oder ganz neue Nährstoffe, so etwa der "Golden Rice", der einen hohen Gehalt an Vitamin A hat. Lebensmittel, die gentechnisch verändert wurden, müssen in Deutschland gekennzeichnet werden, eine Dose Mais ebenso wie Sojabohnen im Schokoriegel. Die Ausnahme sind tierische Produkte: Milch, Eier und Fleisch von Tieren, die gentechnisch verändertes Futter bekommen haben, müssen nicht extra ausgewiesen werden.
Der Riese Monsanto und der Landwirt Percy Schmeiser
Grüne Gentechnik ist auch wirtschaftlich bedeutsam, denn die "erfundenen" neuen Pflanzen lassen sich die Saatgutkonzerne patentieren. Das hat zur Folge, dass Bauern nicht mehr wie früher einen Teil der Ernte zur Aussaat im nächsten Jahr zurückbehalten können, wenn sie die gentechnisch veränderten Pflanzen – zum Beispiel die Maissorte Mon810 – anbauen wollen. Sie müssen jedes Mal neues Saatgut vom Hersteller kaufen. Tun sie das nicht, kann der Patentinhaber gegen den Landwirt klagen. Bei der mit Abstand größten Firma auf dem Gebiet des gentechnisch veränderten Saatguts, Monsanto, ist dies schon häufig vorgekommen. Das US-amerikanische Unternehmen hat weltweit einen Marktanteil von 90 Prozent im Bereich Gentech-Saatgut.
Die Firma Monsanto, die auch auf Chemikalien spezialisiert ist und während des Vietnamkriegs das hochgiftige Entlaubungsmittel Agent Orange herstellte, hat nun vor allem Samen für Baumwolle, Mais, Raps und Sojabohnen mit neuen Eigenschaften im Angebot. So sind diese immun gegen die jeweils häufigsten Schädlinge und auch gegen das ebenfalls von Monsantohergestellte Pflanzenvernichtungsmittel Roundup – das so auf den Feldern versprüht werden kann und lediglich das Unkraut abtötet. Geklagt hatte das Unternehmen gegen den kanadischen Landwirt Percy Schmeiser, weil auf dessen Rapsfeld auch die Monsanto-Sorte "Canola Roundup Ready" wuchs, ohne dass Schmeiser Lizenzgebühren bezahlt hätte. Nachdem das oberste kanadische Gericht Monsanto 2004 Recht gab und dem Konzern das Eigentum an Schmeisers Ernte bestätigte, hatte der Bauer im März dieses Jahres bei einem erneuten Rechtsstreit Erfolg: Als auf Schmeisers Feld wieder Monsanto-Raps wuchs, der wohl durch Pollenflug dorthin gelangt war, stimmte der Konzern nun einer Schadensersatzzahlung zu.
Eine den Menschen direkter betreffende Art der Gentechnik ist die so genannte rote Gentechnik. Die Erforschung des genetischen Bauplans des Menschen soll in erster Linie dazu dienen, Krankheiten zu heilen oder ihnen vorzubeugen. Viele Praktiken auf diesem Gebiet sind wegen ethischer Bedenken umstritten, wie etwa die Stammzellenforschung, bei der mit befruchteten Eizellen experimentiert wird. Das Human Genome Project (HGP) hat in den Jahren von 1990 bis 2005 das menschliche Erbgut "entschlüsselt", also verzeichnet, welches Gen auf welchem der 23 menschlichen Chromosomen sitzt. Anders als erwartet hat der Mensch nur 20.000 bis 25.000 Gene, zunächst wurde angenommen, es seien etwa 100.000. Das HGP ist eine öffentlich finanzierte Forschungsgemeinschaft mit Wissenschaftlern aus 40 verschiedenen Ländern.
Private Konkurrenz bekam das HGP durch den US-amerikanischen Biochemiker Craig Venter und seiner Firma Celera, die seit ihrer Gründung 1998 das gleiche Ziel verfolgten. Im Jahr 2000 hatten beide Projekte die vollständige Sequenzierung des menschlichen Genoms verkündet, im Jahr darauf veröffentlichte das HGP seine Ergebnisse im Magazin Nature, während Celera das Gleiche im Magazin Science tat. Es stellte sich allerdings heraus, dass beide Ergebnisse noch lückenhaft waren, das HGP schloss diese Lücken in den darauf folgenden Jahren fast gänzlich. Die Firma Celera, die zunächst sehr von den öffentlich zugänglichen Ergebnissen des HGP profitiert hatte, weigerte sich jedoch schließlich, ihre eigenen Ergebnisse in einer frei im Internet zugänglichen Datenbank zu veröffentlichen. Im Jahr 2005 gab Celera dann bekannt, das Projekt zu beenden.
Abgesehen von diesem Konkurrenzkampf kann das genaue Wissen über die Orte der menschlichen Gene dazu beitragen, Risiken für bestimmte Krankheiten zu bestimmen. Auch für die Biologie ist das Projekt spannend: Im Vergleich mit den Genomen anderer Organismen kann der Weg der Evolution genauer nachvollzogen werden.
Mit Hilfe von Bacillus Subtilis
Weit weniger bekannt, aber schon viel länger in unseren Alltag integriert, ist die weiße Gentechnik. Sie bezeichnet industrielle Verfahren, mit denen durch Mikroorganismen wie Pilze oder Bakterien organische Chemikalien hergestellt werden. So werden etwa ein Großteil der Vitamine, die Nahrungsmitteln zugesetzt werden, mithilfe von Gentechnik hergestellt. Vitamin B2 wurde früher in einem aufwändigen chemischen Verfahren produziert, inzwischen erledigt das das gentechnisch veränderte Bakterium Bacillus Subtilis. Dieses Bakterium kann aber noch einiges mehr: Mit ihm werden ebenfalls Enzyme produziert, die den Schmutz aus der Kleidung lösen können und deshalb Waschmitteln zugesetzt werden.
Das beliebteste und am häufigsten verwendete Lebensmittel-Aroma ist Vanille. Echte Vanille ist jedoch knapp, ihr charakteristisches Aroma Vanillin kommt aber auch in anderen Pflanzen vor, unter anderem in Baumrinde, Spargel und Zuckerrüben. Die daraus gewonnenen Geschmacksstoffe dürfen ebenfalls als natürliches Aroma bezeichnet werden. Auch hier gibt es ein Verfahren mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen, das Aroma synthetisch herzustellen. Der Geschmack in Pudding oder Eiscreme kommt deshalb in den seltensten Fällen aus der Vanilleschote. Lebensmittel-Enzyme gelten in Deutschland übrigens nicht als Zutat und müssen nicht auf Verpackungen angegeben werden, egal ob durch genetisch veränderte Organismen erzeugt oder nicht.
Frida Thurm schreibt für Magazine und Zeitungen. Sie lebt in Berlin und Amsterdam.