Der Zwischenstopp in Dubai war für Heraa Hashmi wie ein Ausflug ins Paradies. Wenn das Mädchen mit den großen schwarzen Augen davon erzählt, spricht sie noch schneller, als sie das normalerweise schon tut. Dann überschlägt sich ihre Stimme fast. „Dort gab es in den Shopping Malls ganze Abteilungen nur für Kopftücher“, schwärmt die 17-Jährige und stößt dann ein paar kleine, ziemlich glückliche Quieklaute aus. „In allen möglichen Farben, mit passenden Klammern und Nadeln dazu“, fährt sie fort. „O Gott, ich wäre so gerne für immer dort geblieben.“ Doch dann ging die Reise weiter, nach Hause. Das ist für Heraa Hashmi die Region Boulder County im US-Bundesstaat Colorado.

Dort lebt die Schülerin mit ihrer Familie. Als sie sechs Monate alt war, bekam ihr Vater ein Jobangebot als Netzwerktechniker, und die Eltern wanderten von Bihar in Nordindien in die USA aus. Nun muss Hashmi, die außerhalb des Hauses stets einen Hijab trägt, erfinderisch sein, um gut auszusehen. Heraa Hashmi ist Muslima. Andere Frauen und Mädchen, die für sie in Modefragen ein Vorbild sind, gibt es in Boulder kaum. Geschäfte wie in Dubai, die Schals in verschiedenen Farben und die passenden Nadeln dazu verkaufen, auch nicht. Also holt sie sich Tipps und Tricks online. Sucht man bei YouTube etwa nach dem Begriff „Hijab Tutorial“, bekommt man knapp 180.000 Hits. Ähnlich wie in Make-up-Tutorials erklären die Macherinnen dort Schritt für Schritt, wie man sich den Hijab schick drapiert. „Ohne das Internet wäre meine Welt sehr klein“, sagt Hashmi.

Seit September 2013 hat sie selbst einen YouTube-Kanal eröffnet und ist als “Hijabdevie” auf Sendung. Seit September 2013 ist „Hijabdevie“ auf Sendung. „De vie“ stehe für das französische „des Lebens“, erklärt Hashmi. „Für mich ist das eine Erinnerung daran, dass der Hijab ein wichtiger Teil meines Lebens ist.“ Unglücklich wirkt sie darüber nicht. Im Gegenteil: Sie ist stolz darauf. Die Verschleierung, die vielen Nichtmuslimen wie eine Einschränkung der eigenen Freiheit vorkommt, gibt Hashmi mehr Selbstvertrauen. „Meine Haare gehören für mich zu den Körperteilen, die man in der Öffentlichkeit nicht entblößt“, erklärt sie. „Würde das doch geschehen, wäre mir das so unangenehm wie einem nichtmuslimischen Mädchen, dem aus Versehen das T-Shirt verrutscht.“

Was sie auf YouTube zeigt, ist teils Videoblog für Kopftuchmode, teils Alltagstagebuch. Hashmi lädt auch deshalb regelmäßig Videos hoch, weil sie findet, dass das alltägliche Leben von Muslimen in den klassischen Medien zu kurz kommt. Wenn über Muslime berichtet wird, dann werden meist die gängigen Vorurteile wiederholt: Muslime sind dann in erster Linie fanatische Dschihadisten und unterdrückte Frauen mit Kopftuch. Insofern sind die Hijab-Modebloggerinnen, die seit einigen Jahren immer mehr werden, auch ein Versuch, die Deutungshoheit über sich selbst, das eigene Leben und den eigenen Körper zurückzuerobern –  und ein eigenes Schönheitsideal zu etablieren.

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Heraa Hashmi lüftet den Schleier. Aber nur den, der ihrer Meinung nach in den westlichen Ländern über dem Alltagsleben der Muslime liegt (Foto: © hijabdevie/youtube)

Heraa Hashmi lüftet den Schleier. Aber nur den, der ihrer Meinung nach in den westlichen Ländern über dem Alltagsleben der Muslime liegt

(Foto: © hijabdevie/youtube)

Sogar eine wissenschaftliche Studie gibt es zu dem Thema schon. „Der Hijab im Zeitalter von Instagram“ heißt sie und wurde von zwei Gender-Studies-Studentinnen am Tata Institute of Social Sciences in Mumbai vorgelegt. Sie kommen zu einem ähnlichen Ergebnis: „Dass muslimische Frauen weltweit ihre Prinzipien öffentlich in einer kreativen und optisch ansprechenden Art und Weise offenlegen, ist ein Akt der Selbstermächtigung. So können sie im öffentlichen Raum sie selbst sein und tragen, was sie wollen, ohne ihre selbst gewählte Form der Sittsamkeit aufgeben zu müssen“, schreiben sie darin.

„Assalam alaikum guys, it’s Hijabdevie aka Heraa“, beginnt Hashmi ihre Clips und lässt ihre ZuschauerInnen darin an ihrem Leben teilhaben: ein Familienausflug nach Texas, eine Tour durch ihr ziemlich aufgeräumtes Zimmer. Geht man nach den Klickzahlen, wollen ihre Fans jedoch vor allem eines sehen: wie sich Heraa Hashmi den Hijab wickelt.

Fast 10.000-mal in zwei Wochen wurde Hashmis aktuelles „Everyday Hijab Tutorial“ (s.o.) angesehen. Darin wickelt sie sich einen schwarzen Baumwollschal mit zwei Nadeln und nur wenigen Handgriffen so mühelos um den Kopf, dass am Ende eine kleine Stoffkaskade über der Schulter entsteht. Hashmi trägt den Hijab, seit sie elf Jahre alt ist. Zwang von den Eltern gab es nicht, sagt sie. Auch wenn das viele Menschen denken und sie immer wieder danach gefragt wird. „Eines Morgens bin ich aufgewacht und hatte das Gefühl, etwas tun zu wollen, das mich näher an Gott bringt“, erklärt sie. „Also habe ich beschlossen, das Kopftuch zu tragen.“ 

Und obwohl das Kopftuch in erster Linie ein religiöses Zeichen ist, „etwas, mit dem ich mich klar als Muslima zu erkennen gebe“, ist es auch ein Accessoire. Also ein Kleidungsstück, das sich kombinieren lässt. „Ich trage eigentlich immer einen Hijab, dessen Farbe in meinem Outfit wiederkehrt“, sagt sie. „Und ich kaufe mir neue Sachen nur dann, wenn ich einen passenden Hijab dazu habe.“ Und wenn sie einen tollen neuen Style gefunden hat, macht sie ein Video darüber.

Und was genau heißt „Hijab“?

Der Begriff stammt aus dem Arabischen und bedeutet nichts anderes als Schleier. Muslimische Rechtsgelehrte leiten aus drei Koran-Suren die Pflicht von Frauen her, sich zu verschleiern. Liberale Muslime interpretieren die Verse lediglich als Hinweis, sich nicht aufreizend anzuziehen. Wie viel vom Gesicht einer Frau verhüllt wird, ist je nach Schleier verschieden. In einigen arabischen Ländern kommt der „Nikab“ dazu, also ein Gesichtsschleier, bei dem nur die Augen zu sehen sind. Die „Burka“ verhüllt die Frau von Kopf bis Fuß. Der „Tschador“ bedeckt auch den ganzen Körper, lässt jedoch das Gesicht frei. Modisch stylen lässt sich da nicht mehr viel. Heraa Hashmi indes trägt – ebenso wie die anderen muslimischen Modebloggerinnen – lediglich ein Kopftuch, das unter dem Kinn zusammengesteckt wird und ihren Hals verhüllt.