Ross William Ulbricht könnte sich perfekt in die Reihe der erfolgreichen Internet- Emporkömmlinge einreihen: jung, ehrgeizig, technisch brillant, millionenschwer, dabei unauffällig. Seine Online-Plattform "Silk Road" wurde innerhalb einiger Monate zum Marktführer. Doch im Gegensatz zum Facebook-Gründer Mark Zuckerberg kann er sich nicht von der Welt als genialer Jungunternehmer feiern lassen: Heute sitzt Ulbricht im Gefängnis und wartet auf seinen Prozess. Am 1. Oktober vergangenen Jahres hat das FBI den 29-Jährigen und seine "Silk Road" hochgenommen. Das Portal wurde abgeschaltet.
Von Januar 2011 an betrieb Ulbricht von zu Hause aus den bekanntesten Umschlagplatz für illegale Waren. Auf dem digitalen Schwarzmarkt tummelten sich Tausende Händler, rund 70 Prozent ihres Sortiments bestand aus Rauschmitteln jeglicher Art. Die Seite, deren Name auf die historischen Handelswege zwischen Europa und Asien anspielt, wurde in den Medien deshalb gerne mal als "Amazon für Drogen" bezeichnet.
Ihren Stoff fanden die Interessierten aber nicht, indem sie Wörter wie Cannabis, LSD oder Kokain in die Suchmaschinen eintippten. "Silk Road" war ausschließlich über das sogenannte Darknet erreichbar, in das sich jeder Internet-Nutzer mit einer kostenlosen Software einwählen kann. Das Darknet ist so etwas wie die Schmuddelecke des Internets, dient jedoch auch als gut geschütztes Netzwerk für Dissidenten in autoritären Staaten. Die Daten der Nutzer werden verschlüsselt übertragen, Behörden können sie in der Regel nicht zu ihrem Ursprung zurückverfolgen. Drogendealer fühlen sich im Darknet relativ sicher, da auch der Geldtransfer meistens anonym über die virtuelle Währung Bitcoin abläuft. Auch Ulbricht fühlte sich sicher. Trotzdem schnappte ihn die US-Bundespolizei nach rund zweijähriger Undercover-Fahndung, weil er zuvor zu viele Spuren im ungesicherten Netz hinterlassen hatte.
Laut FBI haben die Händler auf "Silk Road" zwischen dem 6. Februar 2011 und dem 23. Juli 2013 insgesamt 1,2 Milliarden Dollar umgesetzt. Dabei war und ist das Portal nicht der einzige Anbieter seiner Art im Darknet. Manch einer hat sogar Waffen und gefälschte Papiere im Angebot.
Ein besonders schillernder und vergleichsweise kommunikativer Konkurrent hieß "Atlantis". Die Verantwortlichen beschäftigten einen Pressesprecher und haben im vergangenen Jahr sogar einen fröhlichen Werbespot auf Youtube geschaltet. "Worauf wartest du noch, probier es aus", lautete die Botschaft. Im September war damit jedoch Schluss, die Seite ging vom Netz. Gut möglich, dass auch in diesem Fall den unbekannten Hintermännern US-Behörden auf der Spur waren.
Im Darknet herrscht das Gesetz der Straße: Hacker erbeuteten Millionen von Bitcoins
Trotz des Fahndungserfolges der US-Kollegen bei "Silk Road" ähnelt der Krieg gegen illegale Plattformen im Darknet dem Rennen zwischen Hase und Igel. Bereits wenige Wochen nach der spektakulären Verhaftung von Ulbricht in San Francisco war ein Nachfolger seines Portals online – gleiches Design, ähnlich großes Angebot illegaler Substanzen von Anbietern rund um den Globus. Die Verantwortlichen versprechen, dass der Verkauf sicherer ist als je zuvor. Im Forum der "Silk Road 2.0" schwören sie Händler und Kunden auf den Kampf um ihre Selbstbestimmung ein und tönen großspurig: "Welcome back to freedom."
Längst beschäftigt diese Form der Cyber-Kriminalität auch die deutschen Gesetzeshüter. Im November letzten Jahres beschrieb Jörg Ziercke, Chef des Bundeskriminalamtes, die Online-Schwarzmärkte als eine der größten Herausforderungen des BKA. Ihre Strategie verrät die Behörde verständlicherweise nicht. Nur so viel: Man arbeite eng mit den USA zusammen.
Ausgerechnet die einst vertrauenswürdigen Bitcoins werden möglicherweise zur Schwachstelle der digitalen Basare. Juristen und Computerspezialisten im Dienste des Staates arbeiten daran, die digitale Währung unter Kontrolle zu bekommen, damit Händler und Käufer illegaler Waren nicht ungestraft davon kommen.
Der Hype um "Silk Road" und andere Anbieter könnte noch aus einem anderen Grund schon bald enden: Unbekannte Hacker nutzten Mitte Februar einen Systemfehler aus und erbeuteten dabei eingezahlte Bitcoins der Käufer im Wert von 2,7 Millionen Dollar. Ernüchternd für die Kunden – aber auch für die Verantwortlichen des Portals, die das Geld jetzt immerhin erstatten wollen.