Kommt alles irgendwann wieder – das ist eine typische Phrase in der Modewelt. Spätestens in den späten Nullerjahren war es der Fishtail-Parka, der wieder aus der Versenkung auftauchte. Entworfen wurde der M-51-Parka von der US-Armee bereits Anfang der Fünfzigerjahre, zu Zeiten des Koreakrieges. In die Männermode eingeführt wurde er in den Sechzigerjahren von den britischen Mods, einer style-orientierten Subkultur von jungen Männern auf Motorrollern. Der Parka war ein billiges, weil meist aus zweiter Hand im Army Shop erstandenes, vor allem aber praktisches Kleidungsstück. Getragen wurde der Parka von den Mods als Schutz über ihren eng geschnittenen Anzügen, wenn sie mit ihren aufgemotzten Vespas herumfuhren. Die Mods gelten als Variante der Arbeiterjugendkultur, die sich aufstiegsorientiert gab. Dazu gehörten auch schmale Krawatten, italienische Schuhe und ein Faible für schwarze Tanzmusik.

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Ein modischer Freischärler: Armeekleidung, so der Autor William Gibson, soll suggerieren, ihr Träger habe besondere FähigkeitenEin modischer Freischärler: Armeekleidung, so der Autor William Gibson, soll suggerieren, ihr Träger habe besondere Fähigkeiten (Foto: Synchrodogs)

Ein modischer Freischärler: Armeekleidung, so der Autor William Gibson, soll suggerieren, ihr Träger habe besondere Fähigkeiten

(Foto: Synchrodogs)

Während der sogenannten Bank-Holiday-Krawalle kam es 1964 in Brighton und anderen Küstenstädten Südenglands zu Schlägereien zwischen Mods und Rockern, was die Presse zu einer Gefahr für die innere Sicherheit stilisierte: Mods in Parkas wurden zum Gegenstand einer moralischen Panik. Gegen Ende der Sechzigerjahre wurde dann die Hippie-Kultur mit ihrem Jeans- und Batik-Look dominierender, und die Mods waren am Ende. Militärjacken trugen zwar auch die rebellierenden 68er, etwa die M-65-Jacke der US-Armee. Doch sie widmeten das Olivgrün subversiv um.

Der Parka der Mods aber kam wieder – spätestens mit dem Spielfilm „Quadrophenia“ (1979). Der basiert auf dem gleichnamigen Konzeptalbum von der Rockband The Who, das 1973 erschien und das Heranwachsen eines jungen Mod im London der frühen Sechzigerjahre beschreibt. Mit dem Film erlebte die Mod-Kultur dann Anfang der Achtzigerjahre ein Revival: Der Fishtail war wieder da. Inzwischen kann man in Army Shops kaum noch Originale des Parkas finden, dafür umso mehr originalgetreue Remakes kaufen.

Als der Parka rund 30 Jahre nach „Quadrophenia“ erneut aus der Mottenkiste geholt wurde, waren es erst teure Fashion-Labels, dann die billigeren Ketten, die sich vom letzten Revival des Revivals auf den Straßen westlicher Metropolen inspirieren ließen. Am Ende trugen Hunderttausende Jacken, die den Fishtail-Schnitt zitierten, und die Leute hatten, so muss man vermuten, höchstens eine vage Ahnung davon, dass es Militärdesign war. Interessanterweise fand der ursprüngliche Armeeschnitt nun hauptsächlich in der Frauenmode Anwendung – bis dahin orientierte sich vor allem Männermode am Militärdesign.

Schon vor Jahrhunderten löste soldatische Tracht modisches Begehren aus

Das konnte man schon im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit beobachten. Viele Kleiderordnungen mitteleuropäischer Städte beklagten, dass Stadtbürger die bunten Hosen tragen würden, die eigentlich zum Dresscode von Landsknechten gehörten. Schon damals löste soldatische Tracht modisches Begehren aus. Heute orientiert sich männliche Streetwear fast ausschließlich an Militärdesign, Arbeitskleidung und Mannschaftssportbekleidung aus dem 20. Jahrhundert.

Das ist zumindest die zentrale These von William Gibsons satirischem Roman „System Neustart“, der 2011 in deutscher Übersetzung erschien: eine kapitalismuskritische Story, die von Modetrends, Warenwelten und Militäruniformen der Zukunft handelt. Gibson geht in seinem Roman der Frage nach, warum Militärklamotten, möglichst im Original, so begehrt sind. Seiner Meinung nach ist der Wunsch nach einer Ausrüstung, die tatsächlich vom Militär genutzt wird, so groß, weil ihre Träger „mit ihrer Kleidung den Eindruck erwecken wollen, sie hätten besondere Fähigkeiten“. Das Fachwort für dieses Begehren lautet hier „gear queer“, von Gibsons Übersetzern mit „ausrüstungsgeil“ ins Deutsche übertragen. Man kann die Realität dieses Bedürfnisses auch daran ablesen, wie stark in den vergangenen Jahren der Markt der Outdoorbekleidung gewachsen ist.

Die gute alte Bomberjacke – jetzt hängt sie wieder in den Geschäften

Trotz braven Mitmachens beim jeweils neuesten Trend wollen die Leute ironischerweise gleichzeitig Dinge besitzen, die weder an den gegenwärtigen noch an einen gewesenen Augenblick gekoppelt sind. Aus diesem Wunsch speist sich auch die wellenförmige Wiederkehr von Militärbekleidung in der Mode, seien es Fishtail-Parkas, Cargo-Hosen, Kampfstiefel, die neuen Flecktarn-Parkas der Bundeswehr oder die gute alte Bomberjacke. Letztere hängt spätestens seit der Wintersaison 2014/15 wieder in den Geschäften.

Allerdings ist das Bestreben, sich dem Zirkus der Trends zu widersetzen und stattdessen in Armeeklamotten eine glückliche Verbindung von Nachhaltigkeit und Funktionalismus zu entdecken, nicht so originell, wie man denken könnte. Otl Aicher, einer der Erfinder des Corporate Designs, hat die Uniform als letztes Refugium des Designs betrachtet: „Nur das Militärdesign hat eine vom Markt so unabhängige Stellung bewahren können, dass ausgemachte Pazifisten und Anarchisten sich aus Armeebeständen ausstatten, um dem launischen Konsumzwang zu entfliehen.“ Das schrieb Aicher im Jahr 1970. So ist Militärkleidung für den Hipster, was das Nobelversandhaus Manufactum, das die alten „guten Dinge“ wieder populär machte, für den Spießer bedeutet: ein Siegel für Qualität. Viele Konsumenten haben einen Überdruss entwickelt gegen „all das Zeug, das sich auslatscht und auseinanderfällt, das einfach nicht echt ist“, wie es bei Gibson heißt.

Wie Militärkleidung ein Gefühl von Luxus erzeugt, zeigt die neue Kollektion des israelischen Designers Hed Mayner. Eines der Teile aus seiner Kollektion ist eine Bomberjacke, die so aussieht, als sei sie explodiert. Die Rückenpartie ist völlig zerfetzt. Man kann das als Verweis auf die Herkunft dieses Kleidungsstücks lesen, aber auch als ultimatives modisches Statement: Zeichen und Funktion fallen auseinander. Abgesehen von dieser symbolträchtigen Aneignung der Bomberjacke gibt Mayner ihr in einer anderen Version einen neuen Look, indem er das Futter weglässt und Übergrößen herstellt. Statt kompakte Militanz auszustrahlen, hüllen seine Bomberjacken nun den Körper ein.

„Die Idee des Luxus gibt es nicht, wo ich herkomme“, hat Mayner dem Modeblog „The Kinsky“ gesagt. „Was uns umgibt, ist der Uniform ähnlicher – das kann tatsächlich militärische Oberbekleidung sein oder jüdisch-orthodoxes Schneiderhandwerk. Das ist nie wirklich perfekt, aber trotzdem raffiniert und erscheint edel. Es gibt keine Idee von Status in diesen Kleidungstücken (oder dieser Kleidung).“ Luxus ist bei den Sachen Mayners ein Effekt handwerklicher Präzision. Das Begehren nach Qualität, das sich als Ausrüstungsgeilheit zeigt, zielt hier auf Exklusivität, die an Wissen gekoppelt ist – nicht nur beim Konsumenten, sondern auch beim Schneider.