fluter.de: Frau Otto, können Sie mit Ihrer Forschung stichhaltig beweisen, dass der von Menschen gemachte Klimawandel für Extremwetterereignisse verantwortlich ist?
Friederike Otto: Wirbelstürme, Starkregen oder extreme Dürren hat es schon immer gegeben. Sie haben ganz unterschiedliche klimatische Ursachen. Mit unserer Methode – Attribution Science genannt – können wir nun beschreiben, wie sich die Wahrscheinlichkeit für solche Ereignisse durch die globale Erwärmung verändert. Das ist ein bisschen wie beim Lungenkrebs. Rauchen ist sicher nicht immer der einzige Grund für die Tumorerkrankung, aber es erhöht die Gefahr deutlich.
Wie wirkt sich der Klimawandel denn auf das Wetter aus?
Es gibt im Prinzip zwei Arten, wie der Klimawandel unser Wetter verändert. Erstens mit dem sogenannten thermodynamischen Effekt: Durch höhere Temperaturen in der Atmosphäre steigt zum Beispiel die Wahrscheinlichkeit für Hitzewellen. Außerdem nimmt die Atmosphäre mehr Wasserdampf auf. Das führt im globalen Mittel zu mehr Starkregen. Der zweite Effekt ist der dynamische: Die veränderte Konzentration von Treibhausgasen und Wasserdampf verändert auch die Zirkulation in der Atmosphäre – das heißt, wann Wettersysteme wohin ziehen. Diese Veränderungen können wir beobachten und durch Wahrscheinlichkeiten belegen.
Wie funktioniert Ihre Methode der Attribution Science?
Im ersten Schritt berechnen wir die Wahrscheinlichkeit für ein vergangenes Wettereignis, zum Beispiel eine Hitzewelle oder Starkregen. Dafür simulieren wir einige Tausend Mal mögliche Wetterszenarien für eine bestimmte Region und einen bestimmten Zeitraum. Dadurch können wir berechnen, wie häufig dort Extremwetterereignisse wie Starkregen oder Wirbelstürme vorkommen können. Anschließend wiederholen wir das Experiment mit einer Treibhausgas-Konzentration in der Atmosphäre, wie sie ohne den menschengemachten Klimawandel wäre. So kann man berechnen, wie wahrscheinlich das Extremwetterereignis in einer simulierten Welt ohne Klimawandel wäre und indem man beide Ergebnisse vergleicht weiß man wie stark sich die Wahrscheinlichkeit durch menschliche Einflüsse verändert.
Wie stark ist die Wahrscheinlichkeit denn gestiegen?
Wir können zum Beispiel sagen, dass der von Menschen gemachte Klimawandel einen Wirbelsturm oder eine Überschwemmung mancherorts um 50 oder sogar 500 Prozent wahrscheinlicher gemacht hat. Manchmal bleibt aber auch die Erkenntnis, dass der menschliche Einfluss kaum messbar war. Manche Ereignisse werden auch weniger wahrscheinlich. Geradlinige Kausalität können wir mit diesen Aussagen nicht bieten, aber eine statistisch sehr gut gesicherte Wahrscheinlichkeit. Natürlich sind solche Ergebnisse für die Öffentlichkeit ziemlich abstrakt. Deshalb müssen wir unsere Erkenntnisse verständlich einordnen und genau erklären, welchen Anteil der Klimawandel an bestimmten Extremwetterereignissen hat.
Das klingt alles sehr datenintensiv. Wie aufwendig sind Ihre Untersuchungen?
In Oxford arbeiten wir erst seit 10 bis 15 Jahren daran, größere Studien gibt es seit 2011. Das liegt auch an ihrer Komplexität. Erst die heutige Rechenpower ermöglicht es, so viele Daten verlässlich auszuwerten. In Oxford nutzen wir ein besonderes Modell. Wir haben keinen Supercomputer, sondern arbeiten mit den PCs von Privatleuten. Sie stellen uns für die Studien ihre Rechenpower zur Verfügung. Wir verschicken einzelne Klimamodellsimulationen über das Internet und sammeln sie nach getaner Arbeit wieder ein. So können wir noch mehr Daten einfließen lassen und noch mehr Klimamodelle durchspielen. Dadurch steigt die Verlässlichkeit der Aussagen. Außerdem ist dieser Ansatz deutlich günstiger als die Nutzung eines Supercomputers.
Lassen sich auch die für den Klimawandel verantwortlichen Staaten ausmachen?
Ja, das war der Ansatz unserer neuesten Studie. Am Beispiel einer Hitzewelle in Argentinien haben wir die Verantwortlichkeit einzelner Staaten berechnet. Diese Hitzewelle ist durch den allgemeinen Klimawandel fünfmal wahrscheinlicher geworden. Durch die Emissionen der USA wurde sie um 30 Prozent, durch die von ganz Europa sogar um 35 Prozent wahrscheinlicher. Diese Aussagen ließen sich sogar auf einzelne Länder herunterbrechen. Für Debatten um eine mögliche Entschädigung von klimawandelbedingten Schäden könnten solche Erkenntnisse eine gute Grundlage bieten.
Die National Academy of Sciences, das wichtigste Wissenschaftlergremium der USA, hat die Methode für wissenschaftlich relevant erklärt. Was bedeutet das für Ihre Arbeit?
Das ist eine tolle Bestätigung für unsere Arbeit und ermutigt hoffentlich mehr Forscher, die Methode zu nutzen. Unser Ansatz ist noch jung und es gibt noch nicht viele Studien. Deshalb hat die National Academy of Sciences unabhängige Klimaexperten gebeten, die Methode einmal genauer zu überprüfen. Das Ergebnis des Reports fiel positiv aus. Die Aussagen aus der Attribution Science sind für die Klimaforschung sinnvoll und wissenschaftlich belastbar – jedenfalls wenn man viele verschiedene meteorologische Daten und Klimamodelle für seine Untersuchung nutzt.
In der Wissenschaftscommunity stößt Ihre Methode also auf viel Anerkennung. Welche Rückmeldungen bekommen Sie aus Politik und Gesellschaft?
Zur Politik kann ich wenig sagen. Bisher hatte ich hauptsächlich mit Vertretern der kenianischen und äthiopischen Regierung zu tun. Die waren sehr interessiert an Aussagen darüber, welche Regionen Afrikas besonders vom Klimawandel betroffen sind und welche Rolle der Mensch dabei spielt. Großes Interesse gibt es auch von Juristen. Sie suchen schon länger nach Möglichkeiten, globale Klimasünder in die Pflicht zu nehmen.
Lassen sich mit ihren Ergebnissen Klimaskeptiker überzeugen?
Menschen, die den Klimawandel aus wirtschaftlichen oder ideologischen Gründen leugnen, kann man auch mit wissenschaftlichen Fakten nur schwer überzeugen. Donald Trump oder die AfD sind dafür gute Beispiele. Vielleicht können wir aber mit unseren Ergebnissen die Wähler selbst erreichen. Immerhin zeigen wir, dass Klimawandel nichts ist, was weit weg oder irgendwann später passiert. Wir können nachweisen, dass auch die Flutkatastrophe oder die Dürre in der eigenen Umgebung durch den Klimawandel beeinflusst wurde. Diese Erkenntnis könnte Menschen von der Wichtigkeit des Themas überzeugen und zum Nachdenken anregen.
Titelbild: Johannes Arlt/laif