fluter.de: Emma, wie bist du auf die Idee gekommen, ein männerfreies Festival zu veranstalten?
Emma Knyckare: Als ich in der Zeitung von den vielen sexuellen Übergriffen auf dem Bråvalla-Festival las, musste ich an meine eigenen Erfahrungen denken. In den letzten Jahren trat ich auch dort auf. Immer wenn ich auf die Bühne ging, hatte ich kurz vorher von solchen Vorfällen auf dem Festival gehört. Ohne länger nachzudenken, twitterte ich: „Wie wäre es, ein Festival ohne Männer zu veranstalten – so lange, bis sie ALLE gelernt haben, sich zu benehmen.“ Ich formulierte das so provokant, weil Männer oft entgegnen: „Nicht alle Männer sind so.“ Das stimmt: Nicht alle Männer sind Vergewaltiger, aber fast alle Vergewaltiger sind Männer.
Ein paar Monate nach deinem Tweet hast du eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. Innerhalb von 30 Tagen haben über 3.000 Leute rund 56.000 Euro gespendet. Wie erklärst du dir diesen riesigen Zuspruch?
Wie ist die Situation auf deutschen Festivals?
Beim Hurricane Festival wurden dieses Jahr vier Anzeigen wegen sexueller Belästigung erstattet und eine wegen Vergewaltigung. Bei Rock am Ring kommt es jedes Jahr zu ein bis zwei Anzeigen wegen Belästigung. Die Dunkelziffer dürfte aber groß sein, da die Hürde hoch ist, während des Festivals tatsächlich zur Polizei zu gehen. Viele Veranstalter richten mittlerweile safe spaces ein, zu denen nur Frauen Zugang haben. Beim Southside und Hurricane Festival gelangte man zu diesen Orten über ein Codewort. Um in den safe space gebracht zu werden, mussten Betroffene sich mit der Frage „Wo geht’s nach Panama?“ an die Mitarbeiter wenden. Denn auch das laute Rufen um Hilfe kann eine Hürde darstellen.
Als ich den Tweet absetzte, erwartete ich nicht eine einzige Reaktion. Kurze Zeit später standen da plötzlich mehrere tausend Kommentare und Likes. Mir war klar: Dieses Festival muss stattfinden. Die Leute scheinen es leid zu sein, mit all den sexuellen Übergriffen und der Angst vor Vergewaltigung leben zu müssen. Sie sehnen sich nach sicheren Orten.
Gab es auch Gegenwind? Kritiker entgegnen doch bestimmt, dass eine solche Separierung nicht die Lösung sein kann, oder gar männerfeindlich ist.
Wir haben in Schweden nur positive Rückmeldungen bekommen – auch von Männern. Aber ja, ein solches Festival ist natürlich nicht die einzige Lösung. Ein männerfreies Festival ist eine Reaktion auf Gewalt, die Frauen angetan wird. Wir wollen damit ein Statement abgeben. Das bezweckt zum Beispiel auch, dass mehr Leute über das Thema reden und mehr Frauen sich trauen, sexuelle Gewalt bei der Polizei anzuzeigen.
Und was wären weitere wichtige Maßnahmen?
Bildungsprogramme sind gut. Aber es fängt ganz einfach an: Männer müssen anfangen, miteinander zu reden. Der Vater, der seinem Sohn beibringt, sich respektvoll und anständig zu benehmen, die zwei Freunde, die sich gegenseitig von Situationen berichten, die sie nicht okay fanden. Um sexuelle Übergriffe auf Dauer zu bekämpfen, müssen sich die Männer ändern, nicht die Frauen.
Wie sorgt ihr dafür, dass wirklich kein Mann auf dem Festival mitfeiert?
Wir gucken jedem am Eingang in die Unterhose (lacht). Nein, dann wären wir ja selber Vergewaltiger. Tatsächlich wollen wir nur auf Cis-Männer verzichten: Männer, die bei der Geburt als solche identifiziert wurden und heute auch als Männer leben. Für Transpersonen und Queers sind wir offen. Wer ein Ticket kauft, muss ein Formular mit vielen Fragen ausfüllen – welche genau, müssen wir noch überlegen. Auf alle Fälle vertrauen wir darauf, dass die Gäste dadurch verstehen, für wen wir das Festival machen, und das respektieren. Und zusätzlich werden wir besonders viel und professionelles Security-Personal einstellen.
Auf einem männerfreien Festival wird es – hoffentlich – keine sexuellen Übergriffe geben. Was ändert sich dadurch noch?
Auf dem Gelände stehen sehr viele Toiletten (lacht). Es wird nicht in jede zweite Ecke jemand hinpinkeln. Außerdem wird es keine Männer geben, die ungefragt am Strand lauthals Gitarrensongs schrammeln. Nein, im Ernst: Ich weiß es nicht, denn auf einer Party ohne Männer war ich noch nie. Es ist ein Experiment. Oft wurde mir übrigens vorgeschlagen, nicht Männer, sondern Alkohol zu verbieten. Aber das ist nicht das Problem. Das Problem sind diejenigen, die sich vollkommen danebenbenehmen, wenn sie Alkohol getrunken haben. Und das sind leider fast immer Männer.
Wie weit seid ihr schon mit der Vorbereitung fürs Statement Festival 2018?
Über 20 erfahrene Leute kümmern sich bereits um die Organisation. Am 19. November, dem internationalen Männertag, geben wir Ort und Datum bekannt. Das Booking läuft auch schon an. Es gibt eine Comedy- und eine Musikbühne, auf denen möglichst keine Cis-Männer performen sollen. Aber das wollen wir nicht starr vorschreiben. Das Wichtigste ist, dass das Festival ein safe space ist.
Wird es das Festival jedes Jahr geben?
Na klar. Und irgendwann, wenn sie aufgehört haben, zu belästigen und zu vergewaltigen, dürfen bestimmt auch wieder alle Männer mitfeiern.
Titelbild: Jörg Brüggemann/OSTKREUZ