Die Debatten um das Klima als Krise sind weltweit voll im Gang. Kritische Befunde zu Luftverschmutzung, Artensterben, Abholzung der Regenwälder, Erosion der Böden, Anstieg des Meeresspiegels und anderem verweisen auf einen brisanten Zusammenhang: Unser Verhältnis zu den natürlichen Lebensgrundlagen muss neu gestaltet werden. Von wegen „Macht euch die Erde untertan“. Nicht nur die Wissenschaften weisen heute darauf hin: Die Natur ist komplex, dynamisch, voller Überraschungen und taugt nicht als stummer Untertan. Die kapitalistische Wirtschaftsweise hat einen prekären Stoffwechsel. Noch immer herrscht hier Ignoranz gegenüber den Umweltschäden und ist die Auslagerung ihrer Kosten auf die Allgemeinheit die Regel. Durch Politik wird jetzt das CO2 zum universellen Maß gemacht, damit kommt ein ökologisches Preissignal in die Märkte. Klimapolitik könnte in der Folge neue Wege des Gleichgewichts bahnen.
Hier werden auch Eigentümlichkeiten des politischen Handelns deutlich. Streit und Kompromiss brauchen Zeit. Weltweite Abstimmungen sind mühsame Prozesse voller Rückschläge und Widersprüche. Der Klimawandel bedroht Menschen auf der ganzen Welt sehr unterschiedlich. Er wird neue Gewinner und Verlierer erzeugen. Klimaschutz birgt sozialen Sprengstoff: Wenn nur die Preise für klimaschädliche Produkte verteuert oder diese ganz verboten werden, ohne erschwingliche Alternativen zu schaffen, trifft es Arme und Familien mit Kindern härter. Noch immer ist „Bio“ vor allem ein Phänomen der gehobenen Schichten. Die größten Klimasünder finden sich bei den Gutverdienern, die sich allerdings ihr gutes Gewissen etwas kosten lassen können. Und wie gerecht ist es, von den Staaten des globalen Südens die gleichen Anstrengungen zu fordern wie von den Staaten des globalen Nordens?
Es geht immer wieder um Machtfragen – Macht über Ressourcen, Quellen des Profits, seine Verteilung und Absicherung. Auch deshalb sind nicht nur die Prognosen zum Klima umstritten, sondern bereits die Messungen und Befunde zum Status quo. Die grundlegende Dialektik politischen Handelns zeigt sich auch beim Klimaschutz: Jede Entscheidung, jede Lösung eines Problems führt aus einem Dilemma bald in das nächste – es gibt ungewollte Konsequenzen, neue Krisen, die nächsten notwendigen Entscheidungen. Die energiepolitische Wende Deutschlands bietet hier schon jetzt guten Anschauungsunterricht.
Wir streiten ums Klima oft so, wie wir übers Wetter reden, mit kurzem Blick, rascher Aufregung und schnellem Vergessen. Mit der Klimadebatte kommen aber in vielen Arenen des Streits langfristige Überlegungen ins Spiel, mit Zeitrahmen weit jenseits der Verwertungshorizonte unserer Märkte und ihrer Konsumkultur.
Die Formel „Pessimismus des Verstands, Optimismus des Willens“ passt auch zu diesem Thema, sei es angesichts laufender Forschungen und technischer Entwicklungen, sei es bei neuen politischen Bewegungen, intelligenten Regulierungen und sich wandelnden kulturellen Trends. Der Streit um den Klimawandel schafft selbst einen Klimawandel in unseren Gesellschaften.