Ich werde das Gefühl nicht los, dass Essen hier nicht unbedingt etwas mit Hunger zu tun hat, sondern eher mit einem Gefühl der Gemeinsamkeit. Mit dem Wort „Essen“ verbindet man hier einen gedeckten Tisch mit netten Menschen drum herum, bei uns steht es für Nahrungsaufnahme. Unglaublich auch, mit wie viel Mühe das Essen serviert wird. Alles wird dekoriert, selbst das, was auf den Tellern liegt, sieht oft wie eine Dekoration aus.

In Ghana ist das völlig anders: Man isst nicht unbedingt gemeinsam, aber man kocht oft zusammen. Das Gesellige findet in der Küche statt. Man schnippelt Gemüse und Obst, rührt in der Suppe und brät Fisch oder Fleisch. Anschließend stellt man alles auf den Tisch, und jeder kann sich bedienen. Ich esse also, wann ich will – und nicht zu einer bestimmten Zeit, zu der sich alle um den Tisch herum versammeln. Es ist weniger förmlich, mehr so eine kleine Party mit Buffet. Hier hingegen muss man sich schon eine gute Entschuldigung einfallen lassen, wenn man nicht pünktlich zum Essen erscheint.

„Ich weiß, dass die Deutschen im Ausland manchmal 'Kartoffeln' genannt werden – ich werde euch 'Brote' nennen“

Wie wichtig das Essen ist, merke ich auch schon an der schieren Anzahl der Restaurants und den verschiedenen Küchenstilen, die es hier gibt. Oder mit welcher Ernsthaftigkeit sich die Menschen darüber unterhalten können, wie gesund ein Smoothie aus einem vegetarischen Restaurant ist, den sie mit ins Büro bringen. Hier hätte ich wahrscheinlich keine Schwierigkeiten gehabt , mich acht Monate lang vegan zu ernähren, in Ghana wäre es fast unmöglich.

Und dann diese Versessenheit auf Brot: Vollkornbrot, Dinkelbrot, Ciabatta, glutenfreies Brot. In Ghana gibt es nur weißes, weiches Brot. Neulich habe ich schwarzes Brot gegessen, das mir so hart vorkam, dass ich es kaum essen konnte. Unglaublich, wie viel Brot hier gegessen wird. Ich weiß, dass die Deutschen im Ausland manchmal „Kartoffeln“ genannt werden – ich werde euch „Brote“ nennen.

Was ich echt vermisse, sind Suppen. Ich leide quasi an akutem Suppenmangel, und mit Suppe meine ich gut gewürzte, scharfe, dicke Eintöpfe. Also: Bitte gebt mir mehr Suppe, ihr Brote.

Agomo Atambire ist 27 Jahre alt und kommt aus Ghana, wo er in der Hauptstadt Accra Biotechnologie studiert hat. Zurzeit absolviert er ein sechswöchiges Praktikum in der Redaktion von fluter. Anschließend möchte er seinen Master machen, eventuell auch in Deutschland. 

Teil 1: Ein Mann sieht grün – Über Bäume, Pflanzen und CO2
Teil 3: Wer raucht das schon – Ärger über den Qualm
Teil 4: Hier war der Terror – an den Orten der Nazis in Berlin
Teil 5: Love ist all around me – Küssen in der Öffentlichkeit
Teil 6: Korrekt gefeiert – Über Festivals, Müll und Dreadlocks

Übersetzung: Oliver Gehrs

Foto: Leon Reindl