LESEN

Patriotische Anklage

Ein Aufreger dieser Woche: Israels Premierminister Benjamin Netanjahu verweigerte dem deutschen Außenminister Sigmar Gabriel den Empfang. Denn dieser hatte beim Staatsbesuch in Israel zuvor Friedensaktivisten, unter anderem vom Verein „Break the Silence“, getroffen. Wer das ist? Eine NGO ehemaliger israelischer Soldaten und Soldatinnen, die ihre Dienstzeit kritisch reflektieren, speziell den Umgang mit den Bewohnern der Palästinensergebiete – als patriotische Anklage an die israelische Politik. Ein langes und tiefgehendes Porträt über mehrere der Aktivisten, ihre Arbeit und ihre verstörenden Erfahrungen an der Front hatte Jörg Lau für die „Zeit“ bereits 2012 geschrieben. Es ist immer noch sehr lesenswert.

Zeit Online: Tapferkeit vor dem Freund

 

Feminismus von der Stange

In den 90ern galt es kurz als „frech“, wenn Frauen T-Shirts mit dem Aufdruck „Zicke“ und „Bitch“ trugen. Heute verkauft H&M lieber „GRL PWR“, und auch Dior ist mit „We should all be feminists“ dabei. Ist das nun aber ein Erfolg für den Feminismus? Oder sein Ausverkauf? Dieser Frage geht die „Spiegel Online“-Kolumne von Margarete Stokowski nach und findet ganz andere Probleme: dass es diese Shirts nicht auch für Männer gibt, zum Beispiel, und dass sie von Konzernen verkauft werden, die ihre Textilarbeiterinnen ausbeuten und gern auch mal feuern, wenn sie schwanger werden.

Spiegel Online: Die Revolution – für nur 550 Euro

 

SCHAUEN

Die am Rande erheben die Stimme

„Tristesse“ ist ein französisches Wort, und wenige Orte strahlen mehr Tristesse aus als die Hochhaussiedlungen der Pariser Vorstädte, die in der Arte-Doku „Der Sound der Banlieues“ immer wieder in spektakulären Luftaufnahmen gezeigt werden. Hier leben viele afrikanische Einwanderer, ihre Kinder und Enkel. Im laufenden Präsidentschaftswahlkampf fühlen sich viele von ihnen nicht repräsentiert – sie müssen ihre Stimme selbst erheben, und viele tun das mittels Rapmusik. Die Dokumentation begleitet mehrere junge Männer aus Corbeil-Essonnes im Süden der französischen Hauptstadt, Nachwuchshoffnungen und Größen der Hip-Hop-Szene gleichermaßen. Sie trifft aber auch Kroc Blanc, einen weißen Rapper, der sich selbst als „rechter als der Front National“ bezeichnet.

Arte Re: Im Mekka des Rap – Der Sound der Banlieues

 

Nerds don’t come easy

Exakt vor einer Woche gingen in 600 Städten auf der Welt Zigtausende Menschen auf die Straße, die sonst nicht so oft als Interessengruppe demonstrieren: Wissenschaftler*innen. Mit dem March for Science wollten sie gegen finanzielle Kürzungen und einen generellen Vertrauensverlust in die Natur- und Geisteswissenschaften protestieren – besonders in den USA, wo der neue Präsident ja einen recht umstrittenen Begriff von Wahrheit und Fakten vertritt. Nun pflegt die Wissenschaftscommunity einen durchaus eigenen Humor, und den hat sie auch auf die Straße getragen – Buzzfeed hat freundlicherweise die lustigsten und originellsten Schilder gesammelt, und ihr könnt einfach mal testen, wie viele ihr davon versteht.

Buzzfeed: These March For Science Signs Are So Wonderfully Nerdy

Frauen in Computerspielen

Wie werden eigentlich Frauen in Computerspielen eingesetzt, die neben dem (fast immer männlichen) Hauptcharakter den Sidekick geben dürfen? Da gibt es einige Möglichkeiten: 1. Reduziert auf eine Funktion, um die Story voranzutreiben. 2. Als Klotz am Bein, den die Helden retten und oft im wahrsten Sinne des Wortes mit sich herumtragen müssen. 3. Als eine Art Cheerleaderin, die dem Helden sagt, wie gut er das gerade macht. Für diese These hat Anita Sarkeesian genug Beispiele gesammelt, um ein elfminütiges Video daraus zu machen: die neueste Folge ihrer Reihe „Tropes vs. Women in Videogames“. Und auch die vorerst letzte, denn die 2012 gestartete Videoserie, die sich mit Themen wie „Frauen als Belohnung“, „Unterwäsche ist keine Rüstung“, „Körperdiversität in Videospielen“ auseinandergesetzt hat, endet vorerst.

#Tropes vs. Women in Video Games: The Lady Sidekick

Dazu hat Anita Sarkeesian einen langen Blogbeitrag verfasst, in dem man alle Folgen (Gesamtdauer: fast fünf Stunden) auch noch mal verlinkt findet – und natürlich auch gleich ein neues Format angekündigt.

Feminist Frequency: A Message from Anita on the End of Tropes

 

Golf-Handicap gesenkt, Twitter-Reichweite erhöht

Heute vor 100 Tagen trat Donald Trump sein Amt als US-Präsident an. Was hat sich seitdem getan? Die Macher der Zeichentrickserie „Die Simpsons“ zeichnen in der Vorschau auf die neue Episode, die der amerikanische Sender Fox am Sonntag ausstrahlen wird, ein schauriges Bild: Donald Trump, in seinem Bett im Weißen Haus sitzend, schaut zwar selbstzufrieden auf die vergangenen drei Monate zurück. Doch zwei Stockwerke tiefer erhängt sich währenddessen sein Sprecher Sean Spicer. Die Mitarbeiter Jared Kushner und Stephen Bannon gehen sich sprichwörtlich an die Kehle. Trumps Tochter Ivanka zieht in den Obersten Gerichtshof ein. Und Marge hat ihre Strategie, mit alldem umzugehen.

Weißt du noch, damals?

„Herr Orbán, ich weiß nicht, ob Sie sich an unser erstes Treffen erinnern. In einem Hotel in Budapest. Im Dezember 1989“, begann der belgische Politiker Guy Verhofstadt, Fraktionschef der Liberalen im EU-Parlament, am Mittwoch bei einer Sitzung in Brüssel seine Rede. Die Worte, die danach kamen, ergriffen nicht nur Tausende Zuschauer vor ihren Bildschirmen, sondern – so zumindest der Anschein – auch den Adressaten: den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, den Guy für seine zunehmend undemokratische Politik kritisiert. „Wollen Sie als jemand erinnert werden, der Ungarn vom Kommunismus befreit hat – was Sie gemacht haben“, schließt Guy seine Rede, „oder als ewiger Feind unserer offenen europäischen demokratischen Gesellschaft?“

Guy Verhofstadt: Plenary Speech on Situation in Hungary

HÖREN

LGBTürkei

Stell dir vor, du bist 31, lebst mit deinem Freund zusammen, aber kannst dir nicht sicher sein, ob dich deine Eltern noch immer für eine Jungfrau halten oder nicht. Oder für seltsam, weil du noch nicht geheiratet hast. In der Türkei sind das ganz reelle Probleme junger Menschen: Sex ist dort zwischen der oft noch sehr konservativen Elterngeneration und den Jugendlichen ein Tabuthema. Das Deutschlandfunk-Nova-Format „Eine Stunde Liebe“ hat sich in Istanbul umgehört. Zu den weiteren Themen der Sendung gehören die Situation von LGBTI, erzählt anhand eines der ersten offen schwulen Politiker, und die zunehmende tödliche Gewalt gegen türkische Frauen.

Deutschlandfunk Nova: Liebe alla Turca

 

Titelbild: Renke Brandt