Die Selbstverbrennung: der Körper als Fanal
Wie er da sitzt: den Kopf erhoben, den Rücken durchgedrückt, die Beine im Lotossitz. Als wäre es eine Meditation. Als wären da nicht die Umstehenden, die wimmern und gaffen, beten und niederknien. Als wären da nicht die Flammen, Hunderte von Grad heiß, die seinen Körper langsam verbrennen. Der buddhistische Mönch protestierte im Juni 1963 gegen die Unterdrückung der buddhistischen Bevölkerungsmehrheit in Vietnam. Helfer übergossen ihn mit Benzin, er selbst entzündete das Streichholz und setzte sich in Brand. Keinen Laut habe dieser Mönch von sich gegeben, notierte ein schockierter Reporter der New York Times. Nach rund zehn Minuten erstarben auch die Flammen. Der Gestank von verbranntem Fleisch lag über dem Platz. Seinen Körper dem Feuer zu übergeben ist seither eines der grausamsten Mittel geworden, um zu protestieren. Vor Kirchen, auf Plätzen und in Stadien. Erst im Oktober 2017 verteilte ein 54-jähriger Pole mitten in Warschau Flugblätter. In harten Worten kritisierte er darauf den antidemokratischen Kurs der polnischen Regierung; sie müsse gestoppt werden, „bevor sie dieses Land völlig zerstört“. Dann übergoss er sich mit einer brennbaren Flüssigkeit und zündete sich an. „Ich hoffe, mit meinem Tod viele Menschen aufzurütteln“, hatte er in einem Manifest geschrieben. Die Selbstverbrennung des tunesischen Gemüsehändlers Mohamed Bouazizi am 17. Dezember 2010, mit der er gegen bürokratische Willkür und Polizeigewalt demonstrierte, gilt gar als Auslöser des Arabischen Frühlings.
Femen: der Körper als politische Plakatwand
Auf dem Wiener Opernball sieht man normalerweise nur Frauen in eleganten Abendkleidern, dieses Jahr aber zeigte sich dort die 26-jährige Femen-Aktivistin Alisa Vinogradova halb nackt. „Poroshenko get the fuck out“ stand in schwarzer Schrift auf ihren Brüsten geschrieben, gerichtet an den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, den Ehrengast beim Opernball. „Sextremismus“ nennen die Femen-Frauen ihren Protest. Die ursprünglich in der Ukraine gegründete Organisation will so unter anderem gegen Machtmissbrauch und sexuelle Gewalt kämpfen. „Unsere Brüste sind unsere Waffen“, sagte Vinogradova nach ihrer Aktion in einem Interview. Einen ähnlichen Ansatz haben die sogenannten Slutwalks, Protestmärsche, auf denen Frauen teilweise in kurzen Röcken und in Unterwäsche dagegen demonstrieren, wegen aufreizender Kleidung als potenzielle Opfer sexueller Gewalt angesehen zu werden.
Selbstmordattentäter: der Körper als Waffenträger
Es waren nur noch wenige Meter bis zu seinem Ziel. Abdullah al-Asiri, ein Saudi Anfang 20, wartete im August 2009 in einer Schlange in der saudischen Hafenstadt Dschidda, um dem Vize-Innenminister die Hand zu schütteln. Mit einer List hatte sich al-Asiri eine Audienz bei dem saudischen Prinzen verschafft. Doch was keiner der Umstehenden wusste: In al-Asiris Enddarm steckte ein halbes Kilo Sprengstoff. Er war gekommen, um sich im Auftrag von al-Qaida in die Luft zu sprengen. Der Vize-Innenminister sollte sterben. Die Waffe des Selbstmordattentäters ist die Bombe, der Waffenträger sein Körper. Er wirft sein Leben weg, um andere zu ermorden. Im Fall von al-Asiri starb aber nur er selbst. Der Attentäter zündete seine tödliche Fracht, vermutlich mit einem Handy. Die Detonation riss ihm tödliche innere Wunden. Die Zielperson aber, der saudische Prinz, wurde nur leicht verletzt. Der Körper des Selbstmordattentäters hatte ihm das Leben gerettet.
Der Hungerstreik: der Körper als Mittel zur Erpressung
Bei seinem Kampf für die Unabhängigkeit Indiens von der britischen Kolonialmacht setzte Mahatma Gandhi bewusst auf Gewaltfreiheit. Ein Mittel, das er nutzte, war das sogenannte Protestfasten. Mit einem Hungerstreik, den er am 20. September 1932 begann, wollte er die Briten dazu bringen, das Land nicht nach Religionszugehörigkeit zu ordnen, zudem stritt er damit für das Wahlrecht der Kastenlosen, die zudem nach der Beendigung von Gandhis Hungerstreik, sechs Tage später, erstmals hinduistische Tempel besuchen durften. 58 Tage dauerte 1974 der Hunger- streik des RAF-Terroristen Holger Meins in der JVA Wittlich. Bei einer Größe von 1,83 Meter wog er am Schluss keine 40 Kilogramm. Mit 400 Kilokalorien hat man ihn zuletzt zwangsernährt. Mit seinem Hungern wollte Meins erreichen, mit den anderen RAF-Häftlingen zusammengelegt zu werden. „Wir haben zwei sehr starke Waffen“, schrieb Meins zu Beginn seines Hungerstreiks, „unseren Grips und unser Leben.“ Ausgemergelt und aufgebahrt, mit langem Bart und langen Haaren, sah er zuletzt aus wie eine Christusfigur. Durch seinen Hungertod wurde Meins zum Märtyrer der RAF- Sympathisanten. Den Tod fanden auch zehn Häftlinge der nordirischen Befreiungsbewegungen IRA und INLA, die 1981 im Kampf für die Unabhängigkeit Nordirlands gegen die als Besatzer empfundenen Briten im Gefängnis in den Hungerstreik traten.
Anketten und Sitzblockade: Ich bin dann mal im Weg
Man muss mit dem Körper gar nichts Besonderes anstellen, um unbequem zu sein. Es reicht, wenn man ihn dem Gegner einfach in den Weg stellt. Mit sogenannten Sitzblockaden versuchen Demonstranten seit jeher, auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen. Ob es um die Räumung besetzter Häuser geht oder um das Aufhalten eines Atomtransports – eine sitzende Menschenmenge kann es der Polizei mitunter recht schwer machen, ihre Autorität durchzusetzen. Manchmal gelingt es auch erst nach Stunden, weil sich die Demonstranten nicht nur hingesetzt, sondern sogar angekettet haben. Bei den Castor-Transporten etwa mussten immer wieder Vertreter der Anti-AKW- Bewegung mit Schweißgeräten, Meißeln und Sägen von Betonpyramiden und Gleisen gelöst werden.