Es gibt viele Beispiele von Flüchtlingen, die in Deutschland gut angekommen sind – weil sie Möglichkeiten gefunden haben, aktiv zu werden. Zum Teil im Rahmen von Initiativen, die ihnen Wege aus der Untätigkeit angeboten haben, zu der sie das offizielle Aufnahmeverfahren verdammt. In dieser Serie berichtet jede Woche ein Flüchtling über seine Erfahrungen.

Mein Name ist Mouhamed, ich bin 31 Jahre alt und gestalte und drucke T-Shirts im Projekt „Creation! Not Frustration“. Die Initiative entstand, nachdem Berlins Politiker 2014 das Flüchtlingscamp auf dem Oranienplatz aufgelöst hatten.

Wir sind drei Teilnehmer und versuchen nun, unsere Zeit sinnvoll zu nutzen, und bringen uns gegenseitig Schneidern, Gestalten und Siebdrucken bei. Ich hasse es, wenn ich herumsitze und mich langweile. Aufgrund meines italienischen Asylstatus habe ich keine Arbeitserlaubnis in Deutschland. Wir organisieren öffentliche Workshops, um unser Projekt bekannter zu machen und die T-Shirts unter die Leute zu bringen. Mit den Einnahmen wollen wir Asylbewerbern unter die Arme greifen, damit sie sich die lebensnotwendigen Dinge kaufen können: Essen, Kleidung, Bustickets.

Ich mag dieses Projekt sehr. Es gibt mir Solidarität und Kraft und zeigt mir, dass ich noch lebe. Ich bin mir sicher, dass es mir auch für die Zukunft viel bringt, diese Arbeitstechniken zu beherrschen. Es haben sich bereits viele Kontakte ergeben. Ich musste aus meinem Heimatland Niger fliehen, weil ich Teil der MNJ-Gruppierung war, einer Bewegung für mehr Gerechtigkeit in Niger. Wir kritisierten die Regierung und protestierten gegen Korruption und für mehr Bildung und Gerechtigkeit. Die Regierung drohte uns damit, dass sie uns in Gefängnisse steckt, in denen uns niemals wieder jemand finden kann. So begann meine Fluchtodyssee. Ich ging nach Libyen, um dort als Glaser zu arbeiten.

Als dort 2011 der Bürgerkrieg ausbrach, floh ich nach Italien – sie speisten mich mit 500 Euro ab und sagten, ich solle es in einem anderen europäischen Land versuchen. Über Umwege kam ich nach Paris, anschließend nach Hannover; dort gefiel es mir nicht. Ich bat einen Afrikaner darum, mir ein Ticket zu kaufen, und fuhr nach Berlin. Am Alexanderplatz fragte ich die Leute, wo ich jemanden aus dem Niger finden kann. Jemand nannte mir das Kottbusser Tor. Ich nahm also die U-Bahn dorthin und fand das Protestcamp der Flüchtlinge am Oranienplatz. Als ich andere Leute aus Niger traf, war ich glücklich. Ich habe mich nach langer Zeit wieder wie zu Hause gefühlt – bis das Camp aufgelöst wurde.

Derzeit lebe ich bei Diana, der Initiatorin des Projekts „Creation! Not Frustration“. Sie ist eine wunderbare Freundin geworden. Ich kann nicht oft genug Danke zu ihr sagen. Ich hoffe, dass ich bald eine Aufenthaltserlaubnis bekomme, um mein Studium abzuschließen. Ich habe in Niger Philosophie, Literatur, Geschichte und Politik studiert.

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T-Shirts bedrucken statt Frust schieben (Foto: privat)

T-Shirts bedrucken statt Frust schieben

(Foto: privat)

So vielen Menschen geht es derzeit wie mir. Wir wollen etwas tun. Bis ich studieren kann, werde ich „Creation! Not Frustration“ weiter voranbringen. Wir wollen die Produkte bald in einem Onlineshop anbieten und einen Verein gründen – den wir irgendwann in eine GmbH umwandeln möchten, so dass vielleicht der eine oder andere aus unserem Team eine Festanstellung bekommt. Wir suchen noch viele Leute, die bei uns mitarbeiten oder uns unterstützen wollen – etwa mit Materialien und Spenden.

Hintergrund: „Mouvement des Nigériens pour la Justice“

Die Bewegung „MNJ“ (französisch: „Mouvement des Nigériens pour la Justice“ – deutsch: „Bewegung der Nigrer für Gerechtigkeit“), in der sich Mouhamed betätigt hat, ist eine paramilitärische Organisation. Sie entstand 2007 als multiethnische Bewegung, die Demokratie und gerechtere Zustände forderte – und der auch unzufriedene Mitglieder der nigrischen Streitkräfte beitraten. Eine der zentralen Forderungen war eine höhere Beteiligung der Bevölkerung an den Gewinnen aus der Uranproduktion. Der MNJ wollte zudem auf eine stärkere politische Dezentralisierung und insbesondere auf mehr Rechte für die Volksgruppe der Tuareg hinwirken. Diese Forderungen versuchte der MNJ auch durch Anwendung von Gewalt durchzusetzen. Wiederholt gab es Angriffe auf Militärstützpunkte, aber auch auf Infrastrukturen wie Elektrizitätswerke. Die nigrische Staatsführung reagierte mit Gegenangriffen. Laut Menschenrechtsorganisationen kam es dabei auch zu Hinrichtungen von Zivilisten und MNJ-Angehörigen seitens der Armee. Der damalige Staatspräsident Tandjas bezeichnete die Rebellen als bewaffnete Banditen, während ihn der MNJ in einem Blog als menschenverachtenden Tyrannen darstellte. 2009 kam es zu einem Friedensabkommen zwischen der Regierung und dem MNJ, von dem sich einige Splittergruppen jedoch distanzierten.

Caroline von Eichhorn ist freie Journalistin, Autorin und Gestalterin in München. Sie arbeitet unter anderem für den Bayerischen Rundfunk, die Süddeutsche Zeitung und das Bayerische Jugendfilmfestival Jufinale – und sie hat beim fluter.de-Workshop für Jugendliche auf der Berlinale mitgewirkt.