Kilometerweit erstrecken sich die „Ger-Viertel“ vom Stadtrand Ulan-Bators aus in die Landschaft. 800.000 Menschen leben in der Haupstadt der Mongolei in ihren „Gers“, den traditionellen Jurten. Sie haben weder Strom noch Wasser und sind – in der vielleicht kältesten Hauptstadt der Welt – nicht an das zentrale Heizungsnetz angeschlossen. Warum schlagen trotzdem jedes Jahr Tausende Mongolen vom Land in der Hauptstadt ihre Zelte auf?
Das traditionelle nomadische Leben in der Steppe wird immer schwieriger und droht gänzlich zu verschwinden. Lebte in den 1980er-Jahren noch ein Großteil der Bevölkerung als nomadische Hirten, ist es heute nur noch ein Viertel. Die „Dsuds“, besonders kalte Winter, kommen in kürzeren Abständen und töten viele Ziegen, Schafe und Rinder, die dann nicht genug Futter finden. Forscher gehen davon aus, dass die „Dsuds“ nun alle vier bis fünf Jahre auftreten – statt alle zehn Jahre. Gleichzeitig sorgen die zunehmenden Treibhausgase für weitere Wetterextreme, sie haben aus der mongolischen Steppe einen noch heißeren, trockeneren Ort gemacht. Die Durchschnittstemperatur ist seit 1940 um 2,2 Grad Celsius gestiegen, die Niederschläge um zehn Prozent zurückgegangen.
Es sind aber nicht allein die (möglichen) Folgen des Klimawandels, was die Landbevölkerung in die Städte treibt. In den riesigen Arealen, die einst Steppe und Zuhause der Nomaden waren, werden heute Bodenschätze wie Kohle oder Kupfer abgebaut, manche nennen die Mongolei schon das „neue Katar“. Zusätzlich lockt der Staat die neuen Bewohner seit einigen Jahren in die Hauptstadt: Jeder Familie stehen am Stadtrand bis zu 700 Quadratmeter Land zu, kostenlos. Das Gesetz durfte das Parlament verabschieden, nachdem es zugestimmt hatte, dass die mongolischen Zechen für ausländische Investoren geöffnet werden.
Weil die Bevölkerung von Ulan-Bator rasant wächst, werden Wohnblöcke gebaut. Viele wollen ihre Jurte aber gar nicht verlassen.
Jährlich ziehen bis zu 70.000 Hirten vom Land in die Hauptstadt. Neue Wohnviertel, wie „Dreamland“, werden gebaut, um mit dem Bevölkerungsboom mitzuhalten.
Junge Mongolen posieren für ein Hochzeitfoto vor einer Kublai Khan Statue.
Dyun Erdene ist einer der vielen Hirten, die in der Stadt ihr Glück suchen. Vor drei Jahren zog er her, nachdem er während harter Winter Dutzende Kamele, Ziegen und Schafe verlor.
Früher Steppe, heute Zeche: Die Tavan-Tolgoi-Mine in der Wüste Gobi hat eines der größten Koks- und Kohlevorkommen der Welt.
Locker vom Höcker: Battsetseg hilft seinem Vater, eine Kamelherde zur nächsten Futterstelle zu führen.
Mit Hab und „Ger“ nach Ulan-Bator: Eine weitere Familie lässt das Nomadendasein hinter sich.
Auch Marmandakh, 30, zog nach Ulan-Bator. Ob ihr Kind hier später zur Schule gehen kann, ist nicht sicher: Die Plätze an den Schulen sind rar.