Im nordalbanischen „Prokletije“-Gebirge, zu Deutsch den „Verwunschenen Bergen“, folgen Einzelne bis heute der Tradition der „Burrnesha“, der Schwur-Jungfrauen: Um künftig als Mann leben zu dürfen, versprechen Frauen vor den Ältesten ihrer Gemeinschaft, für immer enthaltsam zu bleiben – und werden danach offiziell als Männer angesehen. Die Frauen kleiden sich wie Männer, tragen ihre Haare wie Männer und arbeiten in Männerberufen. Sie gehen auf die Jagd, fahren Trucks, dürfen Tabak rauchen und Alkohol trinken. Sie genießen Privilegien, die in dieser patriarchalischen Gesellschaft eigentlich Männern vorbehalten sind.
Auslöser dafür, dass sich die Schwur-Jungfrauen für ein Leben als Mann entschieden, war aber nicht, dass sie sich im falschen Körper fühlten. Die Tradition entstand vielmehr aus Notlagen heraus: Starb das Oberhaupt einer Familie, musste jemand dessen Platz einnehmen. Fand sich aber kein männliches Familienmitglied, das die Sippe führen konnte, nahm stattdessen eine Frau den Platz des Patriarchen ein.
Tatsächlich entschieden sich jedoch viele Frauen aus anderen Gründen für ein Leben als Burrnesha: Den Schwur abzulegen, war zum Beispiel die einzige Möglichkeit, einer arrangierten Ehe zu entgehen, ohne die Familie des Bräutigams bloßzustellen. Auch der Wunsch, einfach so frei und unabhängig leben zu können wie ein Mann, war ein gängiges Motiv.
Geregelt wird diese gesellschaftliche Umwandlung zum Mann durch den „Kanun“, das ursprünglich ungeschriebene Gewohnheitsrecht der Albaner. Dadurch bekamen die Schwur-Jungfrauen mehr Rechte – einen Partner haben oder Mutter werden, durften sie aber nicht mehr. Das abgelegte Versprechen zu brechen, wurde früher mit dem Tod bestraft. Heute wird man zwar nicht mehr umgebracht, aber um einen wirklichen Neuanfang als Frau zu schaffen, bleibt meist keine andere Wahl als auszuwandern.
Die junge Generation Albaniens kann sich ein Leben als Schwur-Jungfrau ohnehin nicht mehr vorstellen – die Zeiten haben sich geändert. Nur noch ein paar Dutzend eingeschworene Jungfrauen leben heute im Norden Albaniens. Die Fotografin Pepa Hristova hat einige von ihnen besucht und ihre Geschichten dokumentiert.