Kinder auf Droge (Teil 1)


1980 rührte die Geschichte des achtjährigen heroinabhängigen Jimmy die Leser der »Washington Post« zu Tränen. Die junge Autorin Janet Cooke schrieb: »Seine babyweiche Haut ist von den Einstichen der Nadeln perforiert. « Jimmy erzählte der Reporterin, er passe nur in Mathe auf, er wolle mal ein großer Dealer werden und dafür müsse man rechnen können. Auch der Bürgermeister war bewegt von diesem schweren Schicksal. Er ließ die ganze Stadt nach dem Jungen durchforsten, doch keiner seiner Polizisten konnte ihn finden. Erst nachdem Janet Cooke auf Vorschlag des Starjournalisten Bob Woodward mit ihrem Text den Pulitzerpreis (die höchste Auszeichnung für amerikanische Journalisten) gewonnen hatte, kam heraus, dass Jimmy nie existierte.

Über den Wolken

Edgar Allen Poe war ein begnadeter Schriftsteller. Aber kein besonders guter Journalist. Im Jahr 1844 berichtete er in der »New York Sun« von der ersten Atlantiküberquerung im Heißluftballon. Kurz nach dem Erscheinen der Geschichte musste die Zeitung einräumen, dass Poe sich alles ausgedacht hatte. Es war nicht das erste Mal, dass die »New York Sun« mit einem Fälscher zusammengearbeitet hatte. Knapp zehn Jahre zuvor veröffentlichte sie eine Artikelserie über »behaarte Mondbewohner« mit »kupferfarbenem Haar«.  

Neues von Hitler

1983 verkaufte der Kunstmaler Konrad Kujau dem Magazin »Stern« für 9,3 Millionen Mark Adolf Hitlers geheime Tagebücher, die angeblich aus einem abgestürzten Flugzeug geborgen worden waren. Am 28.4. 1983 veröffentlichte der »Stern«, bei dem offenbar sämtliche redaktionellen Kontrollmechanismen versagt hatten, seine vermeintlich »historische Weltsensation «. Am 6. Mai entlarvte das Bundesarchiv die Fälschung und stürzte das Magazin in eine tiefe Krise

Barbaren gegen Babys

In Kriegszeiten wurden Medien schon immer mit Falschmeldungen versorgt, um Niederlagen zu Siegen und andere Länder zu Feinden zu machen. Vor dem Beginn des Zweiten Golfkriegs stand 1990 zum Beispiel eine aufgewühlte junge Kuwaiterin vor dem Menschenrechtsausschuss des USKongresses und berichtete von unfassbaren Gräueltaten. Irakische Soldaten hätten in einem kuwaitischen Krankenhaus Babys aus Brutkästen gerissen und auf dem Boden sterben lassen. Erst nach dem Einmarsch der Amerikaner kam he raus, dass der Auftritt der Frau von der PRAgentur Hill & Knowlton inszeniert worden war.

Mach mir keinen Kummer

Der berühmteste PrintFälscher des deutschen Sprachraums verdient heute sein Geld mit PaddleTennisstunden in L. A. Zumindest behauptet er das. Was nicht besonders viel heißt. Denn Tom Kummer hat Zeitungen und Magazine auch noch mit Lügengeschichten versorgt, als er schon längst aufgefl ogen war. Tom Kummer verwurstete Groschenromane zu abenteuerlichen Reportagen, seine Spezialität aber waren fi ktive Prominentengeschichten. Für das »SZMagazin « und andere Medien fabrizierte er Interviews mit Sharon Stone, Brad Pitt, Kim Basinger und vielen anderen. Courtney Love »verriet« ihm einmal: «Ich spiele mit meinen Brüsten, um so eine Art Ekel zu demonstrieren, nicht um zu protzen.«

Kröten zum Ablecken

Michael Born hatte immer den heißesten Stoff für Magazine wie »Spiegel TV« und »Stern TV« auf Lager: Menschen mit angeklebten Bärten, die Katzen jagen. Ein geheimes KuKluxKlanTreffen in der Eifel. Drogenpartys mit Kröten zum Ablecken. Die Szenen spielten Freunde und Bekannte, seine Mutter nähte die Kostüme. 1996 verurteilte ein Gericht Michael Born zu vier Jahren Haft – nicht wegen Medienfälschung, sondern unter anderem wegen Volksverhetzung und Vortäuschen einer Straftat. Der damalige SternTVChefredakteur Günther Jauch behauptete, er sei »im Grunde noch nie in einem Schneideraum gewesen« und kam ohne Verurteilung davon.

Kinder auf Droge (Teil 2)

Es war 1996, als das ARDBoulevardMagazin »Brisant« einen Beitrag über eine Gruppe von Jugendlichen ausstrahlte, die offenbar ein schwer destruktives Sozialverhalten entwickelt hatten: Statt in die Schule zu gehen, kauften sie in einem Supermarkt Bowle und betranken sich gemeinsam auf dem Berliner Alexanderplatz. Dazu hörte man den Sprecher: »Zielstrebig geht es in die nächste Kaufhalle, denn hier fi nden sie das, was sie brauchen, um die nächste Stunde zu überstehen: Alkohol.« Erst als die Eltern der Jugendlichen bei der »taz« anriefen, kam heraus, dass das Kamerateam ihnen den Alkohol besorgt und sie mit 50 Mark bestochen hatte.

Zeitgeist unterwandert

Im Jahr 2008 fiel das ARD-Zeitgeist-Magazin »Polylux« auf einen Schauspieler herein, der vorgab, mithilfe der Droge Speed abnehmen zu wollen. Ein paar Tage später tauchte im Internet ein entfernt an islamistische Bekennervideos erinnernder Clip auf, in dem vermummte Aktivisten der »Hedonistischen Internationalen« sich zu der Fälschung bekannten und verkündeten: »Erschreckend, wie einfach es ist, selbst gewählte Inhalte in Massenmedien zu platzieren und so gesellschaftliche Realität werden zu lassen.«