Es waren nur vier Worte, die jemand 2008 ins Gästebuch zu ihrer Fotoausstellung in der evangelischen St.-Michael-Kirche in Jena gekritzelt hatte. Doch sie zeigten ihr, dass ihre Fotos einen wunden Punkt berührt hatten. „Schramm, wir kriegen Dich.“ Irmela Mensah-Schramm, 66, fiel diese Drohung wieder ein, als die Polizei im November 2011 die „Zwickauer Terrorzelle“ aushob, die gute Kontakte zur Szene in Jena hatte, wo man Irmela Mensah-Schramm einst bedroht hatte. Seit 26 Jahren reist Mensah-Schramm mit Spachtel und Farbspray durch die Republik, um Nazi-Parolen zu verfremden oder zu entfernen. Jede Parole, die sie verschwinden ließ, hat sie säuberlich dokumentiert. Im Wohnzimmer ihrer Dachgeschosswohnung am Berliner Wannsee packt sie die Leitz-Ordner auf den Tisch. Es sind jetzt 54 Akten, in denen sich die Fotos der Hetzparolen zu einem deprimierenden Bild des Landes vereinen. „Neger moag i – in Afrika“, steht auf einem Sticker. Oder auch: „Ein Baum, ein Strick, ein Judengenick“.
363-mal hat sie ihre Fotos schon ausgestellt, oft in Schulen und Rathäusern. „Hass vernichtet“, lautet der Titel ihrer Ausstellung. Es ist ihr Weg, vor der rechtsextremen Gefahr zu warnen. Gelegentlich, sagt sie, komme sie dabei auch mit den Urhebern der Schmierereien ins Gespräch. „Neulich hat mir ein Aussteiger aus der rechtsextremen Szene gesagt, wenn er mich früher kennengelernt hätte, wäre ihm der Absprung leichter gefallen.“ Solche Begegnungen motivieren sie mehr als jede Auszeichnung, wovon sie schon einige bekommen und einige auch wieder zurückgegeben hat, darunter die Bundesverdienstmedaille. „Was nützen mir Orden“, sagt sie, „wenn der Staat meine Ausstellung nicht finanziell fördert?“
Ihr Kampf gegen Rechtsextremismus mit Reinigungsmitteln, Filzstiften und Teppichmesser ist längst zu ihrem Lebensinhalt geworden. Er hat die früh verrentete Heilpädagogin schon gestärkt, als sie sich Mitte der 90er-Jahre einer Krebsoperation unterziehen musste. Und er verschafft ihr Anerkennung: Inzwischen ist sie selbst von ausländischen Medien entdeckt worden. So widmete ihr die italienische Zeitung „La Repubblica“ im Januar 2011 einen langen Artikel. 2005 wäre sie um ein Haar von einem Motorradfahrer angefahren worden. Sie sagt, er sei auf sie zugerast, als sie einen NPD-Aufkleber von einem Laternenpfahl abreißen wollte. Frau Mensah-Schramm, bitte kommen: Da hat sich schon wieder einer auf der Symbolebene ausgetobt. Doch nicht nur mit Neonazis gerät sie aneinander. Als sie in der S-Bahn ein „Sieg Heil!“ mit einem Edding unkenntlich machen wollte, wurde sie von einem Kontrolleur wegen Sachbeschädigung angezeigt. Es war nicht die erste Anzeige, aber alle blieben folgenlos. Warum, hat ihr ein Polizist einmal so erklärt: „Beschädigte Sachen kann man nicht beschädigen.“
Von Skins bedroht, von Anwohnern beschimpft, von der Polizei nicht ernst genommen: Man braucht ein starkes Ego, um gegen den Strom zu schwimmen. Irmela Mensah-Schramm sagt: „Wenn ich es nicht tue, wer tut es dann?“ Damals, Ende der 70er-Jahre, war sie in der Friedens- und Umweltbewegung aktiv. Sie sagt, rechtsextreme Aufkleber abzuknibbeln sei befriedigender, als sich in eine Lichterkette gegen Ausländerfeindlichkeit einzureihen. „Man fühlt sich hinterher einfach besser.“