Manche Blogs sind mächtiger als Zeitschriften und Zeitungen

20. September 2008, Von Meredith Haaf


Im Jahr 1999 blubberte die Dotcom-Blase, Yahoo war noch eine wichtige Suchmaschine und Al Gore machte einen Fehler. In einem Fernsehinterview sagte der damalige Vize-Präsident der Vereinigten Staaten: »Ich habe bei der Erschaffung des Internets die Initiative ergriffen.« Innerhalb kürzester Zeit bahnte sich der Satz durch sämtliche Medien und wurde auf dem Weg gleichbedeutend mit: Gore behaupte, er hätte das Internet erfunden, Gore sei überheblich und wisse generell und speziell nicht, wovon er spreche. Heute gilt Gore als Hausgott des Klimaschutzes, doch »I invented the Internet« ist nach wie vor der beliebteste Running Gag, wenn es um ihn geht. Nur in den USA kann ein Streit um das Internet zum Wahlkampfthema werden.
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»Medien, die nur gierig sind, haben keine Autorität.«

21. September 2008, Von Meredith Haaf


Amerika ist die Netz-Nation Nummer eins. Mehr als 70 Prozent der Bevölkerung benutzt regelmäßig das Internet. Vor allem mit dem Aufkommen des Web 2.0 und all seinen neuen Spielplätzen – Blogs, Wikis oder Social-Networking-Seiten – sind nicht nur die Kommunikations- und Selbstdarstellungsmöglichkeiten der Bürger gewachsen, der Medienkonsum der Amerikaner selbst hat sich stark verändert. »Es besteht Anlass, sich Sorgen um die klassischen Medien zu machen«, sagt Dan Gillmor, Medienwissenschaftler aus San Francisco und Autor von »We, the Media«, einem Buch über Bürgerjournalismus. Die Betroffenen selbst sprechen von einer tiefen Krise: Sinkende Abonnentenzahlen und Einschaltquoten haben zu einem massiven Stellenabbau bei Zeitungen und Fernsehanstalten geführt. Die Amerikaner verbringen immer mehr Zeit vor dem Computer als vor der Glotze, und knapp die Hälfte aller Nutzer hält das Internet für eine ebenso sichere Informationsquelle wie alle anderen Medien – was weniger über die Qualität der Netzinhalte sagt, als über den Zustand, in den sich Presse und Fernsehen im Lauf des Jahrzehnts gebracht haben.

»Die Krise ist intellektuell und technologisch-kommerziell«, sagt Ken Layne, der die politische Klatsch-Website wonkette.com leitet. »Intellektuell gesehen haben die Menschen ihr Interesse an ernsten Nachrichten verloren, seien es internationale, nationale oder lokalpolitische Themen. In den Mainstreammedien hat sich eine Mob-Mentalität durchgesetzt, sodass jedes dämliche, sensationelle Thema verfolgt wird.« In den Fernsehprogrammen, wo Paris Hilton in den Abendnachrichten auftaucht und Moderatoren von Polit-Sendungen Outfits von Politikerinnen diskutieren, verschwimmt die Grenze zwischen Unterhaltung und Aufklärung. Vor allem der Irak-Krieg und die Tatsache, dass die »News Media«, wie die kommerziellen Informationshäuser genannt werden, sehr lange brauchten, um diesen kritisch zu beurteilen, hat bei vielen für Desillusionierung gesorgt. Gerade die Printmedien reagierten zudem erst spät auf die Anforderungen des Internet. »Informationsriesen wie CNN oder die New York Times waren schnell genug, um sich auf die neue Situation einzustellen«, sagt Layne. »Die werden die Entwicklung überleben. Aber die vielen Medienunternehmen, die nur gierig sind und nichts investieren, merken jetzt, dass sie keine treue Leserschaft haben und keine Autorität.« Zunehmend übernehmen Blogs die Funktion der Informationsstammtische. Und was früher oft eher die Sache freiwilliger Technik-Freaks oder Hobbyjournalisten war, ist mittlerweile eine ziemlich professionelle Angelegenheit. Nicht nur die politischen Seiten wie Daily Kos und Wonkette haben feste Besucher. Das Technik-Blog boingboing.net ist eine Art Markenname im Netz. Und dann gibt es noch das Gawker-Media-Netzwerk, das aus zwölf Blogs besteht. Eines der beliebtesten ist Jezebel.com, eine Art feministisches Unterhaltungsmagazin.
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»Frauenmagazine sind das Böse und eine Beleidigung weiblicher Intelligenz«

24. September 2008, Von Meredith Haaf


Gegründet wurde Gawker Media von dem Dotcom-Millionär Nick Denton und es ist eines der wenigen profitablen Medienunternehmen, die ausschließlich aus Blogs bestehen. »Denton wollte, dass wir eine »girlige« Klatschseite aufbauen«, erzählt Maureen »Moe« Tkacik. Sie war einige Zeit Redakteurin bei Jezebel und ist mittlerweile zum Mutterblog Gawker.com gewechselt. Mit ihren Kolleginnen startete sie einen Angriff auf konventionelle Frauenzeitschriften. »Diese Magazine sind das Böse, sie sind eine Beleidigung weiblicher Intelligenz«, sagt Moe, die für ihre cholerischen Textanfälle von ihren Lesern geliebt wird. Im Mai 2007 ging die Seite online und erreichte innerhalb kürzester Zeit wegen der hohen Qualität der Textbeiträge, dem sardonischen Humor der Bloggerinnen und nicht zuletzt der engagierten Community – sie nennen sich »Jezzies« – große Beliebtheit. Eine Handvoll fester Redakteurinnen und mehrere freie Mitarbeiterinnen beschäftigt Denton für die Seite. »Wir bekommen ein ganz normales Gehalt«, sagt Moe, »ich weiß aber nicht, ob die Seite mittlerweile profitabel ist. Sie soll es auf jeden Fall werden.« Ein wirtschaftlich erfolgreiches Blog zu bauen und dabei noch berühmt zu werden – dafür ist Arianna Huffington das Paradebeispiel. Die liberale Aktivistin, Millionärin und Exfrau eines Republikaners, gründete im Jahr 2005 die Huffington Post und ließ dort zunächst politisch liberale Promis wie George Clooney oder Gwyneth Paltrow ehrenamtlich bloggen. Huffingtons erklärtes Ziel war es, ein Forum für all diejenigen zu schaffen, die gegen den Irak-Krieg sind, gegen die gegenwärtige Regierung und eigentlich gegen die Republikaner im Allgemeinen.

Was anfangs als nettes Hobby einer reichen Frau belächelt wurde, ist heute eines der meistbesuchten amerikanischen Blogs und wird auf etwa 100 Millionen Dollar Wert geschätzt. »Wir sind die Zukunft der Medien«, sagt Arianna Huffington, die heute regelmäßig in politischen Fernsehrunden als Expertin sitzt. Amerikas Politiker habe längst die Konsequenzen gezogen. Für einen Präsidentschaftskandidaten ist es im Jahr 2008 genauso wichtig, einen eigenen Youtube-Kanal und ein Soziales Netzwerk zu haben, wie einen vorzeigbaren Ehepartner.

»Es hängt mir zum Hals raus, mich mit Lesern zu unterhalten«

26. September 2008, Von Meredith Haaf


»Das Internet stellt den Leuten ein Ventil für all ihre negativen Gefühle zur Verfügung«, sagt ein Medienanalyst der deutschen Botschaft in Washington. »Sie besuchen Blogs, die ihrer politischen Meinung entsprechen und holen sich dort die Informationen, die in ihrer Aufmachung ihren Erwartungen entsprechen.« Tkacik sieht das Internet als Feuchtbiotop für Extremisten, seien sie Anhänger der Demokraten oder der Republikaner: »Da bilden sich Paralleluniversen, in denen sich die Leute gegenseitig ihre Meinungen bestätigen und immer weiter hochschaukeln.« Man könnte aber auch sagen, dass sich wichtige Foren für den Austausch unter Bloggenden und Kommentierenden bilden. Dass der politische Diskurs wieder zu dem wird, was er idealerweise sein sollte – eine Diskussion unter allen Akteuren. So wie Dan Gillmor, der seit Jahren den Leitspruch »Nachrichten sind Gespräche zwischen Journalist und Publikum«, vertritt. Bleibt nur zu fragen, wie lange Konversationsbedarf besteht. Oder wie Moe von Gawker es ausdrückt: »Ich mag die Art, wie man im Netz schreiben kann. Aber ehrlich gesagt hängt es mir manchmal zum Hals raus, mich mit meinen Lesern zu unterhalten.«
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http://jezebel.com/
http://www.huffingtonpost.com/theblog/
http://www.drudgeblog.com /
http://www.talkingpointsmemo.com/
http://www.dailykos.com/