Wie jung und wie modern wird es in Peking und London zugehen? Die Entscheidungen darüber treffen alte Männer.
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat ein gewaltiges Problem: In Peking werden in zahlreichen Sportarten Medaillen vergeben, die so gut wie niemanden interessieren. Wer weiß schon, wie die beste deutsche Bogenschützin heißt? Wer kennt irgendeinen Amateurboxer, der bei Olympia startet? 15 der 28 Sportarten gehören zum über 100-jährigen olympischen Inventar. „Das sind vergreiste Sportarten“, sagt Jens Weinreich, einer der renommiertesten Sportjournalisten Deutschlands. „Und die Zuschauer vergreisen auch. Ungefähr der Hälfte der olympischen Sportarten fehlt es an Zuschauern, Nachwuchs, Sponsoren.“ Außerdem, so Weinreich, seien vor allem die Kraft- und Kampfsportarten von Korruption durchdrungen: „Die blühen im Verborgenen.“
Und so sind gerade unter Jugendlichen die TV-Einschaltquoten stark abgesackt. Das IOC muss also reagieren: „Wir sind bestrebt, das Programm der Olympischen Spiele so flexibel wie möglich zu gestalten, wir haben ein Auge auf Trendsportarten und achten auf die jüngeren Fernsehzuschauer“, heißt es dort.
Jacques Rogge, Präsident des IOC, versucht seit seinem Amtsantritt 2001, das Programm zu verjüngen. Bereits 2002 scheiterte er damit auf einer IOC-Session in Mexiko. Und 2005 kam es bei der Session in Singapur zu einem Fiasko für Rogge, als die Vollversammlung Baseball und Softball, die frischesten Mitglieder der olympischen Familie, ausscheiden ließ, und Karate, Squash, Inlineskating, Golf und Rugby gar nicht erst zuließ.
Jetzt war klar: Auch nach der von Korruptionsskandalen und Vetternwirtschaft geprägten Ära von Juan Antonio Samaranch als IOC-Präsident halten alte IOC-Mitglieder zusammen, Eindringlinge werden so gestoppt. Denn die alten Seilschaften existieren noch. 81 der aktuell 110 IOC-Mitglieder sind während der Amtsperiode von Rogges Vorgänger Mitglied geworden. Außer Baseball und Softball wurde seit 1936 (damals Polo) keine Sportart mehr ausgeschlossen. Hinter diesen Entscheidungen stehen finanzielle Interessen: Kleine Sportverbände in den jeweiligen Ländern sind von Zuschüssen des IOC abhängig, und diese Verbände sollen geschützt werden.
Als Erfolg wird die Aufnahme von BMX als Disziplin des Radsports gefeiert. Doch so einfach ist es nicht immer: Im Sommer 2007 war vermeldet worden, man habe eine weitere Einigung erzielt: 2012 in London sei auch das Skateboarden olympisch. Und dies ebenfalls unter dem Dach des Internationalen Radsportverbandes (UCI). Die Reformer im IOC hatten es mit einem Trick versucht. Wenn Skateboarden nicht als Sportart, sondern nur als Disziplin einer Sportart gilt, dann kann das Exekutivkomitee des IOC allein über die Aufnahme entscheiden, eine Abstimmung in der Vollversammlung wäre dann nicht nötig. Jacques Rogge hätte relativ leichtes Spiel gehabt.
Doch mittlerweile liegen die Pläne aus ganz anderen Gründen schon wieder auf Eis. Das IOC sagt: „Wir brauchen mehr Zeit, um zu planen.“ Schon der Bau geeigneter Sportstätten sei in der gegebenen Zeit kaum möglich gewesen. Tatsächlich? Bis 2012 soll es nicht möglich sein, ein paar Rampen zu bauen?
In Wahrheit scheiterte es an der Haltung der Skateboarder. „Olympia braucht uns mehr als wir Olympia“, sagt Nils Gebbers, Präsident des Europäischen Skateboardverbandes (ESA). Also forderten sie unter anderem: keine Trikots, keine Trainer, Wertungsrichter aus der Szene. Das Ziel war, den Charakter des Sports, der immer noch in der jugendlichen Subkultur verhaftet ist, zu bewahren. „Aber als die gemerkt haben, wir meinen es ernst mit den Forderungen, haben sie die Verhandlungen abgebrochen. Und wir sind jetzt eigentlich sehr glücklich damit.“ Die Skateboarder wissen, dass sie nur dafür sorgen sollen, die Spiele besser vermarktbar zu machen. Viele Skater wären auch gar nicht nach London gefahren. Einer der besten Deutschen zum Beispiel, Kilian Heuberger: „Für eine Veranstaltung, bei der es nur darum geht, für ein paar alte Männer Geld zu verdienen, gebe ich mich nicht her. Die interessieren sich doch gar nicht fürs Skaten.“