Es sieht aus, als hätten Designer und Hippies ein barockes Schloss besetzt. Die gestutzten Hecken sind zwar noch da, auch der Kiesweg und die schöne Fassade. Aber dann fällt schon das Transparent am Château de Millemont ins Auge: „Auf der Erde gehören wir alle zur Besatzung.“ Aha. Viele Zelte stehen im Schlossgarten, Solarplatten, Windräder, Außentoiletten aus Holz. Im Schloss strecken sich etwa 20 Designer und Bastler auf Sofas und Sitzkissen und diskutieren über das Design einer Dusche. Das ist das POC21-Camp, eine Kreativkolonie, die einen alternativen Lebensentwurf in die Tat umsetzen will.

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Auf dem POC21-Camp ist das Klima schon mal ziemlich gut. Zumindest das Arbeitsklima (Foto: Showerloop,   POC21)
(Foto: Showerloop, POC21)
„Ende des Jahres findet hier in Paris der nächste Weltklimagipfel statt“, sagt Dominik Wind von der Organisation „Open State“, die das Camp mit organisiert hat, „aber viele Leute sind frustriert von den Politikern und ihren mageren Versprechungen beim Klimaschutz. Wir bauen hier den praktischen Gegenentwurf.“ Es gehe um ein klimaverträgliches Leben, gebaut mit den eigenen Händen.

Die insgesamt etwa 100 Teilnehmer aus verschiedenen europäischen Ländern, die sich selbst „Maker“ nennen, treibt nicht etwa Naturromantik an. Vielmehr wollen sie die neuesten technischen Entwicklungen für ihre Vision nutzen. Weil sie der vielen Worte müde sind und endlich Taten sehen wollen: Überall leuchten Computerbildschirme, im Anbau steht ein 3D-Drucker und eine computergesteuerte Holzfräse. Damit wollen sie eine Art Wikipedia der Dinge entwickeln. Einen digitalen Katalog von Alltagsobjekten, die überall auf der Welt nachbaubar sein sollen. Und reparierbar, wenn mal was kaputtgeht. So sollen Transportwege reduziert, große Unternehmen umgangen und Treibhausgase erheblich reduziert werden. 14 Prozent des weltweiten Ausstoßes, so schätzte der Weltklimarat bereits 2010, gehen allein auf den Transportbereich zurück. Deshalb soll das Konzept Open Source, das sich im Bereich Software schon bewährt hat, nun auch im Bereich Hardware folgen. Die Nutzer produzieren selbst, was sie brauchen, zum Beispiel Häuser oder Möbel. Und was man selber produziert, muss nicht mehr angeliefert werden.

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Allein schon die ganzen Teilprojekte zu koordinieren und auf dem Community Board übersichtlich zu machen, ist eine stramme Bastel-Leistung (Fotos: Showerloop,   POC21)

Allein schon die ganzen Teilprojekte zu koordinieren und auf dem Community Board übersichtlich zu machen, ist eine stramme Bastel-Leistung

(Fotos: Showerloop, POC21)

Doch es gibt noch mehr Möglichkeiten, um das Klima zu schonen. Daniel Kruse von Openstate erklärt ein anderes Beispiel: „Wir haben hier die Showerloop, eine Duschkabine, die Wasser und Energie wieder benutzt, während man duscht. Und die leicht aufzubauen und zu reparieren ist. So spart man Wasser, Energie und Ressourcen. Solche Ideen gab es schon länger, und wir wollten ihnen mit diesem Camp zum Durchbruch verhelfen.“ Denn auch Open-Source-Produkte müssen marktfähig gemacht werden, damit sie jeder benutzen kann. Die guten Ideen der zwölf eingeladenen Maker-Teams brauchen noch ein gutes Design und ein funktionierendes Geschäftsmodell.

Deshalb gibt es in dem Camp auch ständig sogenannte „Pitches“, in denen Experten aus großen Unternehmen und Instituten den Erfindern helfen, ihre Ideen zu einem Produkt weiterzuentwickeln. „Nur so können wir viele Leute darauf aufmerksam machen und die Herstellungskosten senken“, sagt Daniel Kruse. Ist das nicht ziemlich utopisch, dass jeder seine Dusche selbst baut? „Bei Ikea klappt es ja auch, dass wir alle freiwillig zu Hause zusammensetzen, was Ikea uns vorgibt.“ Ein politisch korrektes Ikea? Die Zukunft kann kommen.

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Margaux werkelt am Bau des geodätischen Pavillons mit, in dem am 19. und 20. September die Ergebnisse des POC21 ausgestellt werden sollen. Was „geodätisch“ heißt, mussten wir ehrlich gesagt auch erst googlen (Fotos: Showerloop,   POC21)

Margaux werkelt am Bau des geodätischen Pavillons mit, in dem am 19. und 20. September die Ergebnisse des POC21 ausgestellt werden sollen. Was „geodätisch“ heißt, mussten wir ehrlich gesagt auch erst googlen

(Fotos: Showerloop, POC21)

Am 19. und 20. September kann das Camp nahe Paris besucht werden. Anschließend werden die Produkte im Internet veröffentlicht, und jeder kann selbst daran weiterbauen. Mehr dazu auf der Camp-Website. Und nun – vier tolle Ideen vom POC21-Camp:

Showerloop

Diese Kreislauf-Dusche aus Finnland fängt das benutzte Wasser auf, filtert es und lässt es wieder durch die Dusche laufen. Gesteuert wird das Ganze von einem kleinen Rechner, der auch die richtige Temperatur regelt. Das Ergebnis: Es wird zehn Mal weniger Wasser verbraucht.

Biceps Cultivatus

Das französische Projekt „Biceps Cultivatus“ möchte Essen wachsen lassen, wo es auch verbraucht wird: in der Küche. Softwaregesteuerte Pilzbeete filtern das Wasser für ein Fischbecken. Muttererde hält das Gemüse frisch, Würmer beseitigen den Abfall.

Velo M2

Dieses Lastenfahrrad zum Zusammenbauen kann sich in fast alles verwandeln: in ein mobiles Kino, eine fahrende Küche, ein Soundsystem oder einen Campingtransporter.

Fair Cap

Der Wasserfilter für jede Getränkeflasche, besonders interessant für Krisen- und Entwicklungsländer. Ein Plastikverschluss mit einem Kohlenstofffilter macht fast jedes Wasser genießbar. Der Entwickler lief auf dem POC21-Camp die ganze Zeit damit herum – in der Flasche: Wasser aus dem nahegelegenen Teich.

POC21 - Press Conference, Berlin, 13/07/2015 from POC21 cc on Vimeo.

Carsten Janke schreibt über Bildungsthemen und hat beim Basteln zwei linke Hände. Mit dem 3D-Drucker hat er sich immerhin schon mal einen Stift selbst gedruckt.