Es ist kalt. Der Wind pfeift unablässig über die karge Landschaft. Die wenigen Graßhalme in der Steppe krümmen sich hin und her. Der Frühling lässt noch auf sich warten, trotzdem zieht die Familie mit ihren Schafen aus dem Winterquartier im Dorf raus auf die Sommerweide.

Der chinesische Film „Fluss“ von Sonthar Gyal erzählt von dem beschwerlichen Leben in Tibet. Im Zentrum steht die fünfjährige Yangchan (Yangchan Lhamo), die von den anderen Kindern im Dorf geärgert wird. Der Grund dafür ist ihr Vater (Guru Tsedan). Der ist ein ausgemachter Griesgram, der nonstop raucht und wenn er sich nicht gerade prügelt, gerne einen trinkt. Den Rest seiner Aufmerksamkeit lässt er seinem Motorrad zukommen. Im Dorf ist er ein Außenseiter. Die Bewohner verübeln ihm, dass er sich nicht um seinen kranken Vater kümmert, einem Lama, der in einer Höhle lebt und als heiliger Mann verehrt wird.

„Fluss“ ist kein Film, der viele Worte macht. Gerade mal 19 Seiten hat das Drehbuch des 94-minütigen Films. Aber wie sollte es auch anders sein in der einsamen und monumentalen Landschaft Tibets, die der Film mit seinen beeindruckenden Bildern zeigt. Auch im Zelt der Familie von Yangchan bleibt vieles unausgesprochen. Der Vater verheimlicht der Mutter (Regzin Drolma), dass er seinen Vater nicht besucht. Auch den Grund verschweigt er ihr. Yangcham deckt ihn, ist aber zutiefst verunsichert, weil ihre Mutter schwanger ist. So entspinnt sich in diesem so stillen Film ein komplexes Geflecht aus Liebe und Zurückweisung, Eifersucht und Glauben.

Bei der Sektion Generation pflegt man ein ganz eigenes Verständnis davon, was ein Kinderfilm ist. Das ist erstmal löblich, doch bisweilen fragt man sich schon, was denn eigentlich die Kinder über solche Filme denken. Wenn in einer Szene etwa ein weit entfernter Traktor vom rechten bis zum linken Bildrand fährt, mag das für den großstadtgeplagten, social-media-gestressten Erwachsenen kontemplativ sein, für Kinder möglicherweise aber ziemlich langweilig.

Regisseur Sonthar Gyal, der sich bei der Fragerunde nach der Premiere im Zoopalast als heiterer und wortgewandter Philosoph entpuppte, hat da eine ganz eigene Sicht der Dinge. Ihn würde es freuen, sagte er auf die Frage, ob „Fluss“ denn nun ein Kinderfilm sei, wenn durch seinen Film die Erwachsenen die Gefühle der Kinder besser verstehen lernen würden.

Fluss, China 2015, Regie und Buch: Sonthar Gyal, Kamera: Wang Meng, Schnitt: Kong Jinglei, Musik: Dukar Tserang, mit: Yangchan Lhamo, Regzin Drolma, Guru Tsedan

Felix Denk, Redakteur bei Fluter.de, träumt davon, einmal nach China zu reisen – vor allem wegen des Essens. Die Yakmilch, die die Tibetaner in dem Film trinken, würde er aber nur notfalls probieren.