„Niemand fasst meinen kleinen Bruder an!“ – „Dann soll dein Bruder nicht meine Schwester anfassen!“ Es klingt derb, wenn Ronnie und Ayoub sich streiten. Und erstaunlich bekannt. Es sind Konflikte, mit denen wohl jeder einmal zu kämpfen hatte, die dem jungen Ayoub und seinen Freunden zu schaffen machen.
Eine sehr realitätsnahe Geschichte ist es, die der niederländische Regisseur Sam de Jong in seinem neuesten Film „Prins“ spannend erzählt. Ayoub lebt zusammen mit seiner Schwester und seiner alleinerziehenden Mutter irgendwo in der Vorstadt. Wenn Ayoub und seine Freunde nicht gerade Kürbiskerne kauen und über Mädchen fachsimpeln, jagen sie Mülleimer in die Luft. Doch es gibt auch eine dunkle Seite. Ayoubs Vater ist drogensüchtig und lebt auf der Straße.
Abseits dieser harten Realität träumt Ayoub, so wie alle seine Freunde, später einmal einen „Lambo“ zu besitzen, einen Lamborghini, und mit wunderschönen Mädchen durch die Gegend zu fahren.
Wunderschöne Mädchen, wie die süße blonde Laura. Das Mädchen, in das sich Ayoub Hals über Kopf verliebt hat. Doch wie das bei diesen Mädchen so ist, trifft sie sich bereits mit einem anderen. Und zwar ausgerechnet mit einem älteren Rowdy, der zusammen mit zwei anderen Handlangern Ayoubs Gegend unsicher macht.
Für diese Bande übernehmen Ayoub und seine Freunde kleine, schmutzige Jobs. Allerdings ist die Bezahlung schlecht. Als Ayoub Stress mit ihnen bekommt, wendet er sich an den Gangsterboss Kalpa, um für ihn zu arbeiten.
In diesem Moment verlässt der Film das bisherige Gangstergenre und geht in eine Märchenerzählung über. Ayoub reitet auf einem Pferd mit einer Krone auf dem Kopf durch die Vorstadtstraßen. Um ihn herum nehmen unterdessen die Probleme zu. Die Drogenproblemen seines Vaters eskalieren, und als seine Schwester Demi dann auch noch etwas mit seinem besten Freund Franky zu haben scheint, verliert Ayoub endgültig die Kontrolle – und alles scheint im Chaos zu versinken.
Diese extremen Emotionen werden eindrucksvoll durch musikalische und visuelle Effekte wie verschwimmende Bilder oder flackernder Lichter dargestellt und erzeugen gekonnt eine düstere Atmosphäre. „Prins“ lässt den Zuschauer sehr gut nachempfinden, welche Gefühle Ayoub durchlebt
Die ungewöhnliche Mischung aus Gangsterfilm und modernem Märchen kommt durchaus authentisch rüber und macht auf viele Probleme in der heutigen Jugend aufmerksam. Sie lässt aber trotzdem noch Platz für einige Lacher und kommt mit mancher Überraschung um die Ecke.
„Prins“, Ned 2015, Regie und Buch: Sam de Jong, Kamera: Paul Özgür, Schnitt: Mieneke Kramer, mit: Ayoub Elasri, Jorik Scholten, Achraf Meziani, Oussama Addi, Elsie De Brauw, Sigrid Ten Napel, Olivia Lonsdale
Michael Mainoo, 19 Jahre, und Michael Reinhard, 18 Jahre, sind Teil des fluter.de-Reporterteams, das während der Berlinale über die Sektion Generation berichtet.