Vivien Costanzo, 27, ist SPD-Mitglied. Sie kommt aus Bickenbach (Südhessen) und studiert in Freiburg Jura
Am Anfang waren da die Schließfächer. Wir haben uns dafür eingesetzt, an unserer Schule bei Darmstadt welche einzuführen – und das haben wir auch geschafft! Da war ich 13 Jahre alt und in der Schülervertretung aktiv. Später bin ich in den Kreisschülerrat gegangen und habe dort Schulpolitik gemacht: Wir konnten zum Beispiel ganz konkret die Pläne für eine Schulsanierung mitgestalten. Das war zu der Zeit, in der Schwarz-Gelb in Hessen Studiengebühren eingeführt hat. Als ich dann mit 16 überlegt habe, welche Partei mich am meisten interessiert, waren CDU und FDP natürlich nicht dabei. Am Ende war es das Thema Gerechtigkeit, das mich zur SPD gebracht hat. Aufstieg durch Bildung! Mit den Jusos habe ich eine Bildungsreise nach Berlin gemacht – und ein halbes Jahr später den Parteieintritt gewagt.
„Am Ende war es das Thema Gerechtigkeit, das mich zur SPD gebracht hat“
Dass Darmstadt-Dieburg eine SPD-Hochburg ist, hat natürlich auch eine Rolle gespielt. Die Partei hat in der Geschichte des Kreistags nur ein Mal nicht den Landrat gestellt. Ich kannte die SPD durch meine Arbeit im Kreisschülerrat also schon gut und habe gemerkt, dass unser Wort dort immer viel gezählt hat und wir mitdiskutieren durften.
2007 habe ich direkt beim Wahlkampf mitgemacht. Das Duell damals: Andrea Ypsilanti von der SPD gegen Roland Koch von der CDU. Ich fand Ypsilanti damals nicht so cool, aber habe dann doch meine Jacke angezogen und Wahlkampf für sie gemacht; du kannst nicht immer alles toll finden in einer Partei. Trotzdem denke ich, dass man sich immer wieder fragen sollte, ob das noch das Richtige für einen ist. Am Anfang plappert man viel nach und ist auch einfach zu jung, um alles zu verstehen. Ich kenne Leute, die sind von der Linkspartei zur CDU gewechselt. Bei mir gab es aber nie große Zweifel.
„Das war eine wichtige Erfahrung: zu lernen, Kompromisse zu schließen“
Warum ich mich ausgerechnet in einer Partei engagiere und nicht zum Beispiel in einer NGO? Weil ich dort quasi direkt „an der Quelle“ etwas verändern kann. Vor dem Studium war ich in meinem Heimatort in der Gemeindevertretung aktiv. Das war unheimlich lehrreich; man wird da ein bisschen auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.
Das Erste, was ich dort machen musste, war, die Kita-Gebühren zu erhöhen! Das passte so gar nicht mit meinem Juso-Herz zusammen, das doch kostenfreie Bildung für alle wollte. Und nun musste ich mit dafür stimmen, dass die Gebühren erhöht werden, weil sie zwölf Jahre lang nicht erhöht worden waren und wir die Finanzen nicht in den Griff bekommen konnten. Schließlich haben wir überlegt, wie man die Gebühren möglichst gerecht erhöhen kann. Das war eine wichtige Erfahrung: zu lernen, Kompromisse zu schließen.
Ich engagiere mich auch international, und zwar im Kontext des Israel-Palästina-Konflikts. Die Jusos haben in Jerusalem das Willy-Brandt-Zentrum, wo wir unter anderem Kontakte zwischen israelischen und palästinensischen Jugendlichen herstellen. Wir organisieren auch Reisen nach Deutschland, um einen geschützten Raum für Austausch zu schaffen – und umgekehrt gibt es Fahrten nach Israel und Palästina. Ich leite diese Austauschprojekte für Hessen-Süd. Da bin ich selbst über eine solche Reise dazu gekommen. Die Leute fahren dorthin und denken, sie hätten eine Ahnung von dem Konflikt. Und dann merken sie, dass es doch völlig anders ist als gedacht. Und diese Erfahrungen beeinflussen zu Hause ihre politische Arbeit. Ich möchte nicht nur Anträge schreiben, sondern auch konkret etwas verändern. Oft sind das ganz kleine Schritte – aber auch die verändern etwas.
„Mal ehrlich: Opposition würde uns auch mal ganz guttun“
Für mich ist es wichtig, immer einen Bezug nach außen zu haben, denn in einer Partei lebt man ja schon in einer Blase. Viele werden zum Beispiel innerhalb der Partei gefördert, als Mitarbeiter für Abgeordnete zum Beispiel.
Da arbeite ich lieber im Präsenzdienst in einem betreuten Wohnen für psychisch kranke Menschen in Freiburg. Wichtig finde ich: in Jobs reingucken, zu denen man als Student oder Studentin vielleicht nicht so viel Bezug hat.
Jetzt aber kommt die Bundestagswahl, und da geht es mir vor allem darum, unseren Direktkandidaten vor Ort zu unterstützen. Viele reden die SPD ja schon tot und sagen, dass es nur Merkel geben kann. Aber ich glaube, die Wahl ist noch nicht ganz verloren. Sicher wird sich die Ausrichtung der Partei nach der Bundestagswahl verändern. Und mal ehrlich: Opposition würde uns auch mal ganz guttun.
Weil 42 Protokolle – so viele Parteien nehmen an der Bundestagswahl teil – ein bisschen viel wären, haben wir uns auf jene sieben Parteien beschränkt, die laut Umfragen eine realistische Chance auf den Einzug in den Bundestag haben.
Illustration: Daavid Mörtl