fluter: Herzlichen Glückwunsch, Frau Förderer.
Jacqueline Förderer: Wozu?
Sie sind eine von 90 Frauen in Baden-Württemberger Rathäusern. Rund 1.000 Kommunen in Ihrem Bundesland steht ein Mann vor. Macht der Hashtag MeToo eigentlich auch in Schrozberg seine Runde?
Ich könnte zumindest viele #MeToo-Geschichten erzählen – auch in meinem Amt als junge Bürgermeisterin. Die Kommunalpolitik ist in der Tat eine Männerdomäne. Dass ich gewählt wurde, hatte vor allem mit meinen Mitbewerbern zu tun. Die hatten sehr viel weniger Erfahrung mit der Verwaltung.
Muss man für Ihren Job mit den Menschen vor Ort ver- bunden sein?
Nein, das ist ein Trugschluss. Es gibt sogar Studien, in denen vom Malus der Einheimischen gesprochen wird. Weil familiäre Verstrickungen vermutet werden und weil man die guten und schlechten Eigenschaften der Bewerber schon kennt. Der Außenstehende wird bevorzugt, weil man sagt: „Da kommt jemand Neutrales, der frischen Wind in die Gemeinde bringt.“ Davon habe auch ich profitiert.
Ihre Kommune wird in den nächsten 20 Jahren knapp sieben Prozent ihrer rund 5.600 Einwohner verlieren. Was machen Sie dagegen?
Wie ein Unternehmen versuchen wir ein Alleinstellungsmerkmal zu haben. Wir wollen im Breitbandausbau möglichst weit vorn sein. Als eine von wenigen Gemeinden deutschlandweit lassen wir jedes Haus mit Glasfaser versorgen. Wir müssen auf einer Fläche so groß wie Paris Kabel verlegen. Zehn Millionen Euro wird das die Gemeinde kosten.
Gibt es auch mal Streit mit den Ortsvorstehern der Teilgemeinden, die in Ihrer Kommune liegen?
Streit würde ich es nicht nennen, aber klar, die Ortsvorsteher haben ihre eigene Meinung und versuchen, das Beste für den eigenen Ort rauszuholen. Aber der Gemeinderat, in dem ich eine von 24 Stimmen habe, hat das letzte Wort. Beim Breitbandausbau waren wir uns alle einig.
Und bei welchen Themen gibt es Zoff?
Ob in dem Dorf ein Gemeinschaftshaus gebaut oder der Feldweg zur Kreisstraße wird. Oder ob das Freibad saniert wird. Ein Freibad ist natürlich eine sehr emotionale Angelegenheit, weil viele dort schwimmen gelernt und ihre Sommer verbracht haben. Der Gemeinderat hatte beschlossen, das Freibad zuzumachen. Einem Bad muss man immer viel Geld zuschießen, es ist nie kostendeckend. Zumindest nicht mit sozial verträglichen Eintrittspreisen. Die Schrozberger haben dann einen Bürgerentscheid durchgeführt. 54 Prozent haben für das Bad gestimmt. Somit musste der Gemeinderat die Sanierung angehen.
Ist die Demokratie unmittelbarer zu erfahren in kleinen, ländlich geprägten Kommunen?
Ja, die Leute sind mit ihrem Wohnort verbundener und engagieren sich stärker. Gleichzeitig interessieren sich die jüngeren Leute immer weniger für Politik und haben den Eindruck, dass sie nichts bewegen können und nicht gehört werden. Viele sagen: „Hauptsache, mir selber geht’s gut.“ Das ist schade, denn gerade im kommunalen Bereich kann man sehr viel erreichen, wenn man sich engagiert