Für Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit kämpften sie – und gewannen. Erst mal. Die Französische Revolution hat viele Opfer gefordert und brachte entscheidende Veränderungen in Frankreich und Europa. Das können wir mit 230 Jahren Abstand entspannt feststellen. Aber wie hart das Leben auch unmittelbar nach dem Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789 (heute französischer Nationalfeiertag) war, zeigt das Game „We. The Revolution“. Es inszeniert die Herausforderung als eine chaotische Folge aus Menüs und Texttafeln. Jeder falsche Klick kann tödlich enden.
Der Spielcharakter: ein Richter mit Alkoholproblem und ohne Ambition
Der Held von „We. The Revolution“ ist schon vor Spielbeginn ein gebrochener Charakter. Alexis Fidèle trinkt und spielt zu viel, seine Ehefrau verliert die Geduld, die Söhne haben sich entfremdet. Und Fidèle hat keinen leichten Job: Er ist Richter während der Französischen Revolution. Vor ihm werden Diebe und Betrüger erscheinen – und schließlich Ludwig XVI. und Marie Antoinette. Fidèle ist unambitioniert, muss aber zu einem immer wichtigeren Rädchen im Getriebe werden, um nicht selbst zermalmt zu werden. Erklärt wird die Revolution dabei übrigens nicht. Wer am Leben bleiben will, sollte im Zweifelsfall selber googeln, was die Girondisten wollten oder auf wessen Seite Jean Paul Marat stand.
Das ist die Startaufstellung eines Abenteuer- und Strategiespiels, das gänzlich aus starken Illustrationen, trockenen Texten und schweren Entscheidungen besteht. Vom Richterpult herab blickt man als Spieler auf Angeklagte, Jury, Publikum und einen öffentlichen Ankläger und muss Urteile fällen. Die sollen sachlich halbwegs tragbar sein, ohne es sich mit den Anwesenden, dem gemeinen Volk, mit Revolutionären und Adligen zu verscherzen. Die Aufgabe ist schwierig. Wer hier stur versucht, sich als unparteiische Instanz aufzuspielen, der lebt nicht lange.
Sein Ziel: richten, ohne selbst gerichtet zu werden
Da landet beispielsweise ein selbst erklärter Revolutionär im Gerichtssaal, der bei einem Adligen eingebrochen ist, ihn verprügelt und bestohlen hat. Dass er sich persönlich bereichert, findet er gerechtfertigt, er sei ja auch ausgebeutet worden. Das Publikum rechnet mit einem Freispruch – schließlich hat sich der Angeklagte beim heldenhaften Sturm auf die Bastille einen Namen gemacht. Wer den Einbrecher einbuchtet, wird von Revolutionären und dem Volk gehasst. Wer ihn freispricht, gilt als schlechter Richter und verscherzt es sich mit der Jury. So wird aus der Rechtsprechung ein elendes Lavieren, bei dem Fakten und Fraktionen irgendwie unter einen Hut gebracht werden müssen. Wen man heute verprellt, dem tut man morgen besser einen Gefallen.
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Der Gerichtssaal ist nur ein Teil des Spiels. Immer wieder steht der Richter auch abseits des Gerichtssaals vor unglücklichen Multiple-Choice-Entscheidungen. Alles ist politisch, auch die abendliche Freizeitgestaltung: auf den nächsten Fall vorbereiten, Intrigen schmieden oder Zeit mit den Lieben verbringen? Und mit welchen genau? Nach der ersten überlebten Woche wird die Lage noch brenzliger, und Fidèle muss in einer Art Brettspiel seinen Einfluss als Richter über Paris ausbauen.
Das alles passiert ohne Zeitdruck. Minispiele und Multiple-Choice-Entscheidungen verdichten sich zu einer bewegten Erzählung. Spaß macht das Ganze nur soweit, wie ein verfahrener Politthriller eben Spaß machen kann: Es ist guter, purer Stress. Am schönsten ist das Gefühl, ein paar Spieltage zu überleben und befreit vom Rechner aufzuschauen: noch mal davongekommen.