Es gibt viele Beispiele von Flüchtlingen, die in Deutschland gut angekommen sind – weil sie Möglichkeiten gefunden haben, aktiv zu werden. Zum Teil im Rahmen von Initiativen, die ihnen Wege aus der Untätigkeit angeboten haben, zu der sie das offizielle Aufnahmeverfahren verdammt. In dieser Serie berichtet jede Woche ein Flüchtling über seine Erfahrungen.
Mein Name ist Addis Mulugeta, ich bin 31 Jahre alt und Chefredakteur von „Heimfocus“, einem Magazin von und für Flüchtlinge. Ich habe das Heft 2010 initiiert, nachdem ich mehrere Monate in der mittelfränkischen Erstaufnahmestelle in Zirndorf gelebt habe. Ich wollte meine Erfahrungen als Flüchtling anderen Leuten mitteilen und Flüchtlingen eine Stimme geben. Denn Themen rund um uns waren 2010 stark unterrepräsentiert. Viele Menschen haben etwas auf der Flucht erlebt, das erzählt werden sollte. Zudem wollte ich sie mobilisieren, selbst aktiv zu werden, ihre Meinung kundzutun und nicht nur andere um Hilfe zu bitten.
Ich dachte mir also: Okay, ich konzipiere ein Magazin, um eine Brücke zu bauen. Eva Peteler half mir dabei. Die Auflage von „Heimfocus“ liegt derzeit bei 2.500 Stück. Das Magazin ist kostenlos und ehrenamtlich organisiert. Wir leben von Spenden der Kirche und von Unternehmen. Zu Beginn war das Heft von Flüchtlingen für Flüchtlinge. Inzwischen gibt es immer mehr Deutsche, die uns lesen oder für uns schreiben.
Derzeit lebe ich in Würzburg. Vor einem Jahr habe ich meinen Master in BWL abgeschlossen. Im letzten Jahr habe ich als Trainee im Marketingbereich gearbeitet. Momentan suche ich nach einer festen Stelle.
In Äthiopien habe ich als Journalist gearbeitet und viele regimekritische Artikel geschrieben. Ich war deswegen auch mehrmals im Gefängnis. Mein Asylantrag in Deutschland wurde abgelehnt. Erst nach einem Gerichtsverfahren erhielt ich eine befristete Aufenthaltsgenehmigung bis August 2015. Im August wird sich zeigen, ob die Aufenthaltsgenehmigung in eine unbefristete übergeht oder ob ich zurückgeschickt werde, sofern sich die Lage in meinem Heimatland verbessert haben sollte.
Bei „Heimfocus“ waren wir zu Beginn sechs bis zwölf Redakteure aus verschiedenen Ländern, die das Magazin gemeinsam gestemmt haben. Derzeit sind wir nur zu dritt. Eva Peteler, ein Layouter aus dem Iran und ich – eine Miniredaktion, nicht so wie beim „Spiegel“. Wir suchen also dringend neue Redakteure und Autoren. Wer Lust hat, kann sich unter contact@heimfocus.net melden.
Addis Mulugeta ist für sein Engagement in der Völkerverständigung mit dem Würzburger Friedenspreis ausgezeichnet worden.
Caroline von Eichhorn ist freie Journalistin, Autorin und Gestalterin in München. Sie arbeitet unter anderem für den Bayerischen Rundfunk, die Süddeutsche Zeitung und das Bayerische Jugendfilmfestival Jufinale – und sie hat beim fluter.de-Workshop für Jugendliche auf der Berlinale mitgewirkt.