Wenn jemand mit der 88 auf dem Autokennzeichen durch die Gegend fährt, kann einem das schon mal verdächtig vorkommen. Zufall? In der Neonazi-Szene ist 88 ein beliebter Code, der für HH, „Heil Hitler“, steht (weil H der achte Buchstabe im Alphabet ist). Manche Kombinationen auf dem Nummernschild sind deswegen – weil sie als Nazi-Codes verstanden werden könnten – in Deutschland untersagt. Politik wird auch mit Symbolen gemacht, mit offenen oder geheimen, quer durchs Spektrum, ob radikal oder gemäßigt. Und manchmal ist schwer zu sagen, welche Symbole problematisch sind und welche nicht. Und es kommt auf den Kontext an: Es ist ja bereits ein großer Unterschied, ob jemand die Deutschlandflagge als Fußballfan im Stadion schwenkt oder bei einem Aufmarsch von Neonazis. Kompliziert? Es wird noch komplizierter: Denn Zuwanderer bringen wiederum ihre eigenen Symbole mit – die einfach für ihre Heimat stehen können oder den Wunsch nach Frieden und Demokratie, aber auch für Terror oder einen Extremismus, der hierzulande kaum bekannt ist. Wir betrachten einige der Zeichen, die durch Migranten manchmal auch auf deutschen Demos und Hauswänden anzutreffen sind.

Roter Streifen, grüne Sterne – oder umgekehrt? Die syrische Flagge

Als syrische Flüchtlinge vor gut einem Jahr zum Beispiel in Jena auf die Straße gingen, um gegen die Belagerung der Stadt Madaya bei Damaskus zu demonstrieren, hielten sie die Flagge ihrer Heimat hoch. Man musste schon sehr genau hinsehen, um festzustellen, dass sich die Fahnen der Flüchtlinge von der offiziellen Staatsflagge unterschieden: Die Farben Rot und Grün waren vertauscht. In der offiziellen Staatsflagge Syriens ist der obere Streifen rot, die zwei Sterne in der Mitte sind grün. Bei der Flagge vieler Flüchtlinge ist es umgekehrt, und auf der Flagge findet sich ein Stern mehr. Warum?

Als der Krieg ausbrach, hat die Opposition eine ältere Version der Landesflagge mit dem grünen Streifen und den roten Sternen zu ihrem Symbol erklärt. Die Fahne, unter der die sogenannte Freie Syrische Armee nun gegen Machthaber Baschar al-Assad kämpft, war die erste Nationalflagge des unabhängigen Syriens und galt mit Unterbrechung bis 1963 – bis zum Staatsstreich der Baath-Partei, der auch Assad angehört.

Die grüne Kalaschnikow: das Logo der Hisbollah

Jedes Jahr am letzten Freitag des Fastenmonats Ramadan gehen weltweit Islamisten auf die Straße, um für ihre Solidarität mit den Palästinensern und gegen Israel zu demonstrieren. Den Al-Quds-Tag hatte Ayatollah Khomeini 1979 nach der islamischen Revolution im Iran ausgerufen, seither finden die antisemitischen Kundgebungen statt, oft im Hintergrund mitinitiiert vom iranischen Regime. Al-Quds ist der arabische Name für Jerusalem, die Hauptstadt Israels, auf die auch die Palästinenser Anspruch erheben. Die Demos sind offene Vernichtungsdrohungen gegen Israel, und oft begegnet man dort einem ebenso martialischen Symbol: einer grünen Faust, die eine Kalaschnikow in die Höhe hält. Die Gesellschaft hinter dem Logo ist die militante schiitische Organisation Hisbollah, die Israel mit Anschlägen bekämpft und eng mit der schiitischen Theokratie im Iran verbandelt ist. Im vergangenen Jahr hatte der Berliner Senat übrigens sämtliche Hisbollah-Symbole bei der Al-Quds-Demo verboten. Marschieren durften die Israel-Feinde sehr zur Sorge der jüdischen Gemeinde aber dennoch.

Ein verdächtiges U: das kroatische Hakenkreuz

Deutsche Neonazis schmieren Hakenkreuze an die Wände, kroatische zeichnen ein U mit einem Kreuz. Das Symbol erinnert an den Ustaša-Geheimbund, eine Bewegung kroatischer Nationalisten, die während des Zweiten Weltkriegs an die Macht gelangten und den Deutschen bis Kriegsende ein treuer Verbündeter blieben. Die Ustaša herrschten totalitär, töteten politische Gegner und erließen nach deutschem Vorbild Rassengesetze insbesondere gegen die serbische Minderheit im Land. Als in den 90er-Jahren der Vielvölkerstaat Jugoslawien zerfiel, erlebte die Ustaša-Symbolik eine zweifelhafte Renaissance. Im jungen, wieder unabhängig gewordenen Kroatien verklärten Politiker die faschistische Ustaša-Bewegung als Vorkämpfer für das Selbstbestimmungsrecht ihres Volkes – und sahen über deren Gräueltaten oft großzügig hinweg. Für viele Serben war das eine offene Provokation. Das U ist übrigens eine stark vereinfachte Form des ursprünglichen Symbols: Das beinhaltete statt eines einfachen Kreuzes eine brennende Granate – was zeigt, dass man vor Gewalt nicht zurückschreckte.

Drei Sichelmonde und Wolfsgruß: die Codes türkischer Rechtsextremisten

Der Sichelmond ist bekannt von der türkischen Flagge. Taucht er aber im Dreierpack auf, sollte man aufmerken: Dies ist ein Code türkischer Ultranationalisten. Seinen Ursprung dürfte der dreifache Sichelmond im Osmanischen Reich haben, aus dem die heutige Türkei hervorgegangen ist. Dort zierten die Monde eine Kriegsflagge und standen symbolisch für die drei Kontinente Asien, Afrika und Europa, auf die die Osmanen vorgedrungen waren und wo sie den Islam verbreiteten. Die türkischen Rechten sind auch als „Graue Wölfe“ bekannt. Der Wolf spielt in der Mythologie der Region eine wichtige Rolle, er soll die Türken in die Welt geführt haben. Jetzt ist er vor allem ein Zeichen der Extremisten, zum Beispiel im „Wolfsgruß“, bei dem die Hand zu einem Wolfskopf geformt wird. Mit ihm geben sich die Ultranationalisten zu erkennen – oder sie provozieren damit Kurden, die einen eigenen Staat anstreben. Immer wieder kommt es auch in Deutschland zu Gewalt zwischen türkischen Rechtsextremen und Kurden. Verfassungsschützer gehen von mehreren tausend Anhängern der „Grauen Wölfe“ in Deutschland aus. Ihr wichtigster Verein ist die „Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V.“ mit mehreren tausend Mitgliedern. Der Verein präsentiert sich als Wohltäter, organisiert zum Beispiel Kultur- und Sportveranstaltungen für türkische Jugendliche oder betreibt Gebetsräume. Das Logo wirkt auf den ersten Blick unverfänglich: Es zeigt in einer Ellipse eine rote Moschee mit zwei Minaretten und einen weißen Halbmond vor hellblauem Grund. 

Das serbische Kreuz: Patriotisch oder schon nationalistisch?

In serbischen Communitys ist es ein beliebtes Tattoo-Motiv: das Kreuz mit dem Buchstaben C in den vier Winkeln. Manchmal baumelt es als Anhänger an einer Kette oder findet sich als Gravur in einem Ring. Das vierfache kyrillische C (das dem lateinischen S entspricht) soll dabei den serbischen Wahlspruch abkürzen: „Samo sloga Srbina spasava“. Zu Deutsch: „Nur Eintracht rettet den Serben“. Ursprünglich sollte der Kringel in den Kreuzecken aber keinen Buchstaben darstellen, sondern ein Feuereisen, ein gebogenes Metallstück, das man vor der Erfindung des Streichholzes gegen Steine schlug, um Funken zu erzeugen. Das Kreuz findet sich auf der serbischen Landesflagge – hat also einen durchaus offiziellen Charakter. Zum Teil wird es aber auch als nationalistisches Symbol verstanden. Vor allem Angehörige anderer Volksgruppen Ex-Jugoslawiens sehen das Kreuz seit den Balkankriegen als großserbisches Machtsymbol.

pkk

PKK

Roter Stern auf gelbem Grund: die Symbole der kurdischen Arbeiterpartei PKK

Etwa 14.000 Anhänger soll die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK in Deutschland haben; ihren Kampf für kulturelle Autonomie und lokale Selbstverwaltung in der Osttürkei und den angrenzenden Staaten finanziert sie auch mit Spenden aus Deutschland. Das System PKK ist ziemlich unübersichtlich, immer wieder hat sie sich umbenannt, dazu kommen diverse Neben- und Splittergruppen. Entsprechend unübersichtlich ist ihre Symbolsprache. Das aktuell am häufigsten zu sehende Emblem ist der rote fünfzackige Stern auf gelbem Grund im grünen Kreis. Die PKK hat jahrelang einen Guerillakrieg gegen den türkischen Staat geführt, bei dem Tausende Unschuldige starben. Zwischenzeitlich war es relativ ruhig um die PKK, sie schien der Gewalt abzuschwören, was ihr freilich nicht jeder glaubte. Inzwischen dürfte aber klar sein, dass es mit dem Frieden vorbei ist: Unter dem zunehmend autoritär regierenden türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, der auch die Kurden im eigenen Land bekämpft und militärische Angriffe mit vielen Opfern zu verantworten hat, verübt die Untergrundbewegung wieder vermehrt Gewaltakte. Zuletzt bekannte sich eine PKK-Splittergruppe zum Doppelanschlag in Istanbul, bei dem im Dezember 38 Menschen starben. Nicht zu verwechseln ist die Flagge der PKK mit der Kurdistans, die rot-weiß-grün gestreift ist und eine Sonne in der Mitte zeigt.

Der erhobene Zeigefinger: Ein IS-Gruß oder nur vom IS missbraucht?

Einen besonders perfiden Gesten-Import meint die Boulevardpresse entdeckt zu haben: den erhobenen Zeigefinger, den die „Bild“-Zeitung kurzerhand zum „IS-Gruß“ erklärte. Andere Medien sprachen von einer Art Hitlergruß der Dschihadisten. Tatsächlich sieht man Terroristen des sogenannten Islamischen Staates auf Bildern häufig den Zeigefinger in die Höhe strecken. Auch auf Salafisten-Demos in Deutschland begegnet einem diese Geste. Allerdings: Dieselbe Geste kann man auch bei ganz normalen Muslimen beim Gebet beobachten. Der erhobene Finger symbolisiert das islamische Glaubensbekenntnis, wonach es nur einen Gott gibt. Terroristen, die sich bei ihrem Töten auf den Islam berufen, haben die Geste lediglich übernommen beziehungsweise missbraucht. 

Bist du Deutscher oder Türke? Beides. Die Deutürk-Fahne

Viele Symbole dienen der Abgrenzung. Aber manchmal verschmelzen sie auch und können so zu einem Zeichen der Integration werden. So wie bei der „Deutürk-Flagge“, die den türkischen Halbmond samt Stern ins deutsche Schwarz-Rot-Gold brachte. Erfunden haben soll die Fahne ein türkischstämmiger Friseur aus Hamburg zur Fußball-WM 2006. So konnten Fans der deutschen Mannschaft zujubeln und gleichzeitig ihre Verbundenheit mit der Türkei bezeugen. Besonders praktisch ist das, wenn beide Länder einmal gegeneinander spielen (was bei der WM 2006 nicht vorkam).

Titelbild und GIFs: Raúl Soria