Vor etwa sechs Jahren suchte mein Bruder in Stuttgart nach einer Wohnung. Im Stuttgarter Westen führte ein Vermieter ihn durch eine Wohnung, in der zu diesem Zeitpunkt noch eine indische Familie wohnte. Die Räume waren ungepflegt und chaotisch. Als der Vermieter die Unordnung sah, drehte er sich zu meinem Bruder um und sagte: „Wir wollen euch ja! Aber sauber!“
Wir haben einen ägyptischen Vater und eine deutsche Mutter und sind beide in Deutschland geboren. Wen meinte der Vermieter mit „euch“? Und was hatte dieses „euch“ mit Sauberkeit zu tun? Als ich letztes Jahr in Berlin nach einer neuen Wohnung suchte, verstand ich, wen der Vermieter sich damals unter „euch“ vorgestellt hatte.
Ein arabisch klingender Nachname verringert die Chance, zu Wohnungsbesichtigungen eingeladen zu werden, um 27 Prozent
Ich bin in Nürnberg geboren und habe in einer fränkischen Kleinstadt das Gymnasium besucht. Obwohl ich den ägyptischen Nachnamen El-Hitami trage, habe ich mich noch nie ernsthaft diskriminiert gefühlt. Dass sich kaum jemand die Mühe macht, meinen Nachnamen korrekt zu schreiben oder auszusprechen, berührt mich nicht sonderlich. Und Fragen über meine angenommene Herkunft oder Religion habe ich meistens als ehrliches Interesse empfunden. Ich bin noch nie auf die Idee gekommen, mich in Deutschland als Ausländerin wahrzunehmen. Das änderte sich bei der Wohnungssuche nun zum ersten Mal.
Mein Freund, deutscher Nachname, und ich suchten gemeinsam nach einer Wohnung. Anfangs habe ich es schon noch unter meinem eigenen Namen versucht. Für mich war völlig klar, dass ich Deutsche bin, und ich dachte insgeheim, dass die von der Hausverwaltung das merken müssten. Meine Anschreiben waren ja fehlerfrei formuliert. „Ich bin doch gar keine ‚richtige‘ Ausländerin“, dachte ich. Aber so funktioniert Rassismus nun mal nicht, er tickt ganz einfach und platt. Hätten in der Wohnung des Vermieters in Stuttgart unordentliche Deutsche gewohnt, hätte er sie als Chaoten wahrgenommen. Unordentliche Inder nahm er hingegen als Inder wahr und schlussfolgerte, dass alle Ausländer schmutzig seien.
Auch wenn ich am Anfang so naiv war zu glauben, dass man Vorurteile ganz einfach durch ein korrektes Anschreiben aus dem Weg räumen könnte, merkte ich bald, dass mein Freund deutlich mehr Rückmeldungen von Maklern bekam als ich. Und eigentlich ahnte ich, wie es ist: 2017 fanden „Spiegel Online“ und „BR Data“ in dem groß angelegten Experiment „Hanna und Ismail“ heraus, dass Menschen mit arabischem Namen im Gegensatz zu deutschen Bewerbern mit ansonsten identischen Unterlagen zu 27 Prozent der Wohnungsbesichtigungen nicht eingeladen werden, wobei die Diskriminierung Männer stärker trifft als Frauen.
Wenn ich einen ausführlicheren Steckbrief schicken musste, erwähnte ich meinen Namen immer ganz zum Schluss
Als Frau mit arabischem Nachnamen komme ich also tatsächlich nur in 77 Prozent der Wohnungen überhaupt rein, die einer Person mit deutschem Namen zur Besichtigung offen stehen – vielleicht ein bisschen mehr, weil ich einen international kompatiblen Vornamen habe. Und die Besichtigung ist nur die erste von vielen Hürden. Wer in einer Großstadt schon mal nach bezahlbarem Wohnraum gesucht hat, weiß, dass sich da 100 Leute im Flur drängen, die bessere Jobs, deutschere Namen nachweisen oder Bestechungsgelder auf den Tisch legen können.
Ich beschloss also schon bald, meine Erfolgschancen nicht länger durch einen Namen zu verringern, der mit dem arabischen Artikel „El“ anfängt. Wenn ich doch mal einen ausführlicheren Steckbrief schicken musste, erwähnte ich meinen Namen immer ganz zum Schluss nach dem meines Freundes und dem unseres ebenfalls deutsch-deutschen Mitbewohners. Wir wurden zu fast jeder Besichtigung eingeladen. Klar kam ich mir dabei vor wie eine Verräterin meiner Überzeugungen. Aber der Wohnungsmarkt war hart genug, was blieb mir anderes übrig?
Vorurteile haben wir auf die eine oder andere Weise alle. Wir können sie nicht einfach auslöschen, aber daran arbeiten. Die Wohnung, die ich letztendlich bekommen habe, war eine der wenigen, bei denen ich mich mit meinem eigenen Namen beworben habe. Und ich bin ziemlich erleichtert, in einem Haus zu wohnen, in dem dieser kein Ausschlusskriterium war.
Titelbild: Frank Schirrmeister/OSTKREUZ