Reich ist in Nordeuropa vor allem die Gesellschaft, nicht der Einzelne. Das klingt jetzt sozialistischer, als es ist. Aber wirklich große Teile der Gesellschaft verdienen einfach so viel, dass es für einen angenehmen Lebensstil reicht – auch mit Kindern. Und es sind eher wenige Menschen, die sich durch besondere Armut oder besonderen Reichtum stark von den anderen abheben. Die Oberschicht in Skandinavien führt ihren Wohlstand eher selten in Form von Autos der Luxusklasse in der Innenstadt spazieren. Stattdessen sind die meisten auf dem Fahrrad oder mit Bus und Bahn unterwegs. Wohnraum ist zwar wie in anderen europäischen Metropolen vor allem im Stadtzentrum sehr teuer, aber die Vororte sind durch den öffentlichen Nahverkehr gut angebunden.
In Untersuchungen zur sozialen Gerechtigkeit, für die Zahlen zu Armutsrisiken, Bildungszugängen, Gesundheitsversorgung oder auch Generationengerechtigkeit erhoben werden, belegen Island, Norwegen, Dänemark, Schweden und Finnland stets die vorderen Plätze. Und im „World Happiness Report“ der Vereinten Nationen steht diesmal Norwegen an der Spitze, gefolgt von Dänemark und Island. Dass der Reichtum in den nordischen Ländern erheblich gleicher verteilt ist als in weiten Teilen Europas, zeigt auch der sogenannte Gini- Koeffizient, das Standardmaß für Vermögensungleichheit.
Menschen messen Reichtum häufig daran, ob sie mehr besitzen als der Nachbar – weshalb selten ein vernünftiges, sozialverträgliches Maß gefunden wird
Thorstein Veblen, ein US-Soziologe mit norwegischen Vorfahren, hatte schon Anfang des 20. Jahrhunderts erkannt, dass Menschen Reichtum häufig daran messen, ob sie mehr besitzen als der Nachbar, und daher selten ein vernünftiges, sozialverträgliches Maß gefunden wird. Er kritisierte die Oberklasse für ihren Geltungskonsum und stellte als gesellschaftliche Alternative zum Profitstreben einen gut ausgebauten Wohlfahrtsstaat heraus, der von allen mitgetragen wird – wie es bis heute in Skandinavien der Fall ist.
Der immer noch leidlich starke Staat im Norden wird durch vergleichsweise hohe Steuern finanziert. Wer sich als Tourist wundert, warum Waren in Dänemark und anderen nordischen Ländern so viel teurer sind als in Deutschland, braucht sich nur die Mehrwertsteuersätze anzuschauen: In Skandinavien liegt der Standardsatz bei mindestens 24 Prozent und ist damit deutlich höher als in Deutschland mit 19 Prozent. Ganz drastisch sind die Unterschiede bei den Autopreisen. Dänemark, Finnland und Norwegen berechnen ihren Bürgern hohe Sondersteuern. So kommt es, dass der kleinste VW Golf in Dänemark gut 28.000 Euro kostet und damit über 50 Prozent mehr als in Deutschland. Bei teureren Autos sind die Aufschläge sogar noch höher.
Der dänische Politikwissenschaftler Gøsta Esping-Andersen hat in einer Typologie des Wohlfahrtstaates das sozialdemokratisch- skandinavische Modell beschrieben, bei dem der Staat neben der finanziellen Absicherung der Arbeitslosen viele soziale Dienstleistungen übernimmt – von aktiver Arbeitsmarktpolitik bis zu einer sehr guten Kinderbetreuung, die vielen Menschen den (Wieder-)Einstieg in Jobs ermöglicht. Zudem werden Steuergelder oft für alle sichtbar investiert, etwa in gute Schulen und Universitäten oder Stadtverschönerungen.
Gemeinsam mit einem recht wohlhabenden dänischen Anwalt hörte ich vor einigen Wochen dem Vortrag einer Osteuropäerin zu, die versuchte, dänische Privatleute in ihr Heimatland zu locken, indem sie ihnen drastische Steuerersparnisse versprach. „Ach, solange ich nach Steuern noch genug habe, ist mir doch beinahe egal, was ich abgeben muss. Es wird ja gut ausgegeben“, sagte er mir nach der Veranstaltung. „Wir sind doch alle Sozialisten hier oben“, fasst es die Kopenhagener Möbelhändlerin Kiki Borch Jensen zusammen. Gerade Frauen profitieren auch davon, dass die nordischen Länder Vorreiter beim Abbau von Geschlechterungleichheiten sind. Besonders in Schweden wurde seit den 1970er-Jahren die Kinderbetreuung stark ausgebaut und durch das Unterhaltsrecht die Erwerbstätigkeit von Müttern gefördert.
Dass die Einkommen so gleich verteilt sind, hat mehrere Gründe. Zum einen klaffen die Gehälter nicht so stark auseinander. Vereinfacht gesagt verdienen Arbeiter mehr als in Deutschland, während sich Topmanager oft mit einem geringeren Einkommen zufriedengeben müssen, das auch noch höher besteuert wird. So bekommen zum Beispiel Friseure in Dänemark einen Stundenlohn von mindestens 17,70 Euro – sofern sie nach Tarif bezahlt werden. Daher kostet in der Hauptstadt Kopenhagen ein Haarschnitt bei einem normalen Friseur schnell 40 Euro und oftmals sogar erheblich mehr – schließlich müssen die hohen Löhne bezahlt werden. Auch Gesundheitspersonal, beispielsweise Krankenschwestern oder Ergotherapeuten, verdient in Nordeuropa wesentlich besser, verfügt aber gleichzeitig über mehr Kompetenzen und eine entsprechend bessere Ausbildung als in Deutschland. Das gilt für alle nordischen Länder. Norwegen sticht jedoch ganz klar heraus: Dort sind die Löhne in vielen Bereichen so hoch, dass selbst aus den ebenfalls wohlhabenden Nachbarländern, vor allem aus Schweden, zahlreiche Arbeitskräfte ins Land strömen.
Die Frage, wie weit man bereit ist, seinen Reichtum zu teilen, bleibt ein bestimmendes Thema
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die meisten der nordischen Länder für lange Zeit überwiegend von Sozialdemokraten regiert und hatten extrem starke Gewerkschaften. In Norwegen regiert eine konservativ-liberale Minderheitsregierung, Dänemark wird von einer Mitterechts-Koalition regiert, und in Schweden sitzen seit 2010 Rechtspopulisten im Parlament. Zu diesem Rechtsruck führte auch das Argument, dass der Staat in den vergangenen Jahren viel Geld für die Aufnahme und Integration von Migranten ausgegeben habe. So wurde die Dänische Volkspartei bei der Wahl 2015 zweitstärkste Kraft – unter anderem mit der Forderung, dass der Wohlfahrtsstaat nur noch für Dänen sorgen solle.
Die Frage, wie weit man bereit ist, seinen Reichtum zu teilen, bleibt ein bestimmendes Thema. Während Schweden sehr viele Flüchtlinge aufgenommen hat, hielten sich die anderen Länder, insbesondere Dänemark, zurück. Dort wird auch die Zuwanderung aus Europa oft als Bedrohung angesehen. Selbst in der linken Zeitung „Information“ wurde gefordert, dass der Verkauf von Wohneigentum an Ausländer begrenzt werden müsse. Arbeiter – häufig aus Osteuropa –, die bereit sind, für niedrigere Löhne zu arbeiten, werden in Schweden und Dänemark regelmäßig mit ziemlich rigorosen Methoden daran gehindert: Die mächtigen Gewerkschaften blockieren wegen des Lohndumpings einfach die entsprechenden Betriebe.
Das Ass: Phil Hellmuth (53), Poker-Großmeister & Rüpel
Wegen seiner cholerischen Anfälle und kränkenden Bemerkungen am Pokertisch gegenüber Gegnern – vor allem bei Niederlagen – hat der US-Pokerprofi Phil Hellmuth in der Szene längst den Spitznamen „Hellmouth“ (deutsch: „Höllenmund“) weg. Doch Niederlagen sind bei ihm eher selten: Bei Live-Pokerturnieren hat er schon insgesamt rund 21 Millionen Dollar gewonnen – zumeist in seiner Paradedisziplin „Texas Hold ‘em“. Manche Pokerfans nervt zwar, dass Hellmuths Schimpftiraden den Spielfluss mitunter sehr stören, insgesamt ist die Bewunderung für ihn aber groß. Bereits mit 24 Jahren – im Jahr 1989 – gewann Phil Hellmuth als bis dato jüngster Spieler eins der wichtigsten amerikanischen Pokerturniere: das Main Event bei der World Series of Poker (WSOP) in Las Vegas. 2007 wurde er dann in die Poker Hall of Fame aufgenommen und hält inzwischen unter anderem den Rekord für die meisten WSOP-Geldgewinne und Teilnahmen an Finaltischen. Hellmuth beherrscht es offenbar perfekt, seine Gegner und deren Spielweise zu „lesen“. Deshalb verkaufen sich auch seine Pokerbücher und Video-Tutorials so gut. Auch seine eigene Bekleidungsserie mit dem Label „Poker Brat“ (deutsch: „Poker-Rüpel“) ist ein Renner.
Fotos: Martin Parr/Magnum Photos/Agentur Focus