Es ist ein blöder Begriff, aber seit sechs Jahren unterrichte ich an einer sogenannten Brennpunktschule. Von meinen 26 Schülern haben nur zwei keinen Migrationshintergrund, und nur drei Familien leben nicht von Sozialhilfe.
Am Anfang der siebten Klasse gab es natürlich viele Kämpfe. Vor allem mit den Jungs, die gerade voll in der Pubertät steckten und überall in der Gesellschaft auf Rassismus und auf Gegenwehr stießen. Immerzu mussten sie ihre Grenzen austesten, weil sie nicht wussten, wo ihr Platz in der Gesellschaft ist. Wenn man dann mit einem studierten Habitus von oben auf sie herab schaut, geht es oft in die Hose. Ich bin Sonderpädagogin, daher fällt mir der Umgang mit schwierigen Schülern sicher auch leichter.
Das A und O ist, eine Beziehung zu den Schülern aufzubauen und ihnen zu zeigen, dass man sie erst nimmt, ein offenes Ohr hat und sie mag. Alle Schüler wollen ja gemocht werden. Und wenn man Vertrauen zueinander hat, klappt Lernen einfach besser. Je älter meine Schüler wurden, umso unproblematischer wurden sie. Natürlich werde ich als junge Lehrerin manchmal sexualisiert, weil es eine Rolle spielt, wie ich aussehe, wie ich mich kleide. Da habe ich schon ein paar Respektlosigkeiten erlebt. Aber ich lasse das gar nicht an mich heran. Ich zwinkere zurück und sage: „Lass das bitte beim nächsten Mal sein! Du weißt, ich bin eine Lehrperson.“ Wenn das zwei-, dreimal passiert, werden die Eltern angerufen, und es gibt einen Tadel. Hört sich doof an, aber die klassischen Mittel funktionieren leider, weil viele unserer Schüler das Prinzip der Strafe verinnerlicht haben. Klare Grenzen sind deshalb wichtig. Wenn du immer nur drohst, aber nichts passiert, dann wirst du nicht ernst genommen. Ich muss manchmal auch laut werden. Entscheidend ist es, konstruktiv zu bleiben.
Früher hatte ich Angst, von den Eltern nicht akzeptiert zu werden. Aber nur einmal wollte mir ein Vater nach dem Elternabend nicht die Hand geben. Ich habe viel stärkere Abneigung erwartet und war verwundert, dass die Eltern mich als Autorität anerkennen und wertschätzen. Allerdings kann sich kaum eine Mutter adäquat mit mir unterhalten. Weil viele – im Gegensatz zu den Männern – sehr schlechtes Deutsch sprechen. Dann müssen oft die Kinder übersetzen, was schwierig ist, wenn es um sie geht. Meistens ist der Sozialarbeiter der Schule bei den Gesprächen dabei.
Ich lebe schon sehr für meinen Job. Das ist für mich die Voraussetzung, um ein gutes Auskommen mit den Schülern zu erreichen. Der Job ist nicht einfach, und man stößt auch an seine psychischen und körperlichen Grenzen, aber ich bin sehr gern Lehrerin. Es ist halt nicht nur ein Bildungs-, sondern auch ein Erziehungsauftrag.
Illustration: Jindrich Novotny