Marine Le Pen und der Front National haben einen 9-Millionen-Euro-Kredit aus Russland erhalten. Die FPÖ hat einen Kooperationsvertrag mit Putins Partei Einiges Russland unterzeichnet. Und gerade erst wurde bekannt, dass die italienische Lega Nord einen Koordinationsvertrag unterschrieben hat, ebenfalls mit der Putin-Partei. Anton Shekhovtsov erforscht seit vielen Jahren die Verbindungen zwischen der russischen Politik und rechtsextremen und rechtspopulistischen Kräften im Westen und wird in diesem Jahr eine groß angelegte Studie dazu veröffentlichen. Mit ihm hat Ingo Petz gesprochen.
fluter.de: Auf welchen Ebenen existiert eine Zusammenarbeit zwischen rechten Kräften im Westen und der russischen Politik?
Anton Shekhovtsov: Bereits in den Jahren nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in den Neunzigern gab es Kontakte zwischen rechtsextremen beziehungsweise rechtspopulistischen Personen und Gruppierungen im Westen und entsprechenden Kreisen in Russland. Aber diese Kontakte waren marginal.
„Die russische Politik brauchte antiwestliche Narrative“
Wann und warum hat sich die Lage geändert?
Als Putin im Jahr 2004 seine zweite Amtszeit als Präsident antrat, ging in Russland die Angst vor den „Farbenrevolutionen“ um, die in Georgien und in der Ukraine Regimewechsel bewirkt hatten. Beim Polit-Establishment setzte sich der Glaube durch, dass der Westen hinter diesen Revolutionen steckte – mit dem Ziel, Russlands Einfluss im postsowjetischen Raum zu unterminieren. Das brachte eine antiwestliche Agenda auf den Plan. Und vor diesem Hintergrund verstärkten sich auch die Kontakte zu rechten Kräften im Westen. Ich würde ab Mitte der 2000er von einer Institutionalisierung dieser Beziehungen sprechen.
Was genau war das Ziel dieser Beziehungen?
Die russische Politik brauchte antiwestliche Narrative. Ausschlaggebend war die Überzeugung russischer Politiker, dass NGOs, die von den USA und vom Westen finanziert wurden, die „Farbenrevolutionen“ möglich gemacht haben. Diesem „Betrug“ sollte etwas entgegengesetzt werden. So wurden in Russland alternative Wahlbeobachtungsinstitute gegründet, wie beispielsweise die CIS-EMO. Diese Organisation lud rechte Politiker oder Journalisten aus Europa zu Wahlen in Südossetien, Transnistrien, aber auch in Deutschland oder in Estland ein, wo sie Meinungen vertraten, die im Sinne Russlands waren und die den Einschätzungen der OSZE oder der EU entgegenstanden.
Was waren das für Leute?
Einer war beispielsweise der polnische Politiker Mateusz Piskorski, der ein eigenes Wahlbeobachtungsinstitut mit Namen European Centre for Geopolitical Analysis gründete. Eine weitere Institution, die solche Wahlbeobachtungen durchführt, heißt Eurasian Observatory for Democracy and Elections. Sie wird von dem Belgier Luc Michel geleitet. Er entstammt der faschistischen Bewegung in seiner Heimat. In Europa haben fast alle rechtspopulistischen Kräfte an diesen „Missionen“ teilgenommen. Am liebsten werden aber Politiker mit einem gewissen Status eingeladen, beispielsweise Abgeordnete des EU-Parlaments wie Nick Griffin, der 2011 Wahlbeobachter in Russland war.
„Sie erzählen, wie dekadent der Westen sei, dass der Liberalismus nichts Gutes bedeute und dass Russland der Bewahrer der wahren Werte sei“
Neben der Wahlbeobachtung: Wie sehen weitere Kooperationen aus?
Viele dieser Wahlbeobachter traten und treten als Kommentatoren und Meinungsmacher in russischen Staatsmedien wie Russia Today, Sputnik News oder The Voice of Russia auf. Dort erzählen sie, wie dekadent der Westen sei, dass der Liberalismus nichts Gutes bedeute und dass Russland der Bewahrer der wahren Werte sei. Leute wie Manuel Ochsenreiter von der Zeitschrift „Zuerst!“ werden in den Medien nicht als Rechtsextreme präsentiert, sondern als „Experten“.
War nicht auch das Jahr 2012 entscheidend, als Putin zum dritten Mal zum Präsidenten gewählt wurde und sich in Russland großer Protest regte?
Die Demonstrationen im Vorfeld und nach den Wahlen interpretierten russische Politiker und Staatsmedien als Versuch des Westens, einen Regimewechsel herbeizuführen. Der Maidan und der russisch-ukrainische Krieg ließen die antiwestliche Linie schließlich eskalieren. Seitdem richten sich die Kommentatoren von RT verstärkt an das westliche Publikum, dem vermittelt wird, dass Russland nicht der Aggressor in der Ukraine sei.
Es erscheint widersprüchlich, wenn in Verlautbarungen der russischen Regierung einerseits von einem „Kampf gegen die faschistische Junta in Kiew“ gesprochen und andererseits mit rechten Kräften gemeinsame Sache gemacht wird.
Schon die Sowjetunion hat den Faschismus als ein Label benutzt, unter dem Gegner dämonisiert wurden. Nichts anderes tut Russland heute mit denen, die die russische Dominanz im postsowjetischen Raum infrage stellen. Nach dieser Logik meint Faschismus so etwas wie „antirussisch“, genau wie in der Sowjetunion unter diesem Label ein „Antikommunismus“ verstanden wurde. Wenn sich heute ein Ukrainer als Nationalist versteht – und damit meine ich noch nicht mal einen Rechtsextremen –, dann wird er aus der Sicht Russlands automatisch zum Faschisten. Wenn sich aber ein Rechtsextremer einer europäischen Partei für den Kreml ausspricht, kann er kein Faschist sein. Da gab es zum Beispiel den bizarren Moment im Jahr 2015, als in Sankt Petersburg eine Konferenz mit westlichen Rechtsextremen stattfand. Einer der Organisatoren twitterte ein Foto, auf dem Udo Voigt von der NPD zu sehen war. Und in diesem Tweet hieß es, dass Voigt ein „Anti-Faschist“ sei.
„Natürlich sollen diese Kooperationen mehr Einfluss in der europäischen Politik bringen“
In der jüngsten Zeit scheinen die Kooperationen zwischen der russischen Politik und Parteien wie der FPÖ, dem Front National oder auch der Lega Nord in Italien konkreter zu werden.
Dies ist ein neues Level in der Institutionalisierung dieser Beziehungen. Auch hier geht es dem Kreml darum, seine antiwestliche und Anti-EU-Politik zu stärken. Und natürlich sollen diese Kooperationen mehr Einfluss in der europäischen Politik bringen. Die FPÖ hat zwar die Präsidentschaftswahlen verloren. Aber sie ist zurzeit die populärste Partei Österreichs. Sie hat bei den nächsten Parlamentswahlen sehr gute Chancen, in einer Koalition mit den Sozialdemokraten oder mit den Konservativen zu regieren. In diesem Fall würde sich die Kooperation für Russland auszahlen.
Wie sieht es in Deutschland aus? Gibt es Kooperationen zwischen der AfD und dem Kreml?
In Deutschland war es dem Kreml bis dato wichtiger, mit Mainstream-Politikern zu kooperieren, mit den sogenannten „Putin-Verstehern“, die es ja auch in den großen Parteien gibt. Solche Leute, die die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland fordern, sind dem Kreml nützlicher, weil sie anerkannt sind. Es gab auch Treffen zwischen AfD-Leuten und russischen Politikern auf verschiedenen Ebenen. Aber ich würde das nicht als eine „institutionelle“ Kooperation wie im Falle der FPÖ oder der Lega Nord bezeichnen. Im Moment scheint die Popularität der AfD ja auch zu sinken. Merkel ist ohnehin sehr russlandkritisch. Und im Falle eines Sieges von Martin Schulz würde sich die deutsche Politik gegenüber Russland kaum ändern. Eine enge Kooperation mit der AfD würde Russland zum heutigen Zeitpunkt einfach nichts bringen.
Warum wollen rechte Parteien und Gruppen überhaupt mit dem Kreml kooperieren? Was versprechen sie sich von solch einer Zusammenarbeit?
Dafür gibt es mehrere Gründe. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges war die rechtsextreme Ideologie marginalisiert, und radikale rechte Parteien wissen auch heute noch, dass sie wegen des liberaldemokratischen Konsenses, der den Westen immer noch bestimmt, als Randkräfte wahrgenommen werden. Heutzutage aber können sie auch auf Putins Russland verweisen, das kein Staat am Rande ist, sondern eine „globale Macht“, die den Liberalismus des Westens herausfordert. So können sie sich selbst als „einen neuen globalen Mainstream“ präsentieren, der sich unter der Führung von Russland formt. Zudem suchen rechte Parteien, die sich für Russland einsetzen, Unterstützung von Putins Regime nicht unbedingt, weil sie sich Geld erwarten wie im Falle des Front National, sondern weil sie sich eine politische Unterstützung im Allgemeinen erhoffen oder eine Unterstützung durch mehr Medienpräsenz.
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