Menschen auszulachen, das lernt man früh, gehört sich nicht. Aber so unangebracht es einem in der Theorie auch vorkommen mag, sich über das Leid anderer zu freuen, so schön fühlt es sich, wenn man ehrlich ist, in manchen Momenten an. Zum Beispiel, wenn der unliebsame Chef vor eine Glastür rennt oder das gegnerische Basketballteam ein wichtiges Turnier verliert. Und als Donald Trump im vergangenen Jahr die US-Präsidentschaftswahl verlor, flutete eine Welle hämischer Tweets das Internet, aus denen man einiges an Euphorie herauslesen konnte.
Was aber hat es mit diesem Gefühl auf sich?
Schadenfreude ist eine universelle Emotion, auch wenn in vielen Sprachen, wie etwa dem Englischen, das (vielleicht einfach besonders treffende) deutsche Wort dafür verwendet wird. Sie kann ab der frühen Kindheit auftreten, wenn – wer hätte es gedacht – eine andere Person zu Schaden kommt. Doch ganz so simpel wie die Gleichung „Person 1 widerfährt ein Unglück, Person 2 lacht“ zunächst klingen mag, ist es dann doch nicht.
Schadenfreude ist nämlich im Gegensatz zu alltäglichen Slapstick-Einlagen – die Einkaufstüte reißt, die Tante stolpert – ein komplexes Phänomen, das seit den Neunzigerjahren von Forschenden aus den Bereichen der Psychologie und Philosophie untersucht wird. Eine grundsätzliche Erkenntnis, die dabei herauskam: Schadenfreude hat einen sozial funktionalen Charakter. Das heißt, die Frage, ob eine Person über das Missgeschick einer anderen Person lacht oder Mitgefühl mit ihr empfindet, hängt davon ab, in welcher Beziehung die beiden zueinander stehen. Außerdem erscheint Schadenfreude zumindest auf den ersten Blick als etwas Passives: Schließlich entsteht sie in Situationen, in denen man beobachtet, wie einer Person ein Missgeschick passiert, ohne selbst aktiv daran beteiligt zu sein.
Der Psychologe Jens Lange von der Universität Hamburg beschäftigt sich mit genau solchen Schadenfreude-Momenten. „Diese Situationen betrachtet man rein subjektiv als verdient, und das führt dazu, dass man sich gut fühlt“, erklärt er. „Dabei geht es darum, den eigenen Selbstwert zu erhöhen oder zu schützen. Der Umstand, dass ich mich in dem Moment mit der Person vergleichen kann und ich besser dastehe, ist gut für mein Ego.“
„Wenn sich eine Gruppe insgesamt herabgesetzt fühlt oder vermittelt bekommt, sie könne ihre Ziele nicht erreichen, dann ist die Schadenfreude eine Reaktion auf das Unglück, das einer anderen höhergestellten Gruppe zustößt.“
Gemeinsam mit seiner Kollegin Lea Boecker hat sich Lange in einer umfassenden Studie damit beschäftigt, welche soziale Funktion Schadenfreude hat. Dafür legten sie mehreren Testgruppen – in manchen Experimenten waren es etwa 100, in anderen knapp 500 Personen – verschiedene Szenarien vor. In diesen kleinen Geschichten sollten die Teilnehmenden sich meistens kompetitive Situationen vorstellen und wurden dann mit dem Erfolg – beziehungsweise Misserfolg – von imaginierten Konkurrent_innen konfrontiert. Anschließend fragten die Forschenden die Emotionen ab, die die Testpersonen für die Konkurrent_innen empfanden.
„Auf der Gruppenebene lassen sich ähnliche Funktionen der Schadenfreude erkennen“, erklärt der Psychologe weiter. „Wenn sich eine Gruppe insgesamt herabgesetzt fühlt oder vermittelt bekommt, sie könne ihre Ziele nicht erreichen, dann ist die Schadenfreude eine Reaktion auf das Unglück, das einer anderen höhergestellten Gruppe zustößt. Das stärkt dann den Selbstwert und die Identität der niedriger gestellten Gruppe.“ Besonders bei Gruppen, die auf einer gesellschaftlichen Ebene marginalisiert werden, beispielsweise von strukturellen und institutionellen Diskriminierungsformen betroffen sind, lassen sich Tendenzen erkennen, die ein intensiveres Gefühl der Schadenfreude hervorrufen können. Besonders interessiert hat die Wissenschaftler_innen dabei die Frage, wie Schadenfreude zwischen Individuen oder Gruppen wirkt und inwiefern sie dazu beiträgt, Hierarchien zu unterlaufen. Denn Schadenfreude trifft laut Lange und Boecker fast immer Menschen, die ein starkes Dominanzgehabe zeigen, deren gesellschaftliche Position anderen ungerecht erscheint oder die ihre Macht durch Einschüchterung erlangt haben.
Gleichzeitig können Emotionen wie Neid und Angst dazu beitragen, das Empfinden von Schadenfreude zu verstärken. Zum Beispiel, wenn die Schulmobberin von einer Lehrperson dabei erwischt wird, wie sie einem Mitschüler das Taschengeld klaut, und daraufhin bestraft wird. Lacht der Mitschüler die Mobberin deshalb vor versammelter Klasse aus, hilft das dabei, dass sich seine Furcht vor ihr verringert. „Es ist ein Signal, dass die Person oder die Situation nicht so einschüchternd ist wie zuvor angenommen“, meint Lange.
Da wären wir wieder bei Trump. Der ehemalige Präsident der USA und die Republikanische Partei entwickelten während der vergangenen Amtszeit und im Wahlkampf 2020 ein Image, mit dem sie sich als unantastbar inszenierten. Als Trump dann im November 2020 gegen Joe Biden und die Demokratische Partei verlor, so erklärt Lange, löste das ein Gefühl kollektiver Schadenfreude aus – zumindest bei den Demokrat_innen und Kritiker_innen von Trump. Nicht umsonst gehörte das Wort „Schadenfreude“ im Jahr 2020 zu den am häufigsten nachgeschlagenen Begriffen: Der US-amerikanische Wörterbuchverlag Merriam-Webster konnte nach Trumps Wahlniederlage einen rasanten Anstieg in der Suche verzeichnen, dasselbe war schon wenige Wochen zuvor passiert, als sich der Präsident mit dem Covid-19-Virus infiziert hatte.
Gemeinsames Auslachen macht mehr Spaß
Diese überschwängliche Reaktion auf das Unglück einer anderen Gruppe beziehungsweise ihres Repräsentanten war jedoch nur möglich, weil sich viele Menschen sicher waren, mit ihrer Abneigung gegenüber Trump nicht allein dazustehen. „Theoretisch ist Schadenfreude ja nichts Nettes, man könnte vermuten, Menschen würden diese Emotion eher für sich behalten und still in sich hineinlachen“, sagt Lange. „Das öffentliche Auslachen geht nur, wenn man weiß, man ist im Hass gegenüber der anderen Person oder Gruppe vereint.“ An diesem Beispiel zeigt sich auch, dass Emotionen ansteckend sind und sich stärker ausdrücken, wenn sie mit anderen Menschen geteilt werden. „Es ist eine Möglichkeit, sie überhaupt richtig ausleben zu können. Sich selbst ins Fäustchen zu lachen macht weniger Spaß und erfüllt nicht die gewollte Funktion“, meint der Emotionsforscher. „Wenn man sieht, dass andere Menschen auf dieselbe Situation genauso schadenfroh reagieren wie man selbst, dann kann dies das Gemeinschaftsgefühl stärken.“
Doch nicht nur bei denen, die Schadenfreude empfinden, kann das Gefühl etwas bewirken. Mitunter können auch Menschen, die das Ziel von Schadenfreude werden, ihr Verhalten korrigieren. „Man stelle sich vor, es handelt sich um eine Person, der vorher alles gelang, und plötzlich wird sie diffamiert. Das ist besonders im Sport zu erkennen, wenn Dopingskandale öffentlich werden“, erzählt Lange. „Manche der Sportler_innen treten danach weniger dominant auf oder zeigen sich sogar komplett geläutert.“ Aus dieser Perspektive wäre Schadenfreude also ein relevantes Mittel, die Macht, das Prestige oder das fragwürdige Verhalten bestimmter Menschen zu regulieren. Und würde damit sogar einen gewissen moralischen Effekt ausüben – immer vorausgesetzt, die Person, die der Schadenfreude ausgesetzt ist, hat ihren Status wirklich unrechtmäßig erhalten.
Eine andere Frage, die noch weitgehend unerforscht ist, lautet, welche Folgen das öffentliche Auslachen auf das individuelle Befinden der ausgelachten Person hat. Reaktionen, die naheliegen, wären Emotionen wie Scham, Verunsicherung, Wut oder Trotz. Egal ob verdient oder nicht, das Demonstrieren von Schadenfreude erscheint als Konflikt, bei dem die Würde der betroffenen Person angegriffen wird – und der viel über die schadenfrohe Person und ihre Lebenssituation aussagt. „Daten zeigen, dass Schadenfreude dann stärker ist, wenn die statusniedrigeren Personen mit ihrem eigenen Zustand unzufrieden sind. Das passt auch zu der Idee, dass Schadenfreude als Rache der machtlosen oder unfähigen Personen verstanden wird“, sagt Lange.
Wär doch gelacht: Kann Schadenfreude für mehr Gerechtigkeit sorgen?
Die Freude über das Leid kann also eine menschliche Reaktion auf Ungleichheitsstrukturen und Ungerechtigkeiten sein, die das Potenzial trägt, hierarchische Unterschiede auszugleichen. Vor allem in der Politik, aber auch in allen anderen gesellschaftlichen Bereichen, in denen wir mit Macht, Status und Hierarchien konfrontiert werden, kann das herzhafte Lachen über ein Unglück nicht nur für persönliche Erleichterung sorgen. „Überspitzt man das Argument, dann hätte Schadenfreude quasi eine egalitäre Orientierung. Durch das öffentliche Auslachen versucht man, eine Veränderung zu erreichen“, bringt Lange es auf den Punkt. Die Schadenfreude als Kraft, die für Gerechtigkeit sorgen kann? Ganz so optimistisch ist Lange dann doch nicht: „Was ein bisschen dagegenspricht, ist, dass Menschen immer dazu neigen, Hierarchien zu bilden. Selbst in Ländern, die versuchen, so egalitär wie möglich zu sein, gibt es Unterschiede in der Bevölkerung.“ Durch Schadenfreude allein wird die Welt wohl zu keinem besseren Ort – jeden Lacher verkneifen müssen wir uns trotzdem nicht.