Daniel Zimmermann hat an einer Schraube gedreht. Es war eine wichtige Schraube, die normale Politiker nur selten anfassen. Auch nicht in Monheim, einer Mittelstadt von 43.000 Einwohnern in unmittelbarer Nachbarschaft zu Düsseldorf. Als ihr Bürgermeister hatte Daniel Zimmermann bei seinem Amtsantritt mit den üblichen Problemen zu kämpfen, von denen das größte die hoffnungslose Verschuldung seiner Kommune war. Aber Daniel Zimmermann ist kein gewöhnlicher Politiker, und er gehört auch keiner der großen etablierten Parteien an. Diese beiden Tatsachen haben es ihm vielleicht ermöglicht, an der Schraube zu drehen.
1999 war er einer der Gründer von „Peto“. Das Wort kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „ich fordere“. Die Partei ist das Projekt politisch engagierter Schüler des örtlichen Otto-Hahn-Gymnasiums. Eine „AG Kommunalpolitik“ sozusagen. Ihren Mitgliedern ging es um bessere Bedingungen für Jugendliche und Kinder, mehr kulturelle Angebote, mehr Proberäume für Bands. Bei rund 1.500 Schülern und einem großen Förderverein aus Eltern und Ehemaligen könnte man fast sagen: Peto war der politische Arm der Schule.
Als er sich 2009 knapp gegen seinen CDU-Kontrahenten durchsetzte, hatte Zimmermann gerade Physik und Französisch auf Lehramt studiert, sein erstes Staatsexamen bestanden und war am Romanischen Seminar der Universität Köln wissenschaftlich tätig. Er war gerade mal 27 Jahre alt und seine Stadt praktisch pleite, wie viele Kommunen in Nordrhein-Westfalen. So pleite, dass der Landrat Monheim 2010 einen Nothaushalt auferlegte, womit der Haushalt innerhalb einiger Jahre gezwungenermaßen ausgeglichen werden sollte.
2011 überwies das Finanzamt der Stadt aus heiterem Himmel 30 Millionen Euro – Gewerbesteuer eines Unternehmens, das überraschend Gewinne erzielt hatte. Vielleicht hätte ein etablierterer Politiker gehandelt, wie es sich anderswo eingebürgert hat. Er hätte den warmen Geldsegen nach dem Gießkannenprinzip für marode Kindergärten, Krankenhäuser oder Straßen ausgeben können. Zimmermann nutzte das Geld als Spielraum, um an der Steuerschraube zu drehen.
Steuer-Coup mit Risiko
Er senkte den Gewerbesteuerhebesatz von den landesüblichen 435 Punkten auf 300 – der niedrigste Satz in Nordrhein-Westfalen. Eine niedrige Gewerbesteuer, so das Kalkül, würde mehr zahlungskräftige Unternehmen nach Monheim locken und auf diese Weise langfristig die Stadt über Wasser halten. Wenn nicht, wäre man mittelfristig noch bankrotter als zuvor und würde mit einem blauen Auge zum alten Steuersatz zurückkehren müssen.
Doch der Erfolg stellte sich schon kurzfristig ein. Kritiker fürchteten, Monheim untergrabe mit seinem Coup die Chancen anderer kleiner Städte. Tatsächlich kamen ein Tochterunternehmen des Chemieriesen Bayer aus Leverkusen und die Deutschlandzentrale eines Hygienemittelherstellers aus den USA. Schon 2012 verzeichnete Zimmermann statt der gewohnten 20 bereits fast 150 Millionen und 2013 sogar sagenhafte 252 Millionen Euro an Gewerbesteuereinnahmen. Heute ist Monheim nicht nur schuldenfrei. Mit ihren Überschüssen finanziert die Stadt andere Kommunen, denen es schlechter geht.
Zimmermann war so etwas wie eine finanzielle Eskimo-Rolle geglückt, mit der er seine gekenterte Kommune wieder aufrichten konnte. 2014 wurde er mit mehr als 94 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt, die Peto-Partei mit dem Wahlspruch „Die junge Alternative“ regiert mit absoluter Mehrheit und unter direkter Beteiligung der Bürger. Die sind immer wieder eingeladen, sich bei Diskussionsveranstaltungen und Workshops einzubringen.
Mittlerweile sind die Elternbeiträge für die Kinderbetreuung in Kitas und bei Tageseltern abgeschafft, die Innenstadt attraktiver gemacht und die Installation eines flächendeckenden Glasfasernetzes für ein schnelles Internet begonnen worden. Die Stadt hatte nicht nur Glück. Es kam ein jugendlicher Bürgermeister ins Spiel. Mit dem Mut, an der Schraube zu drehen.