Wer sich heute dafür entscheidet, Modedesign zu studieren, der studiert auch ein wenig Politik. Da die Modeindustrie in großem Maße für Umweltzerstörungen und soziale Ungleichheit in der Welt verantwortlich ist, beschäftigen sich Designer und Designerinnen zunehmend damit, wie man Mode nachhaltiger gestalten kann. Sustainable Fashion statt Fast Fashion.
Mit der Neonyt gibt es sogar eine Messe, auf der nachhaltige Labels ihre Entwürfe zeigen und über Lösungsansätze diskutieren. Einer davon ist die Rückkehr zu mehr Regionalität – ein bisschen so wie in der Lebensmittelindustrie. Schließlich entsteht nicht nur bei der Modeproduktion viel CO₂, sondern auch auf den oft ziemlich langen Transportwegen zwischen den einzelnen Produktionsschritten.
Aus Fischernetzen werden Bikinis
Mittlerweile gibt es viele Designerinnen und Designer, die lokal produzieren und so die Herstellungskette für die Käufer besser nachvollziehbar machen. Transparenz ist wichtig geworden, weil immer mehr Menschen wissen wollen, wo und unter welchen Bedingungen ihre Kleidung entstanden ist.
Viele kleine Designer, die keine großen Stückzahlen liefern müssen, verwenden zudem häufig Materialien, welche die Umwelt weniger belasten. Die Stoffe Modal und Lyocell (auch Tencel genannt) etwa basieren auf pflanzlichen Fasern, die biologisch abbaubar sind. Dadurch sind sie nachhaltiger als pure Synthetikstoffe wie Polyester, Polyamid und Polyacryl auf der Basis von Erdöl. Das Re- und Upcycling ist in den letzten Jahren beliebter geworden: Aus Fischernetzen werden Bikinis, aus alten Airbags Rucksäcke und aus Bällen Taschen. Alte PET-Flaschen können zu Polyesterfasern verarbeitet werden.
Auch die Studierenden am Fachbereich „Fashion & Technology“ an der Kunstuniversität Linz suchen nach besseren Produktionsmethoden. Seit fünf Jahren gibt es den Studiengang, der Modedesign mit Robotik, 3-D-Druck und biologischem Wissen kombiniert. So wird dort zum Beispiel mit Gräsern, Pilzen oder Fruchtschalen experimentiert, die der viel Wasser verbrauchenden Baumwolle in Zukunft Konkurrenz machen könnten. „In the Lab“ heißt das Forschungsprojekt an der Uni, bei dem selbst Techniken wie das Weben und Nähen hinterfragt werden.
Slow Fashion bedient sich auch bei Gamedesigern und Maschinenbauern
So war die 26-jährige Belinda Winkler gerade dabei, Garn auf eine 20 Zentimeter große Spule zu wickeln, als ihr auffiel, dass die überkreuzten Fäden bereits wie ein Stück Stoff aussahen. Mit einem Mechatroniker entwickelte sie daraufhin eine Maschine mit einer 1,20 Meter großen Spule und machte damit Röcke, Kleider, Hüte und Tops. Denn wenn die Fäden etwas haarig sind wie bei Wolle, verhaken sie sich ineinander und halten von selbst. Damit das Material nicht auseinanderfällt, fixiert sie die Säume zusätzlich mit einem dünnen Silikonstreifen. Die gesamte Produktion sei mit dem ersten Arbeitsschritt bereits vollendet, so Belinda. Das Weben oder Stricken des Stoffs würde wegfallen, ebenso wie der Zuschnitt und das Nähen.
Softwareprogramme von Architekten, Ideen von Game- und Produktdesignern, das Wissen von Maschinenbauern – alles trägt zur Entwicklung von Modedesign bei. Simon Hochleitner, ebenfalls Student an der Kunstuniversität Linz, arbeitet mit 3-D-Scans von Körpern. Er hat einen Code entwickelt, um diese in zweidimensionale Schnittmuster zu zerlegen und so Outfits zu designen, die perfekt passen. „Kein einziger Schnitt, den ich so rausbekommen habe, war je symmetrisch“, sagt Simon. „Weil unser Körper nicht symmetrisch ist.“
Ein anderer Trend: der ehrliche Blick auf den menschlichen Körper
Der ehrliche Blick auf den menschlichen Körper ist neben der Nachhaltigkeit ein weiterer Trend im Design. Wobei der Körper bei manchen Designerinnen und Designern sogar als Rohstofflieferant dient. Alice Potts zum Beispiel macht Mode aus Schweiß. Gemeinsam mit Bioingenieuren des Imperial College in London hat sie eine Methode entwickelt, um die menschlichen Absonderungen aus Kleidungsstücken herauszulösen, in ihre Bestandteile zu zerteilen und daraus Kristalle zu schaffen. In einem neueren Projekt experimentiert sie mit Schmuck aus Tränen.
Noch einen Schritt weiter geht Tina Gorjanc. In ihrem Londoner Labor arbeitet sie mit DNA, die menschlichem Haar entnommen wird. Das daraus gezüchtete Material wird gefärbt und anschließend zu Leder verarbeitet. Mit der Menschenhaut aus dem Labor stellt sie dann Kleidungsstücke und Accessoires her – und sorgt möglicherweise für ein größeres Bewusstsein für Ressourcen.
In jedem Teil von Tina Gorjanc findet sich übrigens ein Pflegehinweis, auf dem steht, dass es regelmäßig eingecremt werden muss, um nicht spröde zu werden – vor allem vor dem Gang in die Sonne.
Titelbild: Sarah Illenberger