Nordirland
Geteilte Insel, gemeinsames Leid
Soll Nordirland zu Großbritannien gehören oder nicht – wegen dieser Frage starben zwischen 1969 und 1998 mehr als 3.500 Menschen. Schießereien und Autobomben am Rande Europas waren so allgegenwärtig, die Zahl der Opfer so hoch, dass man auch von einem Bürgerkrieg spricht. Auf der einen Seite die katholischen Nordiren, die sich mit Irland vereinigen wollten; auf der anderen die Protestanten, die sich Großbritannien zugehörig fühlten. Auch der Staat lud in diesem Konflikt Schuld auf sich: Am „Bloody Sunday“ von 1972, besungen von John Lennon, Paul McCartney und der irischen Band U2, erschossen britische Fallschirmjäger 13 Demonstranten.
Die Gegenreaktion der Irish Republican Army (IRA) ließ nicht lange auf sich warten. Die extremistische Organisation, die für die Unabhängigkeit Nordirlands von Großbritannien kämpfte, rächte sich mit Dutzenden von Bombenanschlägen noch im selben Jahr; allein am „Bloody Friday“ in Belfast zündete sie etwa 20 Sprengsätze.
Jahrzehnte des Terrors brachten die IRA aber ihren Zielen nicht näher. In den 1980ern wurde deshalb der politische Arm der IRA, die Partei Sinn Féin, immer einflussreicher. Ihr Vorsitzender, der ehemalige Militante Gerry Adams, suchte im Geheimen Kontakt zu anderen Parteien, die die Loslösung von Großbritannien auf friedlichem Weg anstrebten. Auch mit Mitgliedern der britischen Regierung traf er sich. So entwickelte sich der Konflikt um Nordirland zu einem Leuchtturm gelungener Friedenspolitik. Im Karfreitagsabkommen von 1998 beschlossen die Konfliktparteien, den Krieg zu beenden.
Die militanten Gruppen wurden entwaffnet, Großbritannien versprach, Gefangene freizulassen. Und sollte sich jemals eine Mehrheit der Nordiren für einen Zusammenschluss mit Irland aussprechen, wäre eine Ablösung von Großbritannien zumindest möglich.
Doch der jahrzehntelange Kampf und der Schmerz um die Opfer haben Spuren hinterlassen. Bis heute wohnen Protestanten und Katholiken in Nordirland mehr neben- als miteinander. 110 Mauern und Zäune, manche über sieben Meter hoch, trennen die Stadtviertel. Für Touristen sind die kilometerlangen Grenzen eine Attraktion – für die Bewohner eine Friedensversicherung.
Deutschland
Als der Kanzler seinen Rücktritt aufsetzte
Nicht nachgeben, nicht einknicken, jedenfalls nicht offiziell: So lautete die Devise bis hoch ins Bundeskanzleramt, wenn es gegen die Rote Armee Fraktion ging. Die linksradikale Terrorgruppe bezeichnete sich selbst als „Stadtguerilla“ und zog gegen das „imperialistische System“ in den Kampf. Zahlreiche Banküberfälle, Sprengstoffattentate und 34 Morde gehen auf ihr Konto. Die Terroristen der ersten Generation, die Pfarrerstöchter und Fabrikantensöhne, lernten den Guerilla-Kampf in arabischen Wüsten. Sie wurden schnell verhaftet.
Im Kampf gegen die zweite Generation erweiterte der Staat seine Mittel. Nicht allen Verdächtigen konnten konkrete Taten vorgeworfen werden – aber man glaubte zu wissen, dass sie Mitglieder der RAF waren oder sie unterstützten. Deshalb wurde 1976 das Strafgesetzbuch um den Paragraph 129a erweitert, der die „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ unter Strafe stellt. Eine Tatbeteiligung war nun nicht mehr nötig, um für bis zu 10 Jahre ins Gefängnis zu müssen. Mit dem „Extremistenbeschluss“ und dem „Radikalenerlass“ versuchte der Staat, die Sympathisanten zumindest aus dem öffentlichen Dienst fernzuhalten; für so manche bedeutete es ein ungerechtfertigtes Berufsverbot.
Während die DDR Mitglieder der RAF versteckte, gelang es den westdeutschen Ermittlern schließlich, die zweite Generation nach und nach zu zerschlagen. Die Terroristen wurden etwa bei Banküberfallen geschnappt. Auch mit der eigens für sie entwickelten Rasterfahndung und der Schleppnetzfahndung wurden Mitglieder der RAF aufgespürt. Als die Lufthansa-Maschine „Landshut“ 1977 entführt wurde und RAF-Gefangene freigepresst werden sollten, ging Bundeskanzler Helmut Schmidt nicht auf die Forderungen ein – und das, obwohl die RAF auch noch den Arbeitgeber-Präsident Hanns Martin Schleyer als Geisel genommen hatte Stattdessen befreite die GSG 9 die Geiseln im Flugzeug. Für den Fall, dass es anders gelaufen wäre, hatte Schmidt sein Rücktrittsschreiben schon aufgesetzt.
Italien
Terror von allen Seiten
Rechter Terror, linker Terror, dazu die Attentate der Mafia: Das Italien des späten 20. Jahrhunderts war politisch tief gespalten und Schauplatz vieler blutiger Kämpfe.
Die neofaschistische Ordine Nuovo („Neue Ordnung“) zündete mehrere Bomben auf öffentlichen Plätzen und in Zügen. Allein im Bahnhof von Bologna starben 1980 bei einem Anschlag 85 Menschen. Die linksextremen Brigate Rosse („Rote Brigaden“) attackierten derweil den Staat und all jene, die ihn ihrer Auffassung nach repräsentierten: Staatsanwälte, Journalisten – und 1978 entführten die Brigate Rosse sogar Premierminister Aldo Moro. Doch die Regierung verhandelte nicht; knapp zwei Monate später wurde Moro erschossen.
Mit Anti-Terror-Gesetzen, etwa einer Kronzeugenregelung für reuige Ex-Terroristen, aber vor allem durch den mutigen Einsatz Einzelner wie den von Polizeigeneral Carlo Alberto Dalla Chiesa gelang es, den Terror schließlich zu besiegen. Als darüber debattiert wurde, ob man die Folter einführen sollte, wehrte sich Dalla Chiesa dagegen mit den Worten: „Italien kann den Tod von Aldo Moro überleben, aber nicht die Einführung der Folter.“ Wenige Jahre später wurde Dalla Chiesa selbst von der Mafia ermordet.
Spanien
Des einen Terrorist, des anderen Separatist
Anders als in den Ländern Mitteleuropas war die größte Terrororganisation Spaniens eine separatistische Gruppe. Mit dem Ziel, einen Baskenstaat zu errichten, bombte und mordete die ETA jahrzehntelang. In ihrem Kampf gegen den Staat hatte sie einst viele Basken hinter sich. Entstanden war sie während der Diktatur von Francisco Franco, der von 1936 bis 1975 herrschte. Mit einer brutal durchgesetzten „Ein-Spanien-Politik“ wollte Franco die Minderheiten im Land – darunter die Basken – ihrer kulturellen Identität berauben.
Doch was in Zeiten der Diktatur von den Basken unterstützt wurde, fand nach 1975 immer weniger Zuspruch. Das demokratische Spanien gab dem Baskenland 1978 die größte Autonomie aller Regionen. Die Basken bekamen ein eigenes Parlament und eine eigene Polizei, Schulen und Universitäten konnten auf Baskisch unterrichten. Die ETA aber kämpfte weiterhin für völlige Unabhängigkeit. Dann machten staatlich finanzierte „Antiterroristische Befreiungsgruppen“ illegal Jagd auf ETA-Terroristen – echte und vermeintliche. Sie töteten 27 Menschen, darunter vermutlich ein Drittel Menschen, die nichts mit der ETA zu tun hatten. Die ETA fühlte sich nun noch mehr zum Töten angestachelt, zum Unverständnis vieler Basken und Spanier. Nach einem ETA-Mord im Jahr 1997 gingen zwei Millionen Menschen zum Protest auf die Straße.
Längst saßen da schon Politiker ETA-naher Parteien in den Parlamenten. Wie auch die IRA folgten die baskischen Separatisten einer Doppelstrategie aus politischem und Guerilla-Kampf. Und hier setzte die Anti-Terror-Strategie der internationalen Gemeinschaft an: Gleich fünf Friedensnobelpreisträger appellierten an die ETA, die Waffen niederzulegen; ein sechster, Kofi Annan, leitete sogar die entscheidende Friedenskonferenz. Mit Erfolg: 2011 erklärt die ETA, ihre Waffen niederlegen zu wollen. Als Vorbild diente auch die Lösung des Nordirland-Konfliktes. Heute treten Parteien wie das sozialistische Wahlbündnis Bildu weiterhin für ein unabhängiges Baskenland ein – aber eben mit friedlichen, parlamentarischen Mitteln.
Frankreich
Terror aus dem Windschatten
Mit Bombenanschlägen auf staatliche Behörden und einem Attentat auf einen Minister macht die anarcho-kommunistische Action directe 1979/80 in Frankreich auf sich aufmerksam. Ebenso wie die RAF und die Brigate Rosse griffen sie staatliche Institutionen an, um das „kapitalistische System“ zu Fall zu bringen. Die Ermittler kommen den Terroristen rasch auf die Spur, zwei Jahre nach der Gründung sitzt die Führung der Action directe in Haft. Dann gewinnt der Sozialist François Mitterand 1981 die Präsidentenwahl – und begnadigt/amnestiert mehr als ein Dutzend linksradikale Kämpfer der Gruppe.
Die Appeasement-Politik innerhalb der Linken scheitert: Schon wenige Monate später nehmen die Mitglieder der Action directe den Kampf wieder auf. Anschläge gegen Organisationen wie die Westeuropäische Union, die Raumfahrt-Organisation ESA und mehrere Politiker folgen, auch amerikanische und israelische Einrichtungen greift die Action directe an. Ein Dutzend Menschen sterben. Erst 1982 stuft die französische Regierung die Gruppe als militant ein und verbietet sie. Der Kampf gegen die Action directe wird zur Priorität der französischen Polizei. Ein Teil der Gruppe schließt sich noch 1985 mit der RAF zusammen, um Anschläge zu begehen. Doch 1987 nehmen Ermittler die Spitze der Action directe fest – sechs Jahre nach ihrer Freilassung. Einige der führenden Mitglieder sitzen bis heute in Haft.
Titelbild vom IRA-Bombenanschlag auf das Grand Hotel in Brighton im Oktober 1984: John Downing/Getty Images