„Das hier ist mein kleines Reich.“ Madeleine Krenzlin zeigt stolz auf ein schlichtes Holzhaus mit grauem Dach. Das Auffällige daran: Es steht auf Rädern und ist deutlich kleiner als die anderen Häuser auf dem Wochenendplatz, der etwa 20 Kilometer südlich von Bonn liegt. Krenzlins Haus ist ein sogenanntes Tiny House, auf Deutsch: ein „winziges Haus“.
Auf insgesamt 25 Quadratmetern hat die 36-Jährige alles, was sie braucht: eine Küche, ein Bad, eine Schlafecke und einen Wohnbereich mit Sofa und Tisch. Für das Leben auf engstem Raum hat sie sich bewusst entschieden. Vor zweieinhalb Jahren kündigte die Energiemanagerin dafür ihren Job und fing an, sich selbst – ohne jegliche Vorkenntnisse – ein eigenes Tiny House zu bauen. Über ein Jahr hat sie dafür gebraucht. Inzwischen berät Krenzlin andere, die ein Tiny House bauen oder kaufen möchten. Ursprünglich stammt das alternative Wohnkonzept aus den USA. Mittlerweile sind die kleinen Häuser auch in Deutschland im Trend. Besonders junge Menschen sehen darin die Möglichkeit, einen minimalistischeren Lebensstil pflegen zu können.
Auch tiny: der ökologische Fußabdruck
Diese Erfahrung hat auch Krenzlin gemacht: „Bei dem wenigen Stauraum bin ich gezwungen, mich einzuschränken. Ich habe nur drei Hosen, mehr brauche ich nicht, und für mehr ist kein Platz.“ Für viele, die ein Tiny House besitzen, bedeutet der Minimalismus gleichzeitig auch ökologische Nachhaltigkeit. Wer wenig Raum bewohnt, verbraucht nicht nur weniger Rohstoffe beim Bauen, sondern muss auch weniger heizen und benötigt weniger Strom. In Deutschland entfallen etwa 35 Prozent des Energieverbrauchs der privaten Haushalte auf den Lebensbereich Wohnen. Beinahe gleich stark ist der Prozentsatz an CO₂-Emissionen – der Großteil davon entsteht beim Heizen.
Sind Tiny Houses also die Lösung für umweltbewusstes Wohnen? Dieser Frage ist die US-Forscherin Maria Saxton nachgegangen und hat dafür 80 Personen befragt, die seit mindestens zwölf Monaten ein Tiny House bewohnen. Das Ergebnis: Das Leben im kleinen Haus verringerte den ökologischen Fußabdruck der Befragten im Durchschnitt um 45 Prozent. „Ich habe festgestellt, dass die Menschen nach der Verkleinerung dazu neigen, weniger energieintensive Nahrungsmittel zu essen und umweltbewusstere Essgewohnheiten anzunehmen“, so die Wissenschaftlerin. Zudem fuhren die Teilnehmenden weniger Auto und produzierten weniger Müll.
Trotzdem sind nicht zwangsläufig alle kleinen Häuser nachhaltig. Werden sie etwa mit schlechter Dämmung gebaut, können auch sie viel Energie verbrauchen. Und dennoch regen Tiny Houses zum Nachdenken über umweltfreundliches Wohnen an. „Die kritische Auseinandersetzung damit, wie viel Fläche zum Wohnen überhaupt notwendig ist, ist wichtig und richtig“, sagt Christine Lemaitre von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bau-en (DGNB).
Für Familien oder Menschen in Rente ist das Leben auf engstem Raum eher keine Option. Tiny Houses seien somit nur ein Baustein von vielen, um nachhaltiges Wohnen zu gestalten. „Sie eignen sich zur Aufstockung oder in Bereichen, wo aktuell keine Wohnungen existieren“, ergänzt Lemaitre. Derzeit erschweren baurechtliche Regelungen, dass jemand dauerhaft in einem Tiny House leben darf. Auch Madeleine Krenzlin darf nicht permanent in ihrem Haus wohnen. Für sie eine unbefriedigende Situation.
„Leben im Tiny House heißt: Mehr Zeit und Geld für Menschen und Erlebnisse, die mir wichtiger sind als Wohnfläche“
In erster Linie bedeutet nachhaltig wohnen Energie einzusparen. Diesem Grundsatz haben sich „Passivhäuser“ verschrieben, die so gebaut und ausgerichtet sind, dass neben einer guten Dämmung passive Quellen wie Sonneneinstrahlung, Abwärme von Haushaltsgeräten und Körperwärme ausreichen, um eine angenehme Temperatur zu erzeugen, und somit keine klassische Heizung benötigt wird.
Viele basieren zusätzlich auf dem „Low-Tech“-Prinzip, also der Beschränkung auf unbedingt notwendige Komponenten der Gebäudetechnik, die sich einfach warten und unterhalten lassen und beispielsweise Klimaanlagen überflüssig machen. Als Vorbild gilt etwa die neue Firmenzentrale einer Biolebensmittelkette in Darmstadt: Das Gebäude ist fast vollständig aus Lehm und Holz errichtet worden, Wärmespiralen in der Lehmfassade dienen als Heizung. Zur Stromgewinnung ist auf dem Dach eine Fotovoltaikanlage installiert worden, und eine Pumpe reguliert die aus der Erde gewonnene Wärme und somit die Temperatur.
Laut Lemaitre sei nachhaltige Stadtentwicklung immer auch eine Mischung von Baustilen und Technologien. In der Zukunft bräuchte es zudem Wohnformen, die relativ schnell umgenutzt werden könnten: die man also ohne viel Aufwand verkleinern oder vergrößern könne. Madeleine Krenzlin hat es nicht bereut, sich ihren Traum vom Tiny House ermöglicht zu haben: „Für mich bedeutet wenig Wohnraum auch die Freiheit, mehr Zeit und Geld für Menschen und Erlebnisse zu haben, die mir wichtiger sind als Wohnfläche.“ Als Nächstes plant sie, eine Terrasse für ihr Zuhause zu bauen.
Fotos: Lisa Santos