Bauen sich ein Arzt und ein Türke zwei Häuser. Genau gleich groß, genau gleich schön – direkt nebeneinander. Eines Tages geht der Türke zum Arzt und sagt: „Mein Haus ist mehr wert als deins!“ Sagt der Arzt: „Wieso denn das? Unsere Häuser sind doch völlig gleich!“ Antwortet der Türke: „Weil isch neben Doktor wohne und du neben Türke!“
Wie viel Wahres in dem Witz steckt, zeigte sich, als vor einigen Jahren das Haus neben meinem Elternhaus zum Verkauf stand. Der Makler hatte offenbar den türkischen Namen an unserem Klingelschild gelesen und, so erzählten es uns die Nachbarn, zu schimpfen angefangen. Mit den Türken nebenan werde das Haus aber ganz schön schwer zu verkaufen sein.
Namen sind nicht neutral
Diese Aussage allein gäbe schon Anlass genug zur Diskussion. Allerdings gibt es noch eine besondere Pointe obendrauf: Weit und breit wohnte nicht ein einziger Türke. Meine Mutter, die mittlerweile allein in dem Haus lebt, wäre selbst nach AfD-Maßstäben eine Deutsche. Sie trägt aber noch den Nachnamen meines türkischen Vaters, von dem sie sich vor mehr als 20 Jahren hat scheiden lassen. Daher der Name am Klingelschild. Für den Makler hatte das offenbar genügt, um die Verkaufsaussichten für das Haus nebenan deutlich zu senken.
Namen sind nicht neutral. Sie werden mit Bedeutung aufgeladen und bestimmen die öffentliche Wahrnehmung eines Menschen. Namen machen Menschen – und aus manchen Menschen machen sie Ausländer. In der sogenannten „Integrationsdebatte“ wird dieser Umstand oft unterschätzt.
Interessant ist der Fall einer türkisch-deutschen Familie aus Niedersachsen, die im vergangenen Jahr vor Gericht zog. Die Familie berichtete, die Kinder seien wegen ihres türkisch klingenden Nachnamens in der Schule über Jahre ausgegrenzt geworden. Sie fürchteten lebenslange Nachteile für sie in der Schule und im Beruf – und wünschten sich deshalb einen deutschen Familiennamen.
Die Benachteiligung in Schule und Beruf aufgrund von fremdsprachigen Namen ist mittlerweile durch Studien belegt. So führte zum Beispiel der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration im Jahr 2014 einen sogenannten Korrespondenz-Test durch. Dabei wurden jeweils zwei Bewerbungen von gleich gut qualifizierten männlichen Jugendlichen verschickt – einer mit deutschem Namen und einer mit türkischem Namen. Rund 1.800 Firmen in ganz Deutschland wurden angeschrieben. Das Ergebnis: Um zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden, mussten die Jugendlichen mit deutschem Namen im Schnitt fünf Bewerbungen verschicken. Bewerber mit türkischem Namen brauchten dazu im Schnitt sieben Anläufe. In bestimmten Berufen lag das Verhältnis sogar bei vier zu sieben – alles bei exakt gleicher Qualifikation.
Im Fall der Familie aus Niedersachsen ließ der zuständige Richter die Furcht vor sozialer und ökonomischer Benachteiligung ebenso wenig gelten wie deren Integrationswunsch. Dem Anliegen der Familie wurde nicht stattgegeben. Und das war kein Einzelfall.
In den USA ist eine Namensänderung relativ unkompliziert
Eine Namensänderung ist in Deutschlang keine einfache Sache. Während es beispielsweise in den USA ein relativ simpler Verwaltungsakt – und gesellschaftlich akzeptierter Vorgang – ist und Einwandererfamilien häufig ihren Familiennamen ändern oder anglisieren, folgt das Namensrecht hierzulande dem Grundsatz der Namenskontinuität. Der Name kann nicht frei gewählt werden, eine Änderungen ist die absolute Ausnahme und bedarf eines wichtigen Grundes. Dazu heißt es im Gesetzestext: „Aus der Tatsache allein, dass ein Familienname fremdsprachigen Ursprungs ist oder nicht deutsch klingt, kann ein wichtiger Grund für eine Namensänderung im allgemeinen [sic!] nicht abgeleitet werden.“
„Deutschland müsste sich viel mehr dafür einsetzen, dass Namen von Özcan bis Ivanova kein Hindernis sind.“
Sollte die Namensänderung im Namen der Integration also erleichtert werden, wie der Ex-Präsident des Verfassungsgerichtshofs von NRW, Michael Bertrams, im vergangenen Jahr forderte? Die Initiative „Deutsch Plus“ winkt ab. „Dass eine solche Namensänderung die Integration vereinfachen und Diskriminierung verhindern soll, sehen wir als falschen Ansatz“, sagt Anna Graefe, Sprecherin des Vereins, der sich für ein plurales Deutschland einsetzt. Statt durch eine Namensänderung müssten die Hürden durch ein Umdenken in der Gesellschaft überwunden werden. Graefe findet: „Deutschland müsste sich viel mehr dafür einsetzen, dass Namen von Özcan bis Ivanova kein Hindernis sind.“
Polnische und französische Namen etwa sind durch eine jahrhundertelange Migrationsgeschichte selbstverständlich in der deutschen Gesellschaft geworden. Niemand würde etwa dem Basketballer Dirk Nowitzki einen Migrationshintergrund zuschreiben. Doch wäre die gesellschaftliche Wahrnehmung von Mehmet Scholl die gleiche gewesen, wäre er der Mehmet Yüksel geblieben, als der er geboren wurde?
Nur die wenigsten Menschen in Deutschland wissen, wie man türkische Namen richtig ausspricht und schreibt
Im Umgang mit fremdsprachigen Namen offenbaren sich kulturelle Hierarchien, die im gesellschaftlichen Unterbewusstsein schlummern. Wer einen italienischen Namen falsch ausspricht, der macht sich auch in Deutschland schnell lächerlich. Doch selbst nach 50 Jahren deutsch-türkischer Einwanderungsgeschichte beherrschen die wenigsten Menschen hierzulande auch nur grundlegende Ausspracheregeln türkischer Namen. Von der richtigen Schreibweise ganz zu schweigen.
Entgegen den Befürchtungen des Maklers ist das Nachbarhaus meiner Mutter dann recht schnell verkauft worden. Eingezogen ist eine deutsch-italienische Familie.
Titelbild: Hahn&Hartung