Jung und strotzend vor Kraft, smart und voller revolutionärer Ideen, unermüdlich an einer besseren Zukunft arbeitend – so möchte man sich im Silicon Valley am liebsten sehen. Nur: So mancher CEO oder Investor hier ist schon lange nicht mehr 20, auch wenn er oder – weniger häufig – sie noch Kapuzenpullover und Sneaker trägt.
Wenn jugendliche Kleidung nicht mehr ausreicht, um das Alter zu kaschieren – was macht man dann im Tal der unbegrenzten technischen Möglichkeiten? So wie sie an autonomen Fahrzeugen, Roboterhelfern und Marskolonien arbeiten, arbeiten die alternden Visionäre daran, für immer gesund zu bleiben. Ihr Best-Case-Szenario: Der Tod ist optional.
Wer kämpft mit welchen Mitteln?
Der 70-jährige Ray Kurzweil prognostiziert: Innerhalb der nächsten 10 bis 15 Jahre werden neue Errungenschaften in der Medizin dafür sorgen, dass sich die Lebenserwartung pro Jahr um mehr als ein Jahr erhöht. Damit würden wir rein rechnerisch unsterblich. Wobei „wir“ in diesem Beispiel vor allem jene Menschen sind, die sich die entsprechenden Behandlungen leisten können. Kurzweil arbeitet seit 2012 für Google als „Director of Engineering“ und ist dabei auch in eines der zahlreichen Google-Seitenprojekte involviert: in die California Life Company, kurz Calico. Das Altern sei „eines der größten Mysterien des Lebens“, heißt es auf deren Website. Das Unternehmen will die körperlichen Auswirkungen des Alterns kontrollierbar machen. Wissenschaftler aus Feldern wie Medizin, Genetik und Molekularbiologie arbeiten hier seit 2013 zusammen. Über eine Milliarde US-Dollar hat Google bereits investiert. Ein weiteres Google-Seitenprojekt könnte dabei helfen: Verily, ehemals Google Life Sciences, will so viel wie möglich aus den Gesundheitsdaten von Menschen überall auf der Welt lernen.
Auch andere Tech-Größen wie Amazons Jeff Bezos oder der Investor Peter Thiel (neben Elon Musk einer der Mitbegründer von PayPal) sind aktiv. Sie gehören zu den Finanziers von Unity Biotechnology.
Nathaniel David: „Manche Investoren finden mein jugendliches Aussehen alarmierend. Andere finden es alarmierend, wenn jemand älter aussieht als 40“
Dessen Mitgründer Nathaniel David ist 50 Jahre alt und wird, so sagt er selbst, meist auf 30 geschätzt. Gegenüber dem Magazin „New Yorker“ scherzte er: „Manche Investoren finden mein jugendliches Aussehen alarmierend. Andere wie Peter Thiel finden es alarmierend, wenn jemand älter aussieht als 40.“ Mit Breakout Labs hat Thiel auch noch eine eigene Plattform geschaffen, um die Forschung voranzutreiben. Auch dort spielt der Kampf gegen Altern und Krankheit eine entscheidende Rolle. Er sei nicht bereit, den Tod als gegeben hinzunehmen, erklärte Thiel gegenüber der „Washington Post“. „Ich ziehe vor, ihn zu bekämpfen.“
Der Oracle-Gründer Larry Ellison gründete schon 1997 die Ellison Medical Foundation (heute The Lawrence Ellison Foundation). Die hat über viele Jahre Forschungsprojekte unterstützt, nimmt allerdings seit 2013 keine neuen Bewerber mehr an. Ellison hat dennoch nicht aufgegeben: Stattdessen hat er der University of Southern California 200 Millionen US-Dollar gespendet, um das „Lawrence J. Ellison Institute for Transformative Medicine“ aufzubauen. „Der Tod macht mich sehr ärgerlich“, hat er gegenüber seinem Biografen Mike Wilson erklärt. „Das hat für mich noch nie Sinn ergeben: Wie kann ein Mensch hier sein und dann einfach verschwinden, nicht mehr hier sein?“ Seine Adoptivmutter war verstorben, als er Student war. 1994 starb Oracle-Mitgründer Robert Miner an Krebs.
Den Tod besiegen – geht das wirklich?
Dem Tod ein Schnippchen zu schlagen klingt dabei zunächst wie so manche andere Idee, die aus dem Silicon Valley kommt: ein bisschen größenwahnsinnig. Doch die Forschung in den letzten Jahren hat gezeigt, dass man Altern vielleicht tatsächlich wie eine Krankheit ansehen kann. Es lassen sich Ursachen finden und dann entsprechend „behandeln“. Umstritten ist allerdings weiterhin, wie weit sich die menschliche Lebenserwartung ausdehnen lässt. Forscher vom Albert Einstein College of Medicine in New York kamen bei einer Studie beispielsweise zu dem Ergebnis: Um die 115 Jahre sind drin, aber nicht sehr viel mehr. Andere widersprachen dieser Darstellung: Eine solche Grenze sei nicht erkennbar.
Sollte sich herausstellen, dass es ein Limit für den menschlichen Körper gibt, bleibt immer noch eine Zukunft als Cyborg
Sollte sich herausstellen, dass es ein Limit für den menschlichen Körper gibt, bleibt immer noch eine Zukunft als Cyborg. Auch darauf bereitet Ray Kurzweil sich vor: Im Laufe dieses Jahrhunderts werden wir mehr und mehr Teile unseres Körpers durch künstliche Bausteine ersetzen können. Nanoroboter, sogenannte Nanobots, können in unserem Blut patrouillieren und krankhafte Entwicklungen anzeigen. Der Mensch verwandelt sich damit Schritt für Schritt, Operation für Operation in eine Maschine.
Dem russischen Internet-Milliardär Dmitry Itskov geht das alles zu langsam: Er will sein Bewusstsein so schnell wie möglich in einen Computer und einen Roboterkörper transferieren. Copy und Paste. Seine „2045 Initiative“ soll das möglich machen. Gegenüber der britischen BBC erklärte er selbstbewusst, er werde innerhalb der nächsten 30 Jahre dafür sorgen, dass wir alle ewig leben können. „Ich bin hundertprozentig sicher, dass es passieren wird. Andernfalls hätte ich es nicht angefangen.“
Es eilt – der Kampf gegen den Tod ist auch ein Kampf gegen die Zeit
Eine Frage, die sich bei all diesen Investitionen stellt: Für wen mach ich das eigentlich? Wer in die Forschung rund ums ewige Leben investiert, dem sitzt die Zeit im Nacken: Komm ich selbst noch rechtzeitig dran? Wie tragisch wäre es, kurz vor dem entscheidenden Durchbruch zu sterben? Aber auch dafür gibt es eine Lösung, die mancher vielleicht aus Science-Fiction kennen wird: Man lässt sich einfrieren mit der Hoffnung, nach dem Auftauen von einigen freundlichen Unsterblichen begrüßt zu werden. In Scottsdale in Arizona gibt es das schon ab vergleichsweise preisgünstigen 80.000 US-Dollar. Nachteil: Dafür friert das Unternehmen Alcor nur den Kopf ein. Wer seinen gesamten Körper in die Zukunft hinüberretten möchte, muss schon 200.000 US-Dollar hinblättern.
Am vielleicht nie eintreffenden Ende stehen dann zwei Fragen. Erstens: Will man das wirklich? Der prominente Wissenschaftler Neil deGrasse Tyson sieht die Bestrebungen skeptisch, auch wenn er nicht daran zweifelt, dass sie realistisch sind. „Warum sollte ich dann noch morgens aufstehen?“, fragte er in einem TV-Interview. „Es gibt schließlich immer einen nächsten Tag.“ Peter Thiel hingegen erklärte in einem Interview mit der „Washington Post“, dass er an diesen Effekt nicht glaubt: „Ich denke, viele Menschen wären stärker motiviert, weil sie mehr Zeit hätten, um etwas Bedeutsames und Signifikantes zu erreichen.“
Am vielleicht nie eintreffenden Ende stehen dann zwei Fragen. Erstens: Will man das wirklich? Und zweitens: Wer kann sich das leisten?
Und zweitens: Wer kann sich das leisten? Yuval Noah Harari, der Bestsellerautor von „Homo Deus“, sagte dem Bayerischen Rundfunk: „Es könnte schon bald möglich sein, menschliches Leben upzugraden und Supermenschen zu kreieren. Das wird aber sehr teuer sein, zumindest anfangs. Dadurch wird der Mensch in biologische Klassen geteilt. Wir haben dann bald vielleicht nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine biologische Ungleichheit.“