In der U-Bahn sind noch zwei Sitzplätze frei: neben dem Fahrgast mit der bunten Pudelmütze auf dem Kopf und dann noch neben dem Mann mit den Tätowierungen im Gesicht. Schwere Entscheidung? Für die meisten Fahrgäste wohl eher nicht.
Die Porträtserie „Skin Deep“ des britischen Fotografen Steven Burton verdeutlicht, wie sehr Tattoos den Blick auf Menschen und unsere Meinung über sie beeinflussen. Burton fotografierte frühere Gangmitglieder aus Los Angeles und entfernte die zahlreichen Tätowierungen auf ihren Körpern und Köpfen digital. 400 Stunden lang ließ er Bandennamen und Gefängnissymbole, nackte Frauen und Totenköpfe verschwinden, bis die 27 fotografierten einstigen Kriminellen komplett tintenfrei waren.
Wie anders die retuschierten Porträts auf den Betrachter wirken, überraschte nicht nur Steven Burton, sondern auch die Porträtierten selbst: Viele hatten sich Jahre oder sogar Jahrzehnte lang nicht mehr ohne Tattoos gesehen. Die Schriften und Bilder waren ein Teil von ihnen geworden – und blieben es, auch nachdem sie sich für ein Leben ohne Bandenkriege, Drogendeals und Drive-by-Shootings entschieden hatten.
Viele der Porträtierten schafften diesen Absprung mit Hilfe der Stiftung Homeboy Industries. Sie bietet ehemaligen Gangmitgliedern neben Lebens- und Rechtsberatung, Nachhilfe- und Arbeitsplätzen auch kostenlose Tattooentfernung an: Das Leben der Aussteiger werde dadurch weniger gefährlich und die Stigmatisierung durch die Gesellschaft weniger.