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Wohin geht die Reise?

Adieu, Nashorn; mach’s gut, Goldkröte: Wissenschaftler schlagen Alarm, dass unser Lebenswandel zum massiven Aussterben von Tieren führt

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Nashorn (Foto: David Chancellor)

Die Goldkröte quakt schon lange nicht mehr. Zum letzten Mal gesichtet wurde sie 1989 in einem Urwald im Norden Costa Ricas. Heute gilt die erst in den 1960er-Jahren entdeckte Krötenart als ausgestorben.

Insgesamt eine Million Arten könnte in den kommenden Jahren und Jahrzehnten aussterben

Amphibien leben gefährlich auf unserem Planeten. Schuld ist ein Pilz, der sich durch den afrikanischen Krallenfrosch verbreitet hat. Dieser eignet sich besonders gut für wissenschaftliche Studien und brachte den Pilz mit in die weite Welt. Mehr als 40 Prozent der Frösche, Salamander, Molche und Kröten sind in ihrer Existenz bedroht. Und sie sind damit nicht allein: Ein Achtel aller Tier- und Pflanzenarten könnte in den kommenden Jahren und Jahrzehnten aussterben – insgesamt eine Million Arten. Neben Amphibien sind auch Haie besonders gefährdet, Meeressäuger und riffbildende Korallen, von denen jeweils etwa ein Drittel der Arten verschwinden könnte.

All diese verheerenden Zahlen hat der IPBES, der sogenannte Weltbiodiversitätsrat mit 132 Mitgliedstaaten, im Mai 2019 in seinem „Global Assessment“ veröffentlicht. Das ist nicht irgendeine Studie, sondern wahrscheinlich die größte zum Thema Artenschutz und Biodiversität, die es jemals gab. Knapp 500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben Erkenntnisse aus 15.000 Untersuchungen und wissenschaftlichen Arbeiten einfließen lassen und kamen zu einem eindeutigen Ergebnis: Die Gründe für das Artensterben sind menschengemacht – und vielfältig. Da ist zum einen die übermäßige Jagd auf Tiere, wie sie sich etwa in der Überfischung der Meere zeigt. Noch schlimmer ist aber, wie die Menschheit die Lebensräume von Tieren und Pflanzen immer weiter verkleinert oder ganz zerstört. Das tun wir vor allem, um unseren eigenen Nahrungsbedarf zu stillen. Doch fehlen auf großen Weideflächen oder in Monokulturen wie den quadratkilometergroßen Palmölplantagen die vielfältigen ökologischen Nischen, die vorher vielen Tieren und Pflanzen Lebensraum boten.

Auch die fortschreitende Urbanisierung spielt eine Rolle: Seit 1992 haben sich die städtischen Gebiete verdoppelt. Drei Viertel der Landfläche und zwei Drittel der Meere wurden durch den Menschen bereits entscheidend verändert. Insgesamt stellt der IPBES-Bericht einen Rückgang der natürlichen Ökosysteme um 47 Prozent im Vergleich zum uns bekannten Ursprungszustand fest.

Biosysteme befinden sich in einem fragilen Gleichgewicht, das durch jede Störung verändert wird

Ein weiteres Problem sind die invasiven Arten: Tiere und Pflanzen, die im Gefolge des Menschen in eine andere Umgebung kommen, wo sie sich besser durchsetzen können als die vorhandenen – und diese zum Teil verdrängen. Auch die Umweltverschmutzung und der menschengemachte Klimawandel bedrohen die Biodiversität: Schon ein leichter Anstieg der Temperatur und ein daraus resultierendes Absinken des pH-Werts der Meere können beispielsweise das Sterben von Korallen beschleunigen – was wiederum den Lebensraum für viele Fische und andere Spezies vernichtet. Denn mit jeder Tier- und Pflanzenart, die ausstirbt, sind weitere bedroht. Die Biosysteme befinden sich schließlich in einem fragilen Gleichgewicht, das durch jede Störung verändert wird.

Noch gibt es laut den Autoren der IPBES-Studie Hoffnung – aber nur, wenn ab sofort konsequent gehandelt wird. Der Mensch muss sich zurücknehmen, die Ressourcen nachhaltiger nutzen, deutlich weniger verbrauchen und so der Natur wieder mehr Raum geben. Das ist bisher nicht passiert. So werden viele der von der Staatengemeinschaft für das Jahr 2020 vereinbarten Ziele laut IPBES-Bericht höchstwahrscheinlich verfehlt – etwa die Überfischung der Meere zu stoppen oder den Verlust natürlicher Lebensräume mindestens zu halbieren. Bei alldem geht es nicht nur um das Wohlergehen der Tiere und Pflanzen. Immer wieder betont der IPBES-Bericht, wie sehr wir Menschen Teil des Ganzen und für unser eigenes Überleben und Wohlergehen auf funktionierende Ökosysteme angewiesen sind. Sie regulieren die Luftqualität und das Klima, dienen uns als Erholungsraum oder als Puffer bei Überschwemmungen oder Erdrutschen und vieles mehr. Ohne bestäubende Insekten wie Bienen und Hummeln geht die Lebensmittelproduktion zurück, auch diverse Arzneien haben eine pflanzliche Basis. Viele dieser Funktionen sind nicht künstlich zu ersetzen. Der Schutz der Ökosysteme ist auch ein Schutz der Gattung Mensch.

Titelbild: David Chancellor

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.