Was passiert eigentlich bei einem Klimagipfel?
Verschiedene Wissenschaftler sagen den teilnehmenden Politikern im Vorfeld, was ihrer Ansicht nach nötig ist, um gefährliche Verwerfungen in unserem Klimasystem zu verhindern. Eine besondere Rolle spielt dabei der Weltklimarat. Der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) ist ein „zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen“, der im Auftrag der Vereinten Nationen (UN) die aktuellen wissenschaftlichen Grundlagen der Klimaforschung zusammenträgt und den neuesten Kenntnisstand zum Klimawandel bewertet.
Immer im Frühjahr treffen sich die Klimadiplomaten erstmals zum Gipfel am Sitz des UN-Klimasekretariats in Bonn, um eine Verhandlungsagenda zu beschließen. Dann folgen etliche Sitzungen verschiedener Arbeitsgruppen, die nach Lösungen suchen. Zum Jahresende – meistens im November oder Dezember – tritt dann die Vertragsstatenkonferenz, die die Conference of the Parties (COP) zusammen. So wie jetzt gerade in Bonn. Entscheidend ist die zweite Woche, in der die zuständigen Vertreter der Vertragsstaaten anreisen: Sie müssen das Abkommen, in dem der Kompromiss festgelegt ist, unterschreiben.
Wann fand die erste Weltklimakonferenz statt?
1995 in Berlin. Damals beschlossen die Delegierten ein Verhandlungsmandat, mit dem zwei Jahre später in Kyoto (Japan) ein Weltklimavertrag gefunden werden sollte – das Kyoto-Protokoll. Konferenzpräsidentin war damals übrigens die deutsche Umweltministerin Angela Merkel (CDU), ihr Chef Helmut Kohl versprach der Welt, dass Deutschland seine Treibhausgase bis zum Jahr 2005 freiwillig um 25 Prozent – verglichen mit 1990 – senken wird. Das hat die Delegierten so beeindruckt, dass sie den Sitz des UN-Klimasekretariats in Deutschland, konkret in Bonn, ansiedelten. Allerdings wurde Helmut Kohls Ziel krachend verfehlt.
Die NGOs schließen sich zu Interessensblöcken zusammen
Die Umwelt-Nichtregierungsorganisationen sind die Engos, die „environmental non-governmental organization”. Das sind zum Beispiel Greenpeace, Brot für die Welt oder Friends of the Earth.
Bingos (Business-friendly international NGO) nennen sich die Business-Nichtregierungsorganisationen, zum Beispiel der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), das Europäische Atomforum oder das American Council On Renewable Energy (ACORE)
Als Ringos haben sich Wissenschaftler aus Research-NGOs zusammengeschlossen – zum Beispiel das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, die Universität East Anglia, aber auch „Klimaskeptiker“.
Youngos sind Jugendvertreter, Tungos Gewerkschafter, Handelslobbyisten, Entwicklungs-NGOs, es gibt zudem Vertreter der Indigenen, Bauernvertreter, Vertreterinnen von Frauenrechten.
Wer sind die Hauptakteure bei einem Klimagipfel und was ist ihre Funktion?
Zunächst die Unterhändler der 197 Vertragsparteien (196 Staaten und die Europäische Union). Schnell wachsen die Regierungsdelegationen auf über 100 Köpfe an, weil die Verhandlungen sehr komplex sind, die Landwirtschaft betreffen, den Verkehrssektor, die Wirtschaft, die Entwicklungszusammenarbeit, das Versicherungswesen. Dazu kommen die Politiker mit ihren Mitarbeitern, die letztlich die Entscheidungen fällen müssen. Für Deutschland beispielsweise sind derzeit in Bonn über 200 Unterhändler und Politiker akkreditiert, insgesamt kommen so mehr als 11.300 Unterhändler zusammen.
Und: Jede Menge Journalisten sind vor Ort. Auf dem Klimagipfel in Bonn sind 1.633 Medienvertreter zugelassen. Außerdem gilt ein zivilgesellschaftliches Prinzip der UN: Weil hier die Zukunft der Erde behandelt wird, sind Nichtregierungsorganisationen (NGOs) als Beobachter zugelassen. Sie beobachten aber natürlich nicht nur, sie versuchen, selbst die Verhandlungen zu beeinflussen. In Bonn zugelassen sind derzeit knapp 6.200 Beobachter.
Wie kommt es auf Klimagipfeln zu einem Beschluss?
Zunächst: Es herrscht das UN-Prinzip der Einstimmigkeit. Das bedeutet: Kein Staat darf dagegen sein. Und weil alles miteinander zusammenhängt, ist es schwierig, einen Kompromiss zu finden. Ein Klimagipfel ist nämlich die Summe aus sehr vielen Einzelgipfeln, die gleichzeitig stattfinden:
Die UN-Klimakonferenz ist die jährlich stattfindende Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties, kurz COP). Oder: Das, was man in den Medien eben „Klimagipfel“ nennt.
Die CMP ist „Conference of the Parties serving as the meeting of the Parties to the Kyoto Protocol“ ist die Konferenz der Unterzeichner des Kyoto-Protokolls. Hier wird beraten, wie das erste verbindliche Umweltabkommen von 1997 weiter entwickelt werden soll.
Die CMA dient als Tagung der Vertragsparteien des Pariser Übereinkommens und ist das oberste Organ. Die CMA überwacht die Umsetzung des Übereinkommens und trifft Entscheidungen, um die Umsetzung zu fördern. Alle Staaten, die Vertragsparteien des Pariser Übereinkommens sind, sind auf der Konferenz vertreten.
Die SBSTA ist, vereinfacht gesagt, eine Unterkonferenz der COP, die sich mit „Wissen“ beschäftigt, also mit Fragen wie: Speichert ein Kiefernwald genau so viel CO2 wie ein Regenwald?
Das SBI ist ebenfalls eine Unterkonferenz der COP, die sich mit „Verwaltung“ beschäftigt, also Fragen wie: „Wer ist berechtigt, Geld aus welchem Fonds zu beantragen?“
Geld spielt nämlich eine große Rolle auf den Klimagipfeln: Die Industriestaaten haben zugesagt, dass sie ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar in den globalen Süden transferieren, damit sich diese Länder an die Folgen der Erderwärmung anpassen können. Dazu wurde der Green Climate Funds gegründet.
Unterverhandlungsgruppen gibt es außerdem zu speziellen Themen wie Waldschutz, Landnutzung, Klimaversicherungen, Anpassung. All diese Unterverhandlungen korrespondieren miteinander, weshalb ein Kompromiss zum Schluss immer schwer wird. Nicht selten werden deshalb am Ende des Klimagipfels die Uhren angehalten. Dann wird so lange dauerverhandelt, bis auch der letzte Staat seinen Widerstand aufgibt.
Was ist das Pariser Übereinkommen und was sind seine Ziele?
Das Pariser Abkommen ist der 2015 beschlossene und am 4. November 2016 in Kraft getretene Weltklimavertrag in Nachfolge des Kyoto-Protokolls. Darin verpflichten sich die Vertragsstaaten, den „Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2 °C über dem vorindustriellen Niveau“ zu halten und Anstrengungen zu unternehmen, um den Temperaturanstieg auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
Um das zu erreichen, durfte jeder Staat erklären, welchen Beitrag er dafür zu leisten bereit ist. Deutschland beispielsweise hat erklärt, seine Treibhausgase bis 2020 um 40 Prozent unter das Niveau von 1990 zu senken. Allerdings droht der Bundesregierung dieses Ziel nicht mehr schaffen.
Zuletzt traten ihm Nicaragua und Syrien – trotz Krieg – bei, weshalb jetzt alle Staaten der Erde den neuen Weltklimavertrag in Nationales Recht umgesetzt haben. Allerdings hat das US-Außenministerium auf Initiative von Präsident Donald Trump im August 2017 erklärt, aus dem Paris-Protokoll auszutreten. Das ist allerdings erst nach langen Übergangsfristen möglich – frühestens im November 2020, kurz vor der nächsten US-Präsidentschaftswahl.
Worum geht es beim Klimagipfel in Bonn?
In erster Linie um Regeln: Um das Pariser Abkommen überhaupt umsetzen zu können, braucht es zunächst einmal Richtlinien. Dazu gehören zum Beispiel Maßstäbe, um die nationalen Klimaschutzpläne (NDC) vergleichen zu können. Also die Frage: Macht Deutschland für den Klimaschutz genug?
Es geht um Transparenzregeln: Ist das Geld, was der Norden in den Süden bezahlt auch wirklich zusätzlich? Oder stammt die zugesagte Klimafinanzierung aus dem Topf der Entwicklungshilfe?
Und es geht um die Frage: Reicht das, was die Staaten der Welt als freiwilligen Beitrag zum Klimaschutz und zur Klimafinanzierung bislang zugesagt haben eigentlich aus, um die Ziele des Paris-Protokolls einzuhalten? Und weil die Antwort ganz klar „Nein!“ lautet, geht es darum, wer mehr Verantwortung übernimmt.
Wieso ist Fidschi Gastgeber der diesjährigen Klimakonferenz?
Getreu der UN-Arithmetik „wandert“ die Konferenz der Vertragsstaaten – die COP – über den Planeten: Nach einem Industrieland aus Westeuropa oder Nordamerika richtet ein Staat aus Mittel- oder Südamerika den Klimagipfel aus, dann geht es nach Afrika, gefolgt von Asien/Ozeanien, bevor ein osteuropäischer oder Nachfolgestaat der Sowjetunion Gipfelgastgeber wird. Im Westen beginnt der Zyklus dann von Neuem. Das ist wichtig, denn jeder Gastgeber setzt eigene Schwerpunkte: Afrikanische Länder machen die Anpassung an den Klimawandel sehr stark zum Thema – sie sind besonders betroffen, Gastgeber wie Indonesien den Waldschutz. Fidschi thematisiert in diesem Jahr sehr stark den Anstieg des Meeresspiegels. Die Besonderheit ist, dass es in dem Inselstaat mit seinen 890.000 Einwohnern kein geeignetes Konferenzzentrum für die knapp 20.000 Gipfelteilnehmer gibt, weshalb Bonn als Ersatzheimat eingesprungen ist, weil dort das UN-Klimasekretariat sitzt.
Warum gibt es Klimagipfel überhaupt?
Wegen des Weltgipfels von Rio. 1992 trafen sich in Rio de Janeiro (Brasilien) gut 17.000 Experten und Politiker, Vordenker und Staatschefs, um den Zustand der Erde zu analysieren. Ergebnis: Es läuft etwas schief mit der menschlichen Entwicklung. In der Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung heißt es deshalb: „Die Staaten werden … die Gesundheit und die Unversehrtheit des Ökosystems der Erde … schützen und wiederherstellen“.
Als „Medizin“ beschlossen die Vereinten Nationen fünf Dokumente:
- Die Agenda 21, ein weltweites Nachhaltigkeits-Aktionsprogramm für das 21. Jahrhundert, um einer weiteren Verschlechterung der Situation des Menschen und der Umwelt entgegenzuwirken und eine nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen sicherzustellen;
- die Biodiversitätskonvention, die Convention on Biological Diversity, mit der das weltweite Artensterben gestoppt werden soll;
- die Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung in den von Dürre und/oder Wüstenbildung schwer betroffenen Ländern, insbesondere in Afrika um die bestehende Ackerfläche zu erhalten;
- eine Deklaration zum Schutz der Wälder und
- die Klimarahmenkonvention, die United Nations Framework Convention on Climate Change, abgekürzt UNFCCC, mit der die Erderwärmung offiziell zur akutesten Bedrohung der Menschheit erklärt wurde.
In allen Konventionen sind „Konferenzen der Vertragsstaaten“ vorgeschrieben, „Conferences the Parties“. Die COPs sollen Instrumente suchen, mit der die Ziele der Konventionen eingehalten werden können.
Was waren die bisher wichtigsten Klimakonferenzen?
COP 3: In Kyoto (Japan) wurde 1997 das Kyoto-Protokoll beschlossen, mit dem die Industriestaaten ihren Treibhausgas-Ausstoß bis zum Jahr 2012 um 5,2 Prozent senken mussten.
COP 13: Auf Bali 2007, auf der mit der Bali Road Map ein Verhandlungsmandat zu einem neuen Weltklimavertrag – einem Anschlussvertrag an das Kyoto-Protokoll – beschlossen wurde.
COP 15: In Kopenhagen. Der Weltgipfel 2009 sollte einen neuen Weltklimavertrag bringen, scheiterte aber kläglich.
COP 17: In Durban (Südafrika) beschlossen die Vertragsstaaten 2011 ein neues Verhandlungsmandat, das diesmal einen neuen Vertrag bringen soll.
COP 21: Im Jahr 2015 in Paris. Mit dem Paris-Protokoll wurde ein neuer Weltklimavertrag geschlossen: Die Erderwärmung soll auf „unter 2 °C“ begrenzt werden.
Nick Reimer ist Journalist und Autor, unter anderem veröffentlichte er das Buch „Schlusskonferenz. Geschichte und Zukunft der Klimadiplomatie“. Er ist Mitbegründer des Magazins klimaretter.info.
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