Acht bis zwölf Jahre braucht eine Nordmanntanne, bis sie groß genug ist, um Weihnachtsbaum zu sein. Im besten Fall steht sie anschließend einen Monat, im schlechtesten ein paar Tage in einem Wohnzimmer. Kurz nach dem Fest wird sie dann Abfall, zusammen mit etwa 25 bis 30 Millionen Bäumen alleine in Deutschland, jedes Jahr.
Warum nicht einfach Vitamin-C-haltige Tannentees kochen?
Dabei ließen sich die Bäume noch weiter nutzen. So kann man beispielsweise aus den Nadeln Badezusätze machen, die ätherischen Öle sind schon mit drin. Auf ähnliche Weise lassen sich auch Vitamin-C-haltige Tannen- oder Fichtennadeltees kochen (nicht für Schwangere geeignet!). Und im Garten helfen die Nadeln bei der Schneckenabwehr.
Ganze Tannenzweige können wiederum Beete oder Blumenkästen vor Frost schützen. Auch sind sie gut geeignet, einen Komposthaufen zu strukturieren: Legt man die Zweige lagenweise zwischen die Essensabfälle, verbessern sie die Luftzirkulation und so die Kompostierung. Wer einen Kamin hat, kann das Holz des Stammes verfeuern – vorher sollte es allerdings erst mal gut trocknen, am besten mehrere Monate lang. Und wer einen Häcksler besitzt, kann aus dem Stamm Mulch für die Gartenbeete machen.
Weihnachtsbäume verheizen: deckt den Jahresbedarf von 500 Haushalten
Eine andere Möglichkeit ist das Upcycling: aus dem alten Baum etwas Neues schaffen. Das erfordert etwas Geschick, aber immerhin ist Nadelholz relativ weich und so leichter schnitz- und formbar. Bei Nordmanntannen – die mit Abstand beliebteste Christbaumsorte in Deutschland – wachsen die Zweige ringförmig um den Stamm. Aus diesen Segmenten lassen sich gut Kleiderhaken basteln. Oder auch ein Küchenquirl. Auch ein Schlitten oder Möbel aus alten Weihnachtsbäumen sind denkbar – wenn man Zeit, Muße und die richtigen Werkzeuge zur Hand hat.
Wer weder Kamin noch Bedarf an selbst gemachtem Mulch hat, muss trotzdem kein schlechtes Gewissen haben: Aus Sicht der Entsorgungswirtschaft sind Weihnachtsbäume „Grüngutabfälle“, das Gros wird kompostiert, ein Teil landet in Biomasse-Kraftwerken, einige werden auch verbrannt. Viele Müllabfuhren sind auf die Christbaumschwemme im Januar vorbereitet und holen, meist an festgelegten Tagen und Orten, die Bäume ab. Diese sollten unzerhackt, ungeschmückt und unverpackt sein.
So wie in Berlin, wo die BSR jedes Jahr durchschnittlich 350.000 Bäume schreddert. Regionale Biomasse-Kraftwerke verarbeiten die Reste zu Fernwärme und Strom. Das deckt den Jahresbedarf von 500 Berliner Haushalten. Im schleswig-holsteinischen Eckernförde helfen die Bäume seit fast 40 Jahren sogar dabei, die Strandpromenade im Winter vor Sand und Überspülung zu schützen: Ihre Zweige werden zu Bündeln geschnürt und verstärken den Sandfangzaun.
Wo alte Weihnachtsbäume hingegen nicht landen: im Zoo. Zwar stimmt es, dass Elefanten und auch andere Zootiere gerne Christbäume essen. Serviert bekommen sie aber nur unverkaufte Exemplare, bei denen ausgeschlossen ist, dass Rückstände von Lametta oder anderem Christbaumschmuck die Tiere gefährden können.
Sauerländer Tanne aus georgischen Samen
Letztlich ist das Problem bei deutschen Weihnachtsbäumen aber weniger die Entsorgung als der Anbau. Zwar stammen 90 Prozent der in Deutschland verkauften Bäume aus regionalem Anbau: Die Hochburgen der Weihnachtsbaumwirtschaft sind Nordrhein-Westfalen (Sauerland), Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Doch die meisten Bäume werden in Monokulturen gezüchtet, was ökologisch gesehen problematisch ist. Dazu kommt, dass nur rund 60 Prozent der Tannen bilderbuchartig wachsen. Wer einen Baum mit schiefem Stamm kauft, bewahrt ihn davor, direkt wieder entsorgt zu werden.
Ende 2017 hatte der BUND die Nadeln von 17 Weihnachtsbäumen untersuchen lassen und in 13 von ihnen Rückstände von Pestiziden gefunden, in neun davon sogar das auch für Menschen bei Verzehr schädliche Insektizid Lambda-Cyhalothrin. Aus diesem Grund sollte man auch für all die oben genannten Möglichkeiten der Weiterverwertung unbedingt die Herkunft seines Baumes kennen.
Der BUND und andere Umweltverbände empfehlen Bio-Weihnachtstannen, etwa von Bioland und Demeter, oder FSC-zertifizierte Bäume. (FSC steht für „Forest Stewardship Council“ und ist ein internationales Zertifizierungssystem für nachhaltigere Waldwirtschaft, das auch bei Möbeln, Spielzeug usw. aus Holz zum Einsatz kommt.)
Das Internet ist voll mit Bastelanleitungen für ein baumloses Weihnachtsfest
Wer sich dazu noch um die Arbeitsbedingungen georgischer Saatgutproduzenten kümmern möchte – denn aus Georgien stammt die Nordmanntanne ursprünglich, und dort steigen Tannenzapfenpflücker für Billiglöhne in bis zu 30 Meter hohe Bäume –, der achtet zusätzlich darauf, dass er einen Fair-Trade-Weihnachtsbaum kauft. Bisher sind aber nur eine Handvoll deutsche Händler – und die TOOM-Baumärkte – Teil der 2007 in Dänemark gegründeten Fair-Trees-Initiative. Und: Nicht jeder „Fair Tree“ ist automatisch auch bio.
Noch nachhaltiger sind natürlich Tannen und Fichten, die man nach dem Fest wieder einpflanzt. Lebende Weihnachtsbäume sollte man nicht zu lange im Wohnzimmer stehen haben und sie vorher in einem kühleren Raum akklimatisieren. Solche Bäume kann man auch mieten; einfach mal bei den Baumschulen und Förstereien in der Nähe nachfragen. Dazu kommen überregionale Anbieter wie Paderbäumchen (für Deutschland), Ecosapin (für die Schweiz) oder Greentree (agieren in und um München, Wien und Graz).
Oder man verzichtet einfach mal komplett auf einen echten Christbaum. Ob Pyramiden aus LED-verzierten Büchern, Tannenzweig-Mobiles, Tape-Art an der Wand, bunt verzierte Zimmerpflanzen – das Internet ist voll mit Bastelanleitungen für ein baumloses Weihnachtsfest. Zum einen brauchen sie keine acht bis zwölf Jahre Vorbereitung, zum anderen nadeln sie auch weniger.
Titelbild: Heinrich Holtgreve / OSTKREUZ