Am 1. Januar 2017 ist das dritte von drei Pflegestärkungsgesetzen der Bundesregierung in Kraft getreten. CDU/CSU sehen in seiner Umsetzung einen Erfolg, da zusätzliche Betreuungskräfte eingesetzt, ein neues Modell zur Pflegedokumentation, das der Bürokratisierung entgegenwirken soll, eingeführt sowie Pflegebedürftigkeit einfacher anerkannt werden.

Seitens der SPD sind ähnlich zufriedene Stimmen zu hören – aber auch, dass speziell in der Altenpflege die Arbeitsbedingungen weiter verbessert werden müssen.

Die Linke kritisiert, es seien keine strukturellen Änderungen vorgenommen worden, die an der zu hohen Arbeitsbelastung und der schlechten Bezahlung in der Pflege etwas ändern könnten. „Die herrschende Politik […] forciert die Einführung von Marktverhältnissen im Gesundheitswesen, anstatt auf eine Integrierte Versorgung zu setzen“, schreibt Nadja Rakowitz in einer Publikation der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Seit Einführung der Fallpauschalen 2004 rechnen Krankenhäuser pro Diagnose ab statt pro Patient/Nacht. Je schneller die Patienten entlassen werden, desto mehr Gewinn kann erzielt werden.

Ein Antrag der Grünen vom März 2017 fordert mehr professionelles Personal, tarifvertraglich geregelte Löhne und vor allem eine angemessene Interessenvertretung für Pflegende. Ärzte und Krankenkassen sind in den entscheidenden Gremien gut vertreten und können mitreden. Die Grünen sehen ein großes Problem darin, dass Pflegekräfte in diesen Gremien bisher kaum Mitspracherecht haben und deshalb schlecht bezahlt werden. Ihren Antrag nannten sie daher „Lobby für die Pflege“.

Hochschulstudium oder Berufsausbildung?

Mit den Pflegestärkungsgesetzen wurden die einzelnen Ausbildungen zum/zur Kranken-, Kinder- und Altenpfleger*in zu einer Grundausbildung zusammengefasst. So sollen neue Karrieremöglichkeiten und ein späterer Wechsel zwischen den Disziplinen erleichtert werden. In der politischen Debatte um die Pflege gibt es die Forderung, die Berufsausbildung durch ein Hochschulstudium zu ersetzen. Die Befürworter argumentieren, dass dadurch das Ansehen des Pflegeberufs aufgewertet werden könnte. Und in der Tat gibt es Studien, die zeigen, dass ein Pflegestudium die Risiken für Patienten verringern könnte. Andere sehen keinen Sinn in der Akademisierung des Pflegeberufs, da es vor allem auf die soziale Kompetenz ankomme und die höheren Einstiegsvoraussetzungen den Fachkräftemangel noch verschärfen könnten.

Sicherlich sind die oftmals unattraktiven Arbeitsbedingungen ein Grund dafür, dass es zu wenige Pflegekräfte in Deutschland gibt. Das Statistische Bundesamt geht für 2025 von ca. 193.000 fehlenden Pfleger*innen aus. Daher wird vermehrt ausländisches Pflegepersonal angeworben. Im vergangenen Jahr hat der „Arbeitgeberverband Pflege“ mit einem Pilotprojekt begonnen, Pflegekräfte aus China nach Deutschland einzuladen. Doch kann das eine Lösung sein? Großbritannien und die USA sind schon länger auf die Zuwanderung von medizinischem Personal angewiesen. Tatsächlich ist aber eine Folge, dass Ländern wie Vietnam oder den Philippinen dadurch die besten Fachkräfte entzogen werden und dort die gesundheitliche Versorgung in ländlichen Regionen leidet. Die Deutsche Plattform für Globale Gesundheit (dpgg) kritisiert außerdem die Verlagerung der Ausbildungskosten in ärmere Länder sowie die häufig geschlossenen „Knebelverträge“, die ausländische Pfleger*innen mit hohen Schulden zurücklassen, falls sie vorzeitig kündigen.

Nachdem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ihren Weltgesundheitsbericht 2008 zu diesem Thema vorgelegt hatte, einigten sich die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen auf einen freiwilligen Verhaltenskodex zur internationalen Rekrutierung von Gesundheitspersonal, der die Ausbildung einheimischer Pflegekräfte vor der Rekrutierung ausländischer vorsieht und die Anwerbung aus Ländern verbietet, die selber über zu wenig Fachkräfte verfügen (WHO 2010).

An der Berliner Charité war im letzten Jahr ein Streik von Pflegekräften für mehr Personal zum ersten Mal erfolgreich. Die Arbeitgeberklage scheiterte, weil die Forderung dem „Gesundheitsschutz“ zuzuordnen sei. Nachdem ein deutschlandweiter Großstreik angekündigt worden war, hat das Bundeskabinett am 5. April 2017 Pflegepersonaluntergrenzen „in Bereichen, in denen dies für die Patientensicherheit besonders notwendig ist“, auf den Weg gebracht. Ab 2019 will die Regierung dafür jährlich 830 Millionen Euro ausgeben.

Titelbild: Frank Schinski/OSTKREUZ