Anfang Mai schob sich über dem Rosengarten des Weißen Hauses plötzlich die Sonne zwischen den Frühlingswolken hervor. Ein warmer Wind wehte über den Rasen, eine Militärband spielte klassische Musik. Bis Donald Trump ans Rednerpult trat, um eine Ehrenmedaille für besondere Verdienste zu verleihen – und eine zutiefst amerikanische Geschichte zu erzählen: die des Comebacks.
„Tiger kämpfte trotz höllischer Schmerzen“, sprach Trump ins Mikrofon, während neben ihm der Golfstar Tiger Woods verstohlen lächelte. „Was als Nächstes geschah, war eines der außergewöhnlichsten Comebacks, die der Golfsport, wenn nicht alle Sportarten, je erleben durfte.“ Amerika liebt solche Geschichten: das große Drama, ein Siegeswille, der mangelndes (oder wie in Woods’ Fall abhandengekommenes) Talent ausgleicht. So werden in den USA Publikumslieblinge geboren.
Klar ist: Mit Zurücklehnen und Golf spielen ist es nicht getan
Noch sind es fast anderthalb Jahre, aber allmählich stellt sich die Frage, ob die USA bei der Wahl im November 2020 auch ein Comeback von Trump erleben werden. Zurzeit sieht es nicht nach einem Selbstläufer für den amtierenden Präsidenten aus. Wie es um seine Wiederwahl steht, kann zu diesem frühen Zeitpunkt zwar niemand seriös beantworten. Was man aber tun kann: ein paar Zeichen deuten, Trumps Stärken und Schwächen aus den ersten vier Amtsjahren abwägen.
Und sonst so? Das sind die aussichtsreichsten Kandidat*innen bei der Wahl zum US-Präsidenten 2020
Da wären zuerst einmal die Umfragewerte des Präsidenten: Der Zuspruch für Trumps Arbeit liegt Mitte Juni bei 43 Prozent, seit Amtsantritt ist der Präsident nie über 46 Prozent gekommen, aber auch nie unter 35 Prozent gefallen. So gering der Ausschlag ist, so gering ist Trumps Beliebtheit im Gegensatz zu einigen seiner jüngsten Vorgänger. Zum annähernd gleichen Zeitpunkt in seiner Präsidentschaft lag Barack Obama bei 46 Prozent Zustimmung, George W. Bush bei 63 Prozent, George H.W. Bush sogar bei 72 Prozent. Nur Jimmy Carter lag mit 29 Prozent noch niedriger als Trump jetzt.
Im eigenen politischen Lager ist Trump aber nach wie vor beliebt
Unter Republikanern genießt er nach wie vor großen Zuspruch. Vergleicht man ihn mit seinen Herausforderern, sieht die Sache etwas anders aus: In einer aktuellen Umfrage würden sich bei einer Direktwahl 53 Prozent für Joe Biden, Obamas damaligen Vizepräsidenten, entscheiden, nur 40 Prozent für Trump. Gegen die sechs aussichtsreichen Kandidat*innen bei den Demokraten hätte der Präsident zurzeit durch die Bank das Nachsehen. Als großer innenpolitischer Versöhner hat Trump sich bislang nicht aufgespielt, und vielleicht sind die Umfrageergebnisse ein Fingerzeig, dass ein gewisser Teil der US-amerikanischen Bevölkerung sich nach jemanden sehnt, der das Land auf eine andere Art führt. Laut einer „Politico“-Umfrage vom Februar halten nur 36 Prozent Trump für ehrlich und haben das Gefühl, dass er sich um Menschen wie sie kümmert.
Was uns zu Trumps Bilanz als Staatschef bringt. Die Mauer an der Grenze zu Mexiko steht noch nicht. Vom Kongress bekam Trump lediglich einen Bruchteil der Summe, die er für den Mauerbau gefordert hatte. Auch konnte er die angespannte Situation an den Grenzübergängen großenteils nicht entspannen. Trumps Wahlversprechen, Obamas Gesundheitsreform rückgängig zu machen, scheiterte im Senat.
Fast 200.000 neue Jobs pro Monat: Unter Trump brummt die US-Wirtschaft. Daran hat auch der Handelskrieg mit China nichts geändert
Viele seiner Anhänger halten dem Präsidenten hingegen zugute, dass er es geschafft hat, zwei Richter am Supreme Court zu installieren. Brett Kavanaugh und Neil Gorsuch bringen eine konservativere Gesetzesauslegung an das höchste Gericht im Lande, was für republikanische Wähler mit traditionellen Wertvorstellungen ein wichtiger Faktor ist. Trump brachte eine versprochene Steuerreform im Senat durch, und er hat einen Trumpf in der Hand: Die amerikanische Wirtschaft wächst unter Trump weiter kräftig, und das trotz Strafzöllen und einem drohenden Handelskrieg mit China.
Und dennoch wirft gerade diese Tatsache zwei Fragen auf, die man sich im Hinblick auf Trumps mögliche Wiederwahl stellen sollte. Erstens: Warum sind seine Zuspruchswerte relativ niedrig, obwohl die Konjunktur brummt und jeden Monat im Schnitt fast 200.000 neue Jobs entstehen? Zweitens: Was passiert, wenn das Wachstum sich abschwächt, wenn weniger Stellen geschaffen beziehungsweise besetzt werden können, wie einige Firmen fürs nächste Jahr befürchten? Mit welchen Erfolgsmeldungen will Trump dann in den Wahlkampf ziehen?
Bis November 2020 sind es noch 17 lange Monate. Viel kann passieren, was seine Wiederwahl gefährden könnte – zum Beispiel eine Eskalation des Konflikts mit Iran. Ein Krieg könnte in den Augen der Wählerschaft sein Versprechen brechen, die Rolle der USA als Weltpolizist zu beenden, und unabsehbare Folgen für die Weltwirtschaft haben. Umschifft Trump mögliche Krisen, hat er als Amtsinhaber einen Bonus: Beliebtheit, Bekanntheit, Spendenbereitschaft, politische Errungenschaften, all das spricht normalerweise für den Mann im Weißen Haus.
Wie schnell können sich die Lager der Demokraten auf eine*n Gegner*in für Trump einigen?
Auch ist noch nicht klar, wen die Demokraten als Gegenkandidaten nominieren und ob die Partei sich bis dahin vielleicht in Flügelkämpfen zwischen dem progressiven Lager (u.a. Bernie Sanders, Elizabeth Warren) und der eher moderaten Fraktion (u.a. Joe Biden) aufreibt und am Ende uneins gegen den Präsidenten auftritt.
Im Rosengarten, während der Lobrede auf Comeback-Star Tiger Woods, setzte Trump zu einer ausführlichen Nacherzählung an, wie sich der geschundene Profi an jenem Nachmittag an die Spitze des Feldes zurückgekämpft hat, um das Turnier doch noch zu gewinnen. Dass man Donald Trump nicht unterschätzen sollte und er sich gegen den klaren Favoriten durchsetzen kann, hat er schon einmal bewiesen – im November 2016. Sein Motto für den Wahlkampf 2020 hat er bereits ausgerufen: „Keep America great“.
Titelbild: Kevin Dietsch/UPI/laif