„Isegrim fühlt sich wohl in Sachsen.“
Mit diesen Worten verkündete das sächsische Umweltministerium im Sommer 2001 durchaus stolz die Rückkehr des Wolfs nach Deutschland. In der Lausitz waren zum ersten Mal seit rund 150 Jahren wieder Wolfswelpen auf deutschem Boden zur Welt gekommen. Und zum ersten Mal waren sie erwünscht, wurden nicht bejagt, sondern geschützt.
18 Jahre später ist der Wolf nicht mehr nur in Sachsen heimisch. Im Jahr 2018 wurden Einzeltiere oder Rudel in fast ganz Deutschland gesichtet. Als biologische Opportunisten sind Wölfe anpassungsfähig. Zum Leben brauchen sie nicht zwingend unberührte Wildnis. Kulturlandschaften oder ein Truppenübungsplatz sind genauso geeignet, sofern sie ein paar Rückzugsorte und genug Futter finden – und das gibt es in Deutschland mit seinen großen Wildbeständen reichlich. Durch seine Anpassungsfähigkeit war der Wolf lange Zeit auf der gesamten Nordhalbkugel verbreitet und ist schon seit Jahrtausenden ein sehr präsenter Begleiter der Menschen. So eng ist die Verbindung, dass die Menschen Wölfe domestizierten und aus ihnen sogar eine eigene Unterart züchteten: die Hunde.
In der jüngeren Geschichte war der Wolf in Europa aber vor allem als böses Tier verschrien. In der Bibel schickt Jesus seine Jünger wie Schafe mitten unter die Wölfe, in Märchen frisst der Wolf die Großmutter. Die Anti-Wolfs-Propaganda hatte auch ökonomische Gründe. Wölfe waren Nahrungskonkurrenten, sie jagten die gleichen Tiere wie die Menschen – oder fraßen gleich ihr Vieh. In der Folge wurde der Wolf in großen Teilen des Kontinents ausgerottet.
„Problemwölfe“ dürfen geschossen werden
Ein derart schlechtes Image bleibt hängen. Auch in den heutigen Debatten wird immer wieder vor der Gefahr durch Wölfe gewarnt. Dass gesunde Tiere den Menschen meiden und in den letzten 50 Jahren Wölfe in Europa nur vier Personen getötet haben, hilft kaum gegen irrationale Ängste. So verbreiten sich Gerüchte über vermeintliche Wolfsangriffe als Jägerlatein 2.0 in WhatsApp-Gruppen, Rechtspopulisten haben ihren Kampf gegen Migration längst auf den vierbeinigen Einwanderer aus dem Osten ausgeweitet. Schäfer und Bauern fürchten, dass ihnen der Wolf die Existenzgrundlage wegfrisst – selbst wenn sie Entschädigungen für gerissene Tiere bekommen. Andere haben Angst, dass Touristen wegbleiben. Dabei ist der Wolf eigentlich ein wichtiger Bestandteil des Ökosystems: Er frisst kranke und schwache Rehe und Hirsche. Dadurch bleibt deren restliche Herde gesund.
Die Landesregierungen begegnen den Vorbehalten und Ängsten der Menschen mit Wolfsmanagern. Eine neue Berufsgruppe: Sie sind Ansprechpartner für besorgte Bürger, aber auch für Schäfer, denen sie Tipps geben, wie sie ihre Herdentiere schützen können. Eigentlich dürfen Wölfe gar nicht abgeschossen werden, weil die vom Aussterben bedrohten Tiere in Europa seit 1979 unter strengem Artenschutz durch die Berner Konvention stehen. Doch es gibt einige Ausnahmen, „Problemwölfe“ etwa, die krank sind oder sich aggressiv verhalten.
In Zukunft sollen die Tiere sogar schon bei ernsten und nicht mehr nur bei existenzbedrohenden Schäden getötet werden dürfen, zum Beispiel wenn mehrere Schafe gerissen werden. So plant es die Bundesregierung mit einer umstrittenen Änderung des Naturschutzgesetzes. Wie viele Tiere es in Deutschland gibt? Das Bundesamt für Naturschutz spricht von rund 150 Tieren, der Deutsche Jagdverband e. V. von über 1.000.
Illustration: Frank Höhne